Rechnen mit Licht

Photonischer Chip für Rechenrekorde

Stand
Autor/in
Frank Wittig
Frank Wittig, Reporter für SWR Wissen aktuell
Onlinefassung
Emily Burkhart
Portrait Bild der Autorin Emily Burkhart

Ein photonischer Chip, der mit Licht statt mit Strom rechnet, soll 50-mal schneller als herkömmliche Chips arbeiten und 30-mal weniger Energie verbrauchen.

Künstliche Intelligenz fordert immer mehr Leistung bei den großen Rechenzentren. So braucht eine Anfrage bei Chat-GPT etwa 10-mal so viel Strom, als eine einfache Anfrage bei Google. Das Startup Qant aus Stuttgart verspricht hier Hilfe. Qant hat jetzt mit dem Aufbau einer Fertigungsanlage für photonische Computerchips begonnen. Die rechnen nicht mit Strom, sondern mit Licht, sind viel schneller und verbrauchen viel weniger Energie als herkömmliche Prozessoren, verspricht der Hersteller.

Bisher galt die Technologie als fehleranfälliger als die strombetriebenen Chips. Dieses Problem will das Stuttgarter Unternehmen nun gelöst haben. Schon in zwei Jahren sollen die ersten Photonischen Chips auf den Markt kommen.  

 

Paralleles Rechnen macht den Chip schnell 

Einer der Vorteile der photonischen Chips besteht darin, dass sie eine große Zahl von Rechenoperationen gleichzeitig durchführen können. Der Trick: Auf ein und derselben Infrastruktur auf dem Chip kann man mit unterschiedlichen Wellenlängen, also mit verschiedenen Farben, verschiedene Rechnungen parallel durchführen. Unter anderem deshalb sind die Chips so schnell.  

Ein weiterer Vorteil: Die Chips rechnen nicht digital – also mit Einsen und Nullen, sondern analog. Das passt vor allem zu Vorgängen in der Natur, die eben nicht digital sind, sondern analog. Hier verändern sich Größen kontinuierlich und machen keine digitalen Sprünge. Das kann man auch am besten analog berechnen- man spart sich also den Umweg über das binäre System (o.Ä.).  

Schon seit Jahrzehnten haben Forschende versucht, diese der Natur angemessene Rechentechnik zu verwirklichen. Michael Förtsch, einer der Geschäftsführer der Stuttgarter Chipschmiede Qant, erklärt, mit ihrem photonischen Chip sei ihnen der Durchbruch gelungen.

„Das ist uns jetzt weltweit zum ersten Mal gelungen, dass wir ein solches Rechenelement, das die von uns aufgestellten Gleichungen der Natur direkt berechnen kann, zum ersten Mal realisiert haben und Ergebnisse in einer Qualität erzeugen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat.“   

Eine Nahaufnahme einer Hand, die einen kleinen, goldenen photonischen Chip zwischen Daumen und Zeigefinger hält. Im Hintergrund sind unscharfe blaue Lichter zu sehen
Der photonische Chip nutzt Licht statt Elektrizität für Berechnungen. Durch parallele Verarbeitung verschiedener Wellenlängen löst er komplexe Probleme analog.

Rechnen mit Licht spart Energie

Analoge Rechentechnik zur Berechnung einer analogen Welt. Das ist nachvollziehbar. Aber warum brauchen die photonischen Chips so viel weniger Energie als herkömmliche Rechner? Ein Grund dafür: Sie müssen nicht gekühlt werden.

Michael Förtsch erklärt es so: „Strom muss immer über den Chip geschoben werden, das heißt, ich lege eine Spannung an und arbeite gegen einen Widerstand. Licht gleitet einfach über den Chip. Das muss ich nicht anschieben, das braucht weniger Energie.“  Und weil das Licht nicht gegen einen Widerstand arbeiten muss, entstehe auch keine Hitze, also keine Abwärme. So bräuchten die Chips von Qant keine Kühlung. Und das spare eine Menge Energie.  

