Experimentieren, reparieren und trainieren
Experimentieren, reparieren und trainieren, das sind drei der Aufgaben, die den deutschen ESA-Astronauten Matthias Maurer auf der ISS erwarten. Jahrelang hat er sich für die Mission, die den Namen „Cosmic Kiss“ trägt, vorbereitet. Er ist an seine körperlichen Grenzen gegangen - hat Überlebenstraining, Brandbekämpfung und Notwasserungsübungen absolviert.
Über 13 Jahre nachdem er sich bei der Europäischen Weltraumagentur ESA als Astronaut beworben hat, wird es für Matthias Mauer nun endlich losgehen. Der neue Raumanzug passt und die Falcon-9-Rakete von SpaceX ist am Kennedy Space Center in Florida bereit für den Start, um ihn zusammen mit einer NASA-Astronautin und zwei NASA-Astronauten zur Internationalen Raumstation zu bringen, wo Maurer 6 Monate lang leben und forschen wird.
Crew Dragon bietet viel Platz für Raumfahrende
Matthias Maurer ist damit der vierte Deutsche, der zur ISS fliegt und seit 2008 auch wieder der erste deutsche Astronaut, der von US-amerikanischem Boden startet. Der Grund: Die NASA hatte 2011 die Space Shuttle-Flüge eingestellt und damit auch den Transport von Astronauten. Seit 2020 fliegt das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX zur ISS. Die Mission mit Matthias Maurer ist der mittlerweile vierte Flug zur Raumstation.
Bisher seien, so der SWR-Raumfahrtexperte Uwe Gradwohl, alle Missionen reibungslos verlaufen. Das Crew Dragon-Raumschiff fliege vollautomatisch zur ISS, müsse, so Gradwohl, auch unterwegs nicht gesteuert werden, und es docke auch selbstständig an.
Im Vergleich zu den russischen Sojus-Kapseln, in denen die Astronautinnen und Astronauten immer sehr beengt sitzen würden, sei die Crew Dragon ein sehr bequemes Transportmittel, das viel Platz biete. Hier können sich die Raufahrenden sogar etwas aus dem Sitz lösen und durch die Kapsel schweben.
An Bord der ISS wird viel geforscht
Vor seiner Karriere als Astronaut hat Matthias Maurer als Ingenieur gearbeitet und auf dem Gebiet der Materialwissenschaften promoviert. Insgesamt 150 Experimente wird er auf der ISS durchführen, 36 davon hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beigesteuert.
Dabei wird Maurer sowohl Experimente aus dem Bereich der Grundlagenforschung machen, aber auch sehr praktische Versuche, weiß Uwe Gradwohl: So werde Matthias Maurer beispielsweise Oberflächen erforschen, die mit Hilfe von Lasern sehr fein strukturiert wurden. Man hoffe, dass sich auf ihnen Keime nicht so gut ansiedeln können. Eine von schädlichen Keimen freie Umgebung ist nicht nur für die Bewohner einer Raumstation wichtig, sondern auch mit Blick auf die aktuelle Pandemiesituation ein spannendes Thema.
Für einen weiteren interessanten Versuch trägt Matthias Maurer einen besonderen Trainingsanzug, der seinen Muskeln kleine elektrische Impulse verpasst, damit sie schneller trainiert werden.
Schwebender, kugeliger Roboter assistiert Matthias Maurer
Wie schon bei Alexander Gersts Mission wird auch Matthias Maurer von CIMON begleitet, einem schwebenden, kugeligen Roboter, der sehen, hören, verstehen und sprechen kann. Robotisches „Vorbild“ von CIMON war in den 1980er Jahren Professor Simon Wright, das „fliegende Gehirn“ in der
Zeichentrickserie „Captain Future“.
