Ein illustriertes Skelett joggt. Im Hintergrund befindet sich die Aufnahme eines Herzschlags. (Foto: IMAGO, IMAGO / Panthermedia)

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Schon wenig Sport fördert die Gesundheit

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Ralf Caspary im Gespräch mit Prof. Ingo Froböse
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Lilly Zerbst

Eine australische Studie will gezeigt haben, dass bereits wenig Sport das Risiko eines frühzeitigen Todes sowie das Risiko, an bestimmten chronischen Krankheiten zu erkranken, erheblich senken kann. Sportwissenschaftler Ingo Froböse ist skeptisch: Warum und wie jeder Sport treiben sollte, um sich fit zu halten, erklärt er SWR2-Impuls-Reporter Ralf Caspary.

Schon wenig Sport kann bei Anfänger:innen viel bringen

Ralf Caspary, SWR2: Laut einer australischen Studie führen bereits 15 bis 20 Minuten intensive Bewegung pro Woche zu einem um 16 bis 40 Prozent gesunkenen Sterblichkeitsrisiko. Was sagen Sie zu solchen Zahlen und Studien?

Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln: Es kommt ja nicht auf die Minutenzahl an, sondern was gemacht wird. Und das Zweite ist: Was ist das Ausgangsniveau derer, die den Sport getrieben haben?

Ich kann mir vorstellen, in der Studie ist das auch so gemeint gewesen, dass für Anfänger und Anfängerinnen auch wenig schon relativ viel bringt. Und das zweite ist, das würde ich mir auch bei uns im Alltag wünschen, dass es durchaus angemessen ist, den Puls auf 120, 130 oder 140 Schläge pro Minute hochzubringen – also intensiver auch körperlich aktiv zu sein. Das ist wie bei einem Auto auf der Autobahn: Man muss es schon mal schneller fahren, damit die Funktionstüchtigkeit erhalten bleibt.

Eine junge Frau macht zu Hause ein Workout mit einem Gymnastikball. (Foto: IMAGO, IMAGO / Shotshop)
Aktive Bewegungseinheiten mit intensiven Übungen und Musketraining sollten in den Alltag integriert werden, damit der Körper auch mal auf Hochtouren läuft.

Sport alleine reicht nicht aus

Ralf Caspary: Bei solchen Zahlen, also Sterblichkeitsrisiko minimiert um 16 bis 40 Prozent, gehen auch die Alarmlampen an, oder?

Ingo Froböse: Die Alarmlampen sollten auch leuchten. Denn wenn das alles so einfach wäre, mal eben 15 Minuten die Treppe runterzurennen und den Lebensstil als solchen beizubehalten, damit kaufe ich mich nicht frei.

Der Lebensstil ist insgesamt ja ganz entscheidend. Und da macht es nicht nur die körperliche Aktivität. Da macht es die gesunde Ernährung, der wenige Stress, der gute Schlaf, das richtige Trinken. All das gehört zu dem Gesamtpaket dazu. Nur mal 15 Minuten im Treppenhaus, das reicht nicht aus.

Verschiedenes Obst, Zwiebeln, Knoblauch, Saft und Brot liegen auf einem Tisch präsentiert. (Foto: IMAGO, IMAGO / agefotostock)
Ein gesunder Körper kommt nicht nur von viel Bewegung. Auch eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Psyche tragen zur Fittness bei.

Schritt 1: Bewegung im Alltag durch aktive Pausen

Ralf Caspary: Dann gehen wir mal weg von diesen Studien und auch von solchen Zahlen. Was würden Sie denn einem interessierten Laien wie mir bei einem Alter von 65 Jahren raten? Ich möchte was für meine Gesundheit tun.

Ingo Froböse: Das Entscheidende ist erst einmal, dass man die Inaktivität des Alltags unterbricht. Das heißt: So häufig wie möglich aufstehen und etwas tun. Ich muss dafür sorgen, stündlich 5 Minuten aufzustehen, zu unterbrechen, im Stehen zu telefonieren.

Schritt 2: Ausdauertraining für Herz und Kreislauf

Ingo Froböse: Wichtig ist auch, Herz-Kreislauf-Training zu machen, die Gefäße jung zu halten und die Leistungsfähigkeit des Herzens zu optimieren. Mindestens dreimal die Woche sollte man einen Spaziergang machen, radeln, walken, laufen – je nachdem, was man möchte und was man kann: Besser 30, noch besser 45 Minuten, am Stück.

