Ein alter Mensch mit steifen, schmerzenden Gelenken - das ist wahrscheinlich das erste Bild, das viele Menschen bei dem Wort "Rheuma" im Kopf haben. Und wie bei vielen Klischees gibt es einen wahren Kern: Rheumatische Erkrankungen treten im Alter häufiger auf. Aber das ist zu kurz gegriffen: Rheumatische Erkrankungen treffen alle Altersgruppen. Und es sind sehr unterschiedliche, sehr komplexe Erkrankungen.
Ab dem 18. September 2024 treffen sich in Düsseldorf Rheumatologinnen und Rheumatologen auf einem Kongress, um sich über die Ursachen und Behandlungen dieser Erkrankungen auszutauschen. Denn in den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es einige interessante Fortschritte.
Medikamente: Biologika können Zerstörung der Gelenke aufhalten
"Wir haben in den letzten 20 Jahren eine therapeutische Revolution erlebt", sagt Ulf Wagner, Leiter der Rheumatologie an der Uniklinik Leipzig. Wenn er zum Beispiel eine rheumatoide Arthritis behandeln will, hat er heute ganz andere Mittel zur Verfügung als noch in den 1990er Jahren.
"Vor Einführung der sogenannten Biologika, also solcher biologisch herzustellenden Medikamente, war es bei der rheumatoiden Arthritis in der Mehrzahl der Fälle nicht möglich, die fortschreitende Gelenkdestruktion aufzuhalten", berichtet Wagner. "Nach fünf Jahren waren schon bis zu 50 Prozent der Patienten nicht mehr erwerbsfähig und häufig auch rollstuhlgebunden."
Das ist heute anders. Bei den meisten Betroffenen werden die Gelenke nicht mehr zerstört, sie können sie weiter benutzen, sind längst nicht mehr so eingeschränkt wie früher.
Lange Wartezeiten für einen Termin bei rheumatologischen Erkrankungen
Aber: Um gezielt behandeln zu können, muss eine rheumatische Erkrankung erstens erkannt und dann auch fachgerecht behandelt werden. Es gibt Dutzende unterschiedliche Erkrankungen, viele sind sehr selten und komplex.
Doch an einen Termin bei einer Rheumatologin oder einem Rheumatologen zu kommen, ist schwierig. Wie gut die Versorgung sei, hänge stark von der Region ab, sagen Patientenvertreter*innen. Oft müsse man sehr lange warten. Das könne unumkehrbare Schäden an den unbehandelten Gelenken zur Folge haben.
Christof Specker, Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie, ist wenig optimistisch, was die rheumatologische Versorgung in den nächsten Jahren angeht. Ihn besorgt, dass in den nächsten fünf Jahren viele Rheumatolog*innen in Rente gehen und es nicht ausreichend Nachwuchs gibt.
In Deutschland würden laut Berechnungen der Fachgesellschaft in den nächsten Jahren hunderte, wenn nicht tausend Fachärzte und Fachärztinnen für Rheumatologie fehlen, erklärt Specker, der Direktor der Klinik für Rheumatologie an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte ist.
Das Problem sieht Specker bereits am Anfang der ärztlichen Ausbildung: "Nur an knapp der Hälfte aller deutschen Hochschulen ist die Rheumatologie überhaupt in der Lehre vertreten."
Man müsse dafür sorgen, dass alle Studierende eine gute Ausbildung in rheumatischen Themen erhalten, so der Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie Specker. Er sieht die Politik in der Pflicht, die Versorgung der rheumatologischen Patientinnen und Patienten zu verbessern.
Moderne Behandlungsmethoden für Rheuma kosten sehr viel
Denn wenn Betroffene die richtige Behandlung erhielten, könne man ihnen heute gut helfen, sagt Ulf Wagner von der Uniklinik Leipzig. Aber: Noch gebe es keine Heilung für rheumatische Erkrankungen.
Das könnte sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ändern. In ersten Studien konnten neuartige Therapien wie sogenannte CAR-T-Zellen und bispezifische Antikörper vielversprechende Ergebnisse zeigen.
"Bei den bisherigen rheumatischen Erkrankungen, die mit CAR-T-Zellen behandelt wurden, gab es nur sehr wenige Rückfälle. Es mussten keine rheumatischen Medikamente in höheren Dosen eingesetzt werden", erklärt Rheumatologe Wagner. "Wir kommen einem gewissen Heilungseffekt, wenn man es so nennen will, zumindest näher.“
Doch diese Behandlungsmethode ist sehr teuer - die Preise gehen in die Hunderttausende pro Patient oder Patientin.
Christof Specker warnt jedoch davor, die Therapien deshalb nicht weiter zu erforschen. Zum einen sei zu erwarten, dass die Preise in Zukunft sinken würden. Zum anderen dürfe man nur aus Angst vor dem Preis nicht davor zurückschrecken, solche Behandlungen zumindest in Form von Studien oder wissenschaftlichen Untersuchungen weiter zu verfolgen. "Sonst opfern wir den medizinischen Fortschritt der Ökonomie. Und das sollten wir als Ärzte nicht tolerieren."