 

Eine Frau mit weißem Pullover interagiert mit einem photonischen Chip von Qant in einem Serverraum. Der Chip zeigt ein blaues Matrix-Display, das Licht aussendet und in einen Serverrack installiert ist. Die Photonen auf dem Chip ermöglichen energieeffizientes Computing ohne herkömmliche Kühlsysteme.
Photonische Chips nutzen Licht statt Elektrizität. Im Gegensatz zu herkömmlichen Rechensystemen gleiten Photonen über den Chip ohne Widerstand, wodurch kaum Abwärme entsteht. Diese Technologie benötigt daher keine energieintensive Kühlung und verspricht signifikante Energieeinsparungen in Rechenzentren.

Billige Fertigungstechnik aus den 90ern umrüstbar für die Chips

Die Firma Quant, die jetzt mit dem Aufbau ihrer ersten Fertigungsanlage in Stuttgart begonnen hat, profitiert von dem enormen Drang zur Miniaturisierung der Schaltpläne auf den herkömmlichen Computerchips, die mit Strom arbeiten. Durch diese Miniaturisierung wurde die Leistung in die Höhe geschraubt aber die ganze Herstellung auch sehr empfindlich und teuer. 

Photonische Chips brauchen diese winzigen Strukturen nicht. So kommt Qant, für die photonischen Chips, günstig an gebrauchte, eigentlich schon veraltete Fertigungstechnik: „Diese Fertigungsanlagen waren Stand der Technik in den Neunzigern in der digitalen Elektronik. Und weil Licht auf diesen großen Strukturen leben kann, können wir diese Fertigungsstätten, wie sie in Deutschland und überall auf der Welt existieren, umrüsten, um sie dann zu den Produktionsstätten für unsre Hochleistungschips der Zukunft zu machen“, so Michael Förtsch. 

 

Nahaufnahme eines kreisförmigen photonischen Chips mit komplexen Schaltkreisen. Der dunkle Chip zeigt goldene und silberne mikroskopische Strukturen, die für die Verarbeitung von Photonen optimiert wurden, vor einem hellblauen Hintergrund.
Die Technologie verspricht paralleles Rechnen mit geringem Energieverbrauch, doch eine zentrale Herausforderung bleibt die Ungenauigkeit des analogen Rechnens – sich anhäufende Messfehler stellen die Skalierbarkeit in Frage.

Probleme beim analogen Rechnen der photonischen Chips

Paralleles Rechnen, das schnelle Schalten mit Licht, geringer Energieverbrauch: Auch Engjell Bebeti, der am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle zum Thema Photonik promoviert, schätzt dieses Potenzial der photonischen Chips als hoch ein. Er weiß aber auch, dass Forschende schon seit vielen Jahren an der analogen Rechentechnik mit Licht arbeiten und bisher nicht zu befriedigenden Ergebnissen gekommen sind.  

Das liegt vor allem an einer gewissen Ungenauigkeit beim analogen Rechnen, sagt Bebeti: „Beim analogen Rechnen im Gegensatz zum digitalen – also mit Nullen und Einsen – gibt es immer Messfehler. Und diese summieren sich auf, je mehr Komponenten man ins System eingibt. Und jetzt ist eben die Frage, hat man am Ende noch das Ergebnis, was man haben möchte, oder sind zu viele Fehler drin, die dann zu einem falschen Ergebnis führen?“  

Es geht um die Skalierbarkeit. Bei einzelnen Chips sind kleine Fehler bei vielen Aufgaben zu vernachlässigen. Aber funktioniert die Technik auch im großen Maßstab, wenn tausende dieser Prozessoren in Rechenzentren zusammenarbeiten sollen?  

 

Nahaufnahme mehrerer photonischer Chips in rasterartiger Anordnung. Die Oberfläche der Chips zeigt komplexe Strukturen, die zur Verarbeitung von Licht und Photonen dienen.
Das Stuttgarter Startup plant die Markteinführung in zwei Jahren, was möglicherweise einen Durchbruch im analogen photonischen Rechnen darstellen könnte.

„Fehler auf industriemäßig kleines Niveau gedrückt“ 

Laut Michael Förtsch hat Qant dieses Problem gelöst. „Uns ist es durch den Einsatz unserer Chiptechnik gelungen, den Fehler auf ein industriemäßig kleines Niveau zu drücken und damit sind wir voll anschlussfähig an die existierende Technologie.“ 

Man darf gespannt sein, schon in zwei Jahren will Quant die ersten Chips auf den Markt bringen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob dem Stuttgarter Startup Qant tatsächlich der Durchbruch beim analogen photonischen Rechnen gelungen ist.

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