Schritt 3: Muskelaufbau besonders im Alter wichtig

Ingo Froböse: Das Dritte wird im fortgeschrittenen Alter umso wichtiger. Je älter wir werden, umso wichtiger wird die Muskulatur. Man sollte Muskeltraining betreiben, zweimal pro Woche 20 bis 30 Minuten. Die Muskeln müssen brennen. Dann haben wir ein Rundum-Paket.

Älterer Mann beim Training mit der Kettlebell im Fitnessstudio. (Foto: IMAGO, IMAGO / Westend61)
Gerade im Alter ist Kraftraining wichtig, um dem altersbedingten Muskelschwund entgegenzuwirken und sich gesund zu halten.

Intensives Training gegen Muskelschwund

Ralf Caspary: Das ist ja eine Mischung aus moderater Bewegung und Krafttraining. Also man sollte sich auch mehrmals fordern in der Woche, richtig?

Ingo Froböse: Ja, vor allen Dingen wissen wir, dass letztendlich ab dem sechzigsten, siebzigsten Lebensjahr spätestens Muskelschwund eintritt. Wir wissen auch, dass Muskulatur das größte Stoffwechselorgan ist, aber uns auch mobil, selbständig und aktiv hält.

Muskeln brauchen eben höhere Aktivitäten. Das heißt also, sie dürfen nicht in Watte gepackt werden. Da muss die Herzfrequenz auch mal hoch. Da muss die Muskulatur auch mal brennen. Wir in Köln haben dafür eine wunderbare Redewendung: "Je oller, je doller". So sollte es sein.

"Muskeln muss man machen" – Auch mit 80 Jahren

Ralf Caspary: Kann ich über 65 Jahren meine Muskelmasse schon noch richtig schön aufbauen oder gibt es irgendwann auch Grenzen?

Ingo Froböse: Das ist in der Tat so, dass wir in jedem Alter - selbst mit 80 noch - Potenziale haben, unsere Leistungsfähigkeit wieder zu verbessern. Muskeln kann man nicht kaufen, die muss man machen. Und vor allen Dingen, weil die Muskeln immer auch trainierbar sind, anpassungsfähiger sind ab einem gewissen Alter, heißt das, auch mit 80 haben wir das Potenzial auf jeden Fall noch.

Bewegung stärkt das Immunsystem

Ralf Caspary: Was macht denn der Sport genau mit unserem Körper? Zum Beispiel haben wir ja in den letzten 30 bis 40 Jahren neueste Erkenntnisse mit dem Immunsystem.

Ingo Froböse: Das Immunsystem ist von der ersten Sekunde der körperlichen Aktivität wirklich tätig und verbessert sich. Zwei Dinge passieren: Ich verbessere die Quantität der Immunzellen, das heißt, ich habe mehr Einsatzkommandos in meinem Körper, die helfen, eindringende Erreger zu vertreiben.

Das Zweite ist: Die Qualität wird besser. Das heißt, die Arbeit des Immunsystems kann sehr viel genauer funktionieren. Und so bin ich auch gegen alles, was kreucht und fleucht, besser gewappnet. Die Durchblutung ist besser, die Sauerstoffversorgung ist besser, man hat Entzündungen besser im Griff, die Gelenke werden besser versorgt und vor allen Dingen meine Vitalität bleibt erhalten.

Physiotherapeut berührt das Knie eines männlichen Patienten. (Foto: IMAGO, IMAGO / Westend61)
Sport kann zwar auf die Gelenke gehen, ein fitter und muskulöser Körper kann aber auch dabei helfen, die Gelenke gesund zu halten.

Zu viel Sport kann ebenfalls schaden

Ralf Caspary: Was kann ich den falsch machen?

Ingo Froböse: Gar nichts tun - das ist das Schlechteste, was man machen kann. Und das machen leider die meisten. Ich sehe auch leider zu viele, die übertreiben es. Man sollte nicht von Null plötzlich sagen, jetzt mache ich jeden Tag etwas. Das wäre falsch. Man sollte dem Körper Regeneration gönnen, zwei- bis dreimal pro Woche Ausdauertraining reicht aus, dazu zweimal bis maximal dreimal pro Woche Muskeltraining. Da habe ich auch immer einen Tag Pause und vor allen Dingen nicht übertreiben, aber auch mal durchaus ab und zu an die Grenze.

Der Alltag enthält total schöne Trainingsmöglichkeiten. Wir müssen sie nur erkennen und vor allen Dingen nutzen. Freuen wir uns doch darüber, wenn der Parkplatz mal nicht direkt vor der Tür ist.

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