Raben (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de - Daniel Lamborn)

Neue Studie zur sozialen Intelligenz bei Vögeln

Raben zeigen Mitgefühl

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Veronika Simon
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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)

Von Veronika Simon

Zum ersten Mal haben Wissenschaftler emotionale Ansteckung bei Vögeln nachgewiesen. Ein Forscherteam der Universität Wien hat herausgefunden, dass sich Raben von Frust und Freude ihrer Artgenossen anstecken lassen.

Von Säugetieren wie Ratten, Schweinen und Schimpansen ist bekannt, dass sie die Gefühle ihrer Artgenossen übernehmen können. Wissenschaftler nennen dieses Phänomen tatsächlich "Gefühlsansteckung". Diese Fähigkeit, Gefühle von Artgenossen zu übernehmen und sich in andere Individuen hineinzuversetzen - also Empathie zu empfinden - erleichtert das Leben in sozialen Gruppen. Jetzt ist klar: Auch Raben können sich gegenseitig mit ihren Gefühlen anstecken.

Raben lassen sich vom Frust eines Artgenossen anstecken

Mit zahmen Raben hat das Wiener Team aus Verhaltensforschern und Neurowissenschaftlern Versuche durchgeführt, bei denen jeweils ein Rabe in gute oder schlechte Laune versetzt wurde.
Zunächst haben die Forscher dem Raben ein schmackhaftes und ein nicht so leckeres Stück Futter gezeigt - dann haben sie eines von beiden wieder weggenommen. Blieb das leckere Stück liegen, war der Rabe sehr interessiert, aufmerksam und erregt - blieb das weniger gute Stück liegen, reagierte der Rabe frustriert.



Ein zweiter Rabe konnte zwar nicht sehen, was mit dem Futter geschah, aber er beobachtete den ersten Raben und seine emotionale Reaktion. Bei einer negativen, frustrierten Stimmung des ersten Raben konnten die Forscher auch beim zweiten Raben eine pessimistische Haltung feststellen. Er pickte nicht direkt drauf los, wenn man ihm eine neutrale Box hinstellte und reagierte insgesamt zurückhaltender als sonst.
Der beobachtende Rabe hat sein Verhalten nur deshalb verändert, weil er gesehen hat, dass sein Artgenosse negativ reagierte – er wurde emotional angesteckt. Die positive Stimmung übertrug sich dagegen nicht so sichtbar.

Ein Beweis mehr für die soziale Intelligenz von Raben

Dass Raben sehr intelligent sind, wissen die Forscher schon eine Weile: Die Vögel nutzen Werkzeuge und planen voraus – und auch in ihrer Gruppe interagieren sie so sozial, wie man es sonst nur von Säugetieren wie Walen oder Primanten kennt: Sie pflegen Freundschaften, haben selbst als erwachsene Vögel Spaß am Spielen und merken sich sehr genau, wer sie einmal übers Ohr gehauen hat.


Diese Parallelen zwischen Vögeln und Säugetieren sind aus evolutionärer Sicht sehr interessant: Den letzten gemeinsamen Vorfahren gab es nämlich vor etwa 320 Millionen Jahren, seitdem haben sich die Wege getrennt. Eine ausgeprägte soziale Intelligenz, wie man sie bei heutigen Arten beobachten kann, ist aber deutlich jünger. Wahrscheinlich hat sich die also gleich zweimal entwickelt: Einmal bei den Säugetieren und parallel bei den Vögeln.