Curevac verklagt Biontech. (Foto: IMAGO, IMAGO / Sven Simon)

Patentstreit um mRNA-Impfstoff

CureVac verklagt BioNTech: Gericht vertagt Entscheidung

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Lena Schmidt

Im Patentstreit zwischen dem Biotechunternehmen BioNTech und seinem Konkurrenten CureVac hat das Landgericht Düsseldorf das Verfahren ausgesetzt. Man sehe noch Klärungsbedarf, erklärte jetzt die Patentkammer. Das Verfahren werde bis zu einer Entscheidung des Bundespatentgerichts zu einer Klage von BioNTech ausgesetzt. Eine Entscheidung soll im Dezember fallen. Worum geht es bei diesem Patentstreit genau?

In dem Prozess geht es um einiges: Das Tübinger Biopharmazie-Unternehmen CureVac wirft dem Mainzer Pendant BioNTech vor, dass es die mRNA-Technik, an der auch CureVac seit Jahrzehnten forscht, nutzt und damit ihre Patente verletzt.

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CureVac fordert von seinem Konkurrenten "eine faire Entschädigung" für die Verletzung einer Reihe seiner geistigen Eigentumsrechte, die BioNTech und sein US-Partner Pfizer bei der Herstellung und dem Verkauf des Covid-19-Vakzins Comirnaty verwendet hätten.

BioNTech bestreitet das, die Arbeit an den mRNA-Impfstoffen sei originär. Sollte CureVac vor Gericht Recht bekommen, könnte es zu Zahlungen von BioNTech kommen.

In der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Düsseldorfer Landgericht ging es konkret um zwei Patente und drei Gebrauchsmuster, mit denen CureVac seine Entwicklungen geschützt hatte. Hierzu wollte das Düsseldorfer Landgericht zumindest ursprünglich in vier Fällen am 28. September eine Entscheidung verkünden. Doch auch hier will da Landgericht wie es jetzt verkündet hat, erst mal die Entscheidung des Bundespatentgerichts im Dezember abwarten.

Dort soll dann auch der fünfte Fall verhandelt werden. Darin hatte BioNTech gegenüber em Bundespatentgericht beantragt, das CureVac-Patent für nichtig zu erklären. Eine Entscheidung in diesem Streitpunkt will das Düsseldorfer Gericht erst am 28. Dezember 2023 verkünden.

Um welche Technologien geht es?

Die Klage bezieht sich auf verschiedene Technologien. Zum Einen geht es tatsächlich um Corona-Impfstoffe, genauer um einen Impfstoff, der das Spike-Protein des Virus verwendet, um einen Immunschutz aufzubauen. Das ist eine Technologie, die bei beiden mRNA-Impfstoffen, die auf dem Markt sind - also von Moderna und BioNTech - verwendet wird. Aber ob sie dabei tatsächlich geistiges Eigentum von CureVac verwendet haben, ist unklar.

Ansonsten beklagt CureVac aber auch die Verwendung von deutlich früher entwickelten Technologien. Ein Patent von 2002 beschreibt beispielsweise eine Möglichkeit, wie die mRNA stabiler gemacht werden kann. Das war gerade am Anfang, als man die Idee verfolgt hat, mRNA als Impfung oder Medikament zu verwenden. Die Stabilität der mRNA war damals ein großes Problem, weil sie sehr schnell vom Körper wieder abgebaut wurde, so dass sie keinen Effekt mehr bringen konnte.

CureVac forscht schon lange an mRNA-Impfstoffen. (Foto: IMAGO, IMAGO / Andre Lenthe)
Curevac forscht schon lange an mRNA-Impfstoffen.

Komplexes Patentrecht

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Dr. Manuel Kunst, Patentanwalt mit Spezialisierung in Medizintechnik und Biotechnologie, erklärt im Interview mit SWR Wissen, dass ein Impfstoff immer mit mehreren Patenten zusammenhängt. Wenn zum Beispiel CureVac auf ein Verfahren ein Patent anmeldet, kann es aber gleichzeitig sein, dass dieses Patent wiederum von anderen Patenten zum Beispiel einer Universität abhängig ist. Es entstünde also ein großes Netzwerk von Patenten und Patentanmeldungen. Bei solchen komplexen Verfahren kommt es häufig zu Vergleichen, meint Kunst. Dann würden Lizenzgebühren fällig. Das sei wohl das Ziel von CureVac in diesem Fall.

Es sei außerdem ein langer Weg bis ein Patent angemeldet ist. Zum Beispiel wenn an einem neuen Arzneimittel geforscht wird und man eine bestimmte chemische Verbindung findet, müsse man eigentlich schon sofort ein Patent darauf anmelden, erläutert Kunst. Darauf folgen dann weitere Untersuchungen, Studien und Entwicklungen, die auch nicht immer erfolgreich sind. Kunst erklärt, dass von bis zu 10.000 getesteten Verbindungen oft nur eine schließlich zu einem marktreifen Produkt führe.

In einem Patent müssen schlussendlich die genauen Patentansprüche festgelegt werden. Erst dann kann eine Patentverletzung überhaupt erkennbar und untersucht werden.

CureVac GmbH im Technologiepark Tübingen-Reutlingen (Foto: IMAGO, IMAGO / Jürgen Held)
Das Patentrecht ist hoch komplex in Deutschland. Ob BioNTech wirklich ein Patent von CureVac verletzt hat, wird sich erst in den kommenden Monaten klären.

CureVacs Ziel? Eine Vermutung

CureVac geht es laut der eigenen Pressemeldung entschieden nicht darum, BioNTech zu verbieten, die Technologie zu verwenden. Allerdings fordern sie dafür eine faire Vergütung. Für ein Unternehmen, das noch kein Produkt auf dem Markt hat und dann auch noch mit dem Corona-Impfstoff, in den viel Hoffnung gesteckt wurde, krachend gescheitert ist, geht es dabei auch ums Überleben, findet auch Manuel Kunst:

Für CureVac ist das schon ein bisschen eine Frage, um einfach ihre Lebenszeit zu verlängern. Wenn sie zeigen können "Hallo wir sind auch noch da", ist das für sie auch gut.

Weitere Verhandlungen laufen

Vor dem Düsseldorfer Landgericht werden erst fünf geistige Eigentumsrechte verhandelt, drei weitere folgen dann wahrscheinlich nächstes Jahr. Parallel dazu läuft noch eine sogenannte Nichtigkeitsklage, die auch noch mal eine wichtige Rolle spielen könnte. BioNTech stellt in Frage, dass die Patente von CureVac überhaupt gültig sind. Nichtigkeitsgründe können u. a. sein:

  • mangelnde Patentfähigkeit
  • mangelnde Ausführbarkeit
  • eine unzulässige Erweiterung des Patentgegenstandes gegenüber der Fassung der Anmeldung

Eine Entscheidung hierzu wird im Dezember erwartet.

Und auch in den USA ziehen die beiden Unternehmen gegeneinander vor Gericht. Die Verletzung der Patente bezieht sich auf die Herstellung des Impfstoffs, deshalb wird in dem Land geklagt, in dem der Impfstoff produziert wurde - einmal in Deutschland, einmal in den USA.

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