Filmserie " Der Schwarm" im Faktencheck (Foto: Pressestelle, ZDF und Staudinger + Franke /Serviceplan / Schwarm TV Production GmbH & Co. KG)

Meeresbiologie

Faktencheck der Serie "Der Schwarm"

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INTERVIEW
Prof. Ute Hentschel Humeida
MODERATOR/IN
Jochen Steiner
Jochen Steiner, SWR2 Moderator (Foto: SWR, Oliver Reuther)
ONLINEFASSUNG
Antonia Weise
Elisabeth Theodoropoulos

Im Science-Fiction Thriller „Der Schwarm” wird die Menschheit von intelligenten Lebensformen aus dem Meer bedroht. Wie realistisch ist die Handlung?

Jochen Steiner, SWR2 Impuls spricht mit Professorin Ute Hentschel-Humeida. Sie ist Meeresbiologin am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

SWR2 Impuls: Bei "Der Schwarm" wird zum Beispiel ein gefährliches Bakterium über Hummer oder Fische auf uns Menschen übertragen. Kann so etwas sein?

Ute Hentschel-Humeida: Der Romanautor Frank Schätzing hat da sehr gute Arbeit geleistet. Es gibt Fälle, wo Einzeller zum Beispiel Dinoflagellaten über die Nahrungskette, über Fisch oder Meerestiere, die wir konsumieren, auf den Menschen gelangen und dort tatsächlich Nahrungsmittelvergiftungen verursachen können. In Japan gibt es zum Beispiel die Delikatesse, die man Fugu nennt, eine beliebte Spezialität aus Kugelfisch. Die ist teuer und hochbegehrt, aber das Gift, was wahrscheinlich über Algen in den Fisch gerät, kann in der Tat tödlich sein.

Stimmt der Fakt, dass sich einzellige Lebewesen zu größeren Organismen zusammenschließen und dem Menschen dann gefährlich werden können?

Ute Hentschel-Humeida: Also auch da hat der Autor des Buches sehr gut recherchiert. Dieses Schwarmverhalten ist in der Natur sehr gut bekannt. Man denke zum Beispiel an die Wanderheuschrecken, eine biblische Plage. Da kommen bis zu 1.500 Tonnen an Heuschrecken-Material zusammen, und man kann sich unschwer vorstellen, dass diese ganze Landstriche verwüsten können. Dieses Verhalten gibt es auch bei anderen Tieren. Man denke zum Beispiel an Delfine, die sich zu Verbänden schließen können, es gibt Sardinenschwärme, Fischschwärme, die sich so vor ihren Fraßfeinden wehren.

In einem Schwarm lenken wenige Fische die gesamte Masse. (Foto: IMAGO, /Panthermedia)
Ein Fischschwarm im Karibischen Meer. Sobald ein Feind sie angreift ändern alle Fische die Richtung, um sich in Sicherheit zu bringen. Dabei lenken wenige Fische die Masse.

Also Meerestiere, die sich zusammenschließen, um als Schwarm schlagkräftiger zu sein, gibt es. Aber Schwarmtiere, die dem Menschen gefährlich werden, nicht oder?

Ute Hentschel-Humeida: Nein, absolut nicht. Also es ist ein natürliches Verhalten, in der Biologie verankert. Doch die Folgen, die Frank Schätzing so eindrücklich schildert, die sind dann absolut aus dem Bereich der Fiktion.

Eine weitere Handlung ist, dass Meereswürmer sehr appetitreich das Schelfeis zerstören. Das gibt es nicht oder?

Ute Hentschel-Humeida: Doch tatsächlich, es gibt Schelfeis-Würmer, die viel fressen. Es gibt auch Würmer in der Tiefsee, die übrigens auch anderthalb Meter groß werden können. Aber Fiktion ist es dann, wenn dadurch Hangabrutsche zustande kommen oder sogar Tsunamis.

Können Orcas uns gefährlich werden?

Ute Hentschel-Humeida: Ja, also Orcas, die haben ein Beuteschema: Seerobben, und da ist der Mensch gar nicht so weit davon entfernt, zumindest aus Sicht des Orcas. Aber es liegt keine Absicht dahinter. Das ist, wo Schätzing dann in die Fiktion übergeht. Das Verhalten gibt es, auch in Herdenverbünden, aber eben nicht mit diesem übergeordneten Ziel, den Menschen anzugreifen oder sogar auszurotten.

Eine Gruppe von Orcas (Foto: IMAGO, /Cavan Images)
Orcas werden auch Schwertwale genannt. In Gruppen jagen sie koordiniert ihre Beute. Darunter fallen unter anderem Robben, Kranken und Delfine.

Kann man zusammengefasst sagen, aus den Tiefen des Meeres lauern für uns Menschen eher keine Gefahr?

Ute Hentschel-Humeida: Also, ich würde das umdrehen. Ich würde sagen, wir Menschen sind eine Gefahr für den Ozean. Indem wir das Meer mit unseren Tätigkeiten im Endeffekt zur Klimaveränderung führen. Insofern lauert dort im Meer keine Gefahr. Das als Beruhigung für jeden, der dort im Sommer Urlaub machen möchte. Das ist eine Freude für uns. Es soll auch ein Vergnügen sein. Es soll auch ein Urlaub sein. Es gibt dort keine Gefahr, wie Herr Schätzing es in "Der Schwarm" beschreibt. Trotzdem ist es das Meer und man muss schon aufpassen. Man muss wissen, was man tut, und man sollte schwimmen können.

Gibt es Berührungspunkte zwischen ihrer eigenen Forschungsarbeit am Geomar und dem Schwarm?

Ute Hentschel-Humeida: Ja, in der Tat ist der Inhalt sehr aktuell, vielleicht sogar noch aktueller als vor 20 Jahren. Wir bemerken zunehmend, dass es neue Arten von Krankheiten gibt. Nur mal als ein Beispiel: Es gibt Muscheln, die Krebs kriegen können – und dieser Krebs ist auch noch ansteckend für andere Muschelarten, aber nicht für uns Menschen.

Tiefsee-Würmer auf Methaneis (Foto: Pressestelle, NOAA Ocean Explorer)
Eiswürmer (Sirsoe methanicola) auf Methaneis. Sie sind gut an eine sauerstoffarme Umgebung und dem extremen Druck in der Tiefsee gut angepasst.

Es gibt also eine ganze Reihe an neuen Fällen, wo man den Eindruck hat, dass aufgrund der erhöhten Temperatur Gleichgewichte ins Kippen kommen, und das ist unser aktuelles Forschungsinteresse. Gerade hier in Kiel haben wir da eine große Expertise und auch eine große Kompetenz und ein großes Forschungsinteresse zu verstehen, wie solche Prozesse im Meer stattfinden. Und sofern ist diese Bedrohung vom Menschen für das Meer und das Meer für den Menschen ein sehr aktuelles Thema.

Müsste es dann vielleicht noch eine weitere Serie geben, welche die aktuellen Geschehnisse mitverarbeitet und den Forschungsstand widerspiegelt?

Ute Hentschel-Humeida: Ja, also, ich finde, TerraX hat das sehr gut gemacht. Ich persönlich als Meeresforscherin, freue mich immer, wenn unsere Themen auch im Fernsehen gezeigt werden, wenn sie öffentlich sind. Und ja, wenn sie im Abendfernsehen laufen. Das ist für uns immer sehr schön.

Filmreihe "Der Schwarm" in der ZDF Mediathek

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