Eifel

Im Inferno geboren

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Hauyn, der blaue Kristall des Laacher See–Vulkans

Die Eifel ist ein Eldorado für Mineraliensammler, denn die Vulkane erschufen vor ihren Eruptionen unzählige Mineralienarten. Auch jeder Vulkanausbruch hat seine ganz individuelle Kollektion an glitzernden Kostbarkeiten hervorgebracht. Insgesamt hat man bisher 453 Mineralienarten in der Eifel entdeckt, allein 173 davon in den Ablagerungen des Laacher See –Vulkans. Darunter gibt es wahre Schätze wie den seltenen Hauyn. Die meisten der vulkanisch entstandenen Eifelminerale sind winzig. Erst mit Hilfe einer Lupe kann man ihre Schönheit bestaunen.

Der tiefblaue gefärbte Hauyn gehört zu den Mineralienarten, die sogar Edelsteinqualität erreichen können. Benannt wurde der blaue Winzling im 18. Jahrhundert nach dem französischen Kristallographen René Just Haüy. Die meisten Hauyne sind kleiner als einen Millimeter. Nur ganz wenige erreichen eine Länge von drei Zentimetern. Facettiert geschliffen finden die größeren Kristalle als wertvoller Schmuckstein Verwendung.

In der Eifel werden sie vor allem in den Ablagerungen des vulkanischen Auswurfs rund um den Laacher See-Vulkan gefunden. Die "Kratzer", wie die mit Kochlöffel und Geologenhammer bewaffneten Hauynsammler auch genannt werden, furchten in den letzten Jahrzehnten viele Rillen in die unterschiedlichen Ablagerungswände des Laacher See-Vulkans. Geotope wie die Wingertsbergwand stehen heute unter strengem Naturschutz. Zudem ist die Suche unter solch hohen Ablagerungswänden gefährlich. Ganz unerwartet kann hier tonnenweise Asche und Gestein auf den Suchenden niederrauschen. Um zu verstehen, wie die seltenen Hauyne aus dem Laacher See- Vulkan entstanden sind, müssen wir die Uhr der Erdgeschichte mehr als 12.900 Jahre zurückdrehen, also in die Zeit lange vor dem gigantischen Vulkanausbruch in der Osteifel.

Der lange Weg der Magmen

Die Bildung vieler Eifeler Mineralien geschah bereits Zehntausende Jahre, bevor es überhaupt zu Vulkanausbrüchen kam. Dies kann man besonders gut am Beispiel des Laacher See- Vulkans verfolgen. Dessen Magma stammte aus Aufschmelzvorgängen des Mantelgesteins in circa 70 bis 120 Kilometer Tiefe unter der Erdoberfläche. Dort befindet sich auch heute noch eine lokal begrenzte, heiße Aufschmelzzone, der sogenannte Eifel-Plume. Die Gesteinsschmelze des Eifel-Plume ist heißer als das umgebende Mantelgestein. Sie hat daher das Bestreben, zur Erdkruste hin aufzusteigen. Die extrem zähe Masse blieb aber erst einmal direkt an der Moho, also dem Übergang zur festen Erdkruste, stecken. In den Ansammlungen des Magmas kam es zur chemischen Änderung der Schmelze. Dabei kristallisierten auch Mineralien aus. Diese alten Ansammlungen, auch Underplating genannt, stellt man sich wie plattenförmige Gebilde aus alter Gesteinsschmelze vor, die noch heute wie ein durchlöcherter Schweizer Käse unter der Eifel lagert. Ein ganz geringer Teil der chemisch veränderten Ansammlung schaffte über Tausende Jahre später durch Störungsrisse im Muttergestein den Aufstieg in und durch die Erdkruste.

Brodelnde "Gesteinssuppe"

Lange vor dem Ausbruch des Laacher See Vulkans sammelte sich die Gesteinsschmelze nun in der oberen Erdkruste erneut an und bildete eine Magmakammer. In den nächsten Tausenden Jahren kühlte das Magma auf weniger als 1000°C ab. Viele Mineralienarten, unter ihnen der seltene Hauyn, begannen zu kristallisieren. Die chemische Umwandlung der Gesteinsschmelze nennt man auch magmatische Differentiation.

Bei diesem Vorgang wurden auch Gase, die ebenfalls aus dem Magma stammen, in der Kammer angereichert. Der extrem hohe Gasdruck verursachte die unvorstellbar große Explosionskraft des Laacher See-Vulkans. Man schätzt das Volumen dieses Magmas, das später den unvorstellbar zerstörerischen Vulkanausbruch speiste, auf fünf bis sechs Kubikkilometer. Der Rest der vulkanisch entstandenen Mineralien kristallisierte sowohl während des Vulkanausbruchs als auch danach in heißen Lösungen innerhalb von Ablagerungen an der Erdoberfläche aus.

Geburt eines Edelsteins

Der Hauyn gehört zu denjenigen Mineralen, die sich nur bilden, wenn in einem Magma zu wenig Siliziumoxid vorhanden ist, um Feldspäte zu bilden. Normalerweise kristallisiert als häufigster sogenannter Feldspatvertreter der Nephelin. Da im Magma des Laacher See-Vulkans aber auch noch viel Schwefel und Calcium enthalten waren, wurden diese in die Gitterstruktur der Feldspatvertreter eingebaut und es entstanden zusätzlich viele der kalziumsulfatreichen Kristalle des sogenannten Hauyns.

Vom Boden der Magmakammer in die Tasche der Sammler

Einige Hauyne befanden sich beim Ausbruch des Vulkans noch inmitten der Magmakammer. Heute findet man diesen Teil der Hauyne in den hellen Bimsschichten der Ablagerungen des Laacher See-Vulkans. Andere Hauyne waren in Tausenden Jahren aber bereits mit anderen Kristallarten in die Tiefe abgesunken. Dort lag der schwere Kristallbrei wie Kaffeesatz am Boden der Magmakammer. Er wäre normalerweise nie ausgeworfen worden. Denn das Magma dort unten war sehr arm an Gas, daher gab es nicht mehr genug Gasdruck, um das Magma aus dem Boden der Kammer heraus zu schleudern. Phasenweise und insbesondere am Ende lief aber Wasser in die Magmakammer hinein. Der Kontakt von Magma mit Wasser löste heftige Wasserdampfexplosionen aus. Dadurch wurde der Kristallbrei vom Boden der Magmakammer aus dem Vulkanschlot heraus geschleudert. Der größte Teil der Ablagerungen wurden im Bereich der heute unter Schutz stehenden Wingerstbergwand angehäuft. Die Hauyne kommen in der Eifel auch noch in einigen anderen Vulkanen wie dem Bellerberg-Vulkan vor, wenn auch in deutlich geringerer Zahl.

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AUTOR/IN
SWR