Walther Pelzer vom DLR erklärt, dass der Einsatz von CIMON kein Selbstzweck auf der ISS sei, sondern im täglichen Leben auf der Erde Anwendung finden könne, etwa im Umgang mit älteren Menschen:
Hartes Training für den Aufenthalt auf der ISS
Bei seiner Ankunft auf der ISS wird Maurer auf einen Freund treffen: den französischen ESA-Astronaut Thomas Pesquet. Er war im April als erster Europäer mit SpaceX zur ISS geflogen. Beide hatten sich gemeinsam auf ihre Missionen vorbereitet - mit Training, das es in sich hatte. Neben dem Einüben der wissenschaftlichen Experimente absolvierten sie ein hartes körperliches Trainingsprogramm, etwa Unterwassertrainings in Raumanzügen, um Außeneinsätze an der ISS zu simulieren.
Schwerelosigkeits-Übungen im größten Hallenbad der Welt
Im „Neutral Buoyancy Lab“, dem größten Hallenbad der Welt, ist die Internationale Raumstation fast komplett nachgebaut. Viel näher kommt man auf der Erde nicht an Schwerelosigkeit heran – und hier hat Matthias Maurer mögliche Weltraum-Spaziergänge immer und immer wieder geübt. Dazu kam das Trocken-Training mit Werkzeugen, das Training an der virtuellen Raumstation, um darauf vorbereitet zu sein, eine Raumkapsel im Notfall auch selbst zu steuern -- und viele persönliche Kontakte, um von den Erfahrungen anderer zu lernen.
Auch Sprachen lernen gehörte dazu, um sich auf der ISS mit den russischen Kollegen zu verständigen. Vor kurzem hatte Matthias Maurer etwas augenzwinkernd gepostet:
Insidertipp: Splitternackt auf die Weltraumtoilette
Auch für ganz alltägliche Dinge des Raumfahrerdaseins, wie den Toiletten-"Gang" holte Maurer sich wertvolle Hinweise von erfahrenen Raumfahrern: So habe er von seinen Trainern den Tipp bekommen, sich in der allerersten Woche vor dem Gang auf die Toilette immer komplett, splitternackt auszuziehen.
Die Lage an Bord könnte sich allerdings etwas entspannen, wenn es an Bord der ISS eine Waschmaschine geben wird, die derzeit noch entwickelt wird.
Reh-Ragout aus dem Saarland geht mit an Bord
Im Saarland, der Heimat von Matthias Maurer hat das Kochen einen hohen Stellenwert, da unterscheidet man sich nicht von den französischen Nachbarn gleich nebenan. Weil sich traditionell jeder Astronaut ein Essen aussuchen kann, hat man einen Wettbewerb unter den besten Köchen des Saarlandes ausgerufen, um das Gericht zu finden, das Matthias Maurer dann an Bord der Internationalen Raumstation genießen kann. Reh-Ragout war die Entscheidung der Saarländer.
Für die Feiertage, Weihnachten und seinen Geburtstag an Bord hätte er sich auch ein "Gläschen zum Anstoßen mit etwas, was man bei einer Party trinkt" gewünscht. Aber das dürfen sie leider nicht mitnehmen. Auch etwas Knuspriges, etwa Pizza und Gebäck, sei verboten wegen der Krümel.
Maurer wirbt für neue Weltraumbegeisterung
Matthias Maurer plant zudem, auf Social Media aktiv zu sein, von seinen Eindrücken zu posten und Fotos zur Erde zu schicken. Sein deutscher „Vorgänger“ auf der ISS, Alexander Gerst, der 2014 und 2018 mit einer russischen Sojus-Kapsel von Baikonur zu ISS geflogen war, hatte das regelmäßig gemacht und viel Interesse geweckt.
Der ehemalige Generaldirektor der ESA, Jan Wörner, in dessen Amtszeit Matthias Maurer ins aktive ESA-Astronautencorps berufen wurde, glaubt, dass auch Maurers Weltraumaufenthalt in der Öffentlichkeit etwas bewirken wird: