Mit Protein angereicherte Produkte sind derzeit voll im Trend, - nicht nur bei Sporttreibenden, sondern auch bei "normalen", fitnessbewussten Verbraucher*innen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in Bonn hat allerdings aktuell erhebliche Zweifel am von der Werbung suggerierten Nutzen solcher Produkte angemeldet. Was ist drin und was ist dran an den Werbesprüchen? Kann man einige Produkte empfehlen, z.B. bei einseitiger Ernährung oder nach dem Sport? Welche gesundheitlichen Gefahren sind möglich?
Wenn man regelmäßig im Fitnessstudio hart trainiert, braucht der Körper mehr Protein- sprich Eiweiß für das Muskelwachstum, denken sich viele und wiederholen damit eigentlich nur, was auf den Packungen draufsteht: „Wer Leistung bringt, braucht mehr Eiweiß als sonst.“
Hoher Proteingehalt lässt sich gut als "gesund" verkaufen
Genau dieses umstrittene Argument machen sich längst nicht nur die Hersteller von sogenannter Sportlernahrung zunutze. Auch Anbieter von herkömmlichen Lebensmitteln werben seit kurzem mit extra hohen Proteingehalten: zum Beispiel von Suppen, Riegeln, Backwaren, Puddings oder Eis. Die Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl, Pressesprecherin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung DGE hat diese Produkte genauer unter die Lupe genommen.
Aus der Fitnessbranche heraus seien diese Produkte auch in den Supermarktregalen gelandet. Protein habe, so Gahl, den Vorteil, dass es gut sättige und viele Menschen glauben, dass sie mit proteinreichen Lebensmitteln besser abnehmen können. Das hat nach Einschätzung von Ante Gahl den Trend ein bisschen befördert, dass proteinreiche oder sogenannte High-Protein-Produkte in den Markt kommen. Auf den gesamten Energiegehalt enthalten solche Produkte oft schon 20 Prozent Protein.
Hersteller werben mit Slogans wie „High Protein“, „reich an Protein“, „Proteinquelle“ – für eiweißreiche Produkte.
Auch Leistungssportler benötigen weniger Protein als bislang vermutet
Doch wieviel Eiweiß der menschliche Körper genau braucht, darüber gibt es bis heute in der Ernährungs- und Sportwissenschaft keine eindeutige Antwort. Selbst Leistungssportler benötigen weniger Protein als gemeinhin angenommen, sagt Dr. Hans Braun, Leiter der Abteilung für Sporternährung an der Deutschen Sporthochschule Köln:
Mehr Protein als nötig
Die Hersteller von oft sehr teuren High-Protein-Produkten werben vor allem mit dem Argument, dass sie dem Muskelabbau entgegenwirken und gleichzeitig mehr sättigen sollen. High-Protein-Produkte liefern aber meist mehr Protein, als überhaupt nötig ist. Überflüssiges Protein baut der Körper zwar ab. Bei Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion kann viel Protein allerdings problematisch sein und zu einer Verschlechterung führen.
Für den gesunden Menschen spiele eine höhere Proteinzufuhr wahrscheinlich keine Rolle im Hinblick auf gesundheitliche Folgen, erklärt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Überschüssiges Protein wird über die Nieren abgebaut
Überschüssiges Protein, das wir aufnehmen, muss allerdings auch wieder ausgeschieden werden. Dabei entsteht Harnstoff als ein Abbauprodukt. Dieser Harnstoff muss über die Nieren ausgeschieden werden. Wer sich proteinreich ernährt, sollte deshalb viel trinken.
Ernährungswissenschaftler Hans Braun ist der Meinung, High-Protein-Produkte seien aus ernährungsphysiologischer Sicht vollkommen überflüssig. Wer die Vielfalt herkömmlicher Lebensmittel nutze, bekomme genug Protein und könne sich das Geld für die meist teureren Produkte sparen.
High-Protein-Produkte machen aus Sicht des Ernährungswissenschaftler Hans Braun keinen Sinn, wenn man schon 70-80 Gramm Protein so über die Nahrung zu sich nehme. Allein schon 100 Gramm Fleisch haben 20-25 Gramm Protein. Damit decke man schon ein Drittel des Tagesbedarfs. Im Restaurant oder in der Kantine sind die Steaks oft 200 g schwer, damit hätte man schon zwei Drittel gedeckt, auch über Brötchen, Brot, Hülsenfrüchte. Und von daher gebe es keinen Grund, diese High-Proteinprodukte zu nehmen.
Eiweißlieferanten aus natürlichen Quellen sind meist besser
Hinzu kommt: Viele High-Protein-Produkte sind hochverarbeitete, in Großküchen zusammengesetzte Lebensmittel mit oft vielen Zutaten. Wer häufig zu diesen Produkten greift, isst weniger Gemüse, Obst und Nüsse – das kann zu einem Mangel an sekundären Pflanzenstoffen, Nähr- und Ballaststoffen führen. Mögliche Folgen sind Übergewicht, ernährungsbedingte Krankheiten und ökologische Nachteile, warnt Antje Gahl.
Wir haben, so Gahl, viele Möglichkeiten, uns über natürliche Lebensmittel sehr gut mit Protein ausreichend zu versorgen.Nicht nur tierische Lebensmitteln wie Milchprodukte oder Fleisch enthalten viele Protein, sondern auch Linsen, Erbsen, Haferflocken, Kartoffeln, Sojaprodukte oder auch Algen, die sehr gut zur Versorgung beitragen.