Das Pangenom-Projekt soll dabei helfen, die Entstehung menschlicher Krankheiten besser zu verstehen. (Foto: IMAGO, IMAGO/Westend61)

Pangenom-Projekt

Ein Atlas der menschlichen Vielfalt

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Nina Kunze
Nina Kunze ist Reporterin und Redakteurin bei SWR Wissen aktuell (Foto: SWR, SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel

Wie entstehen Krankheiten? Wie funktioniert das menschliche Immunsystem? All diese Fragen interessieren die Forschungswelt brennend - jetzt gibt es ein neues Instrument, um sie zu untersuchen: Das "Pangenom" erfasst die Vielfalt der Menschheit auf der Ebene des Erbguts.

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Wenn Forscherinnen und Forscher herausfinden wollen, wie menschliche Krankheiten entstehen, suchen sie oft nach Veränderungen im Erbgut. Schon eine winzige Änderung kann eine große Wirkung haben - manchmal aber auch nicht. Um das beurteilen zu können, braucht man einen Vergleich. Das "Pangenom" soll später einmal das Erbgut von 350 Menschen katalogisieren, und damit die genetische Vielfalt des Menschen abbilden.

Vergleich war lange Zeit auf nur ein Erbgut begrenzt

Bisher beruhte dieser Vergleich auf nur einem einzigen Referenz-Erbgut - nämlich das menschliche Erbgut, das vor gut 20 Jahren zum ersten Mal beinahe vollständig entschlüsselt wurde. Doch das hat einen großen Nachteil: Denn genauso wie jeder Mensch anders aussieht, genauso vielfältig ist auch sein Erbgut. Jeder neugeborene Mensch hat eine einzigartige genetische Ausstattung.

Diversität der menschlichen Bevölkerung soll abgebildet werden

Um diese Vielfalt berücksichtigen zu können, hat ein internationales wissenschaftliches Team vor einige Jahren das Pangenom-Projekt gestartet. Das Ziel: das Erbgut von insgesamt 350 Menschen zu katalogisieren. Die 350 Individuen sind dabei so ausgewählt, dass sie die Diversität der menschlichen Bevölkerung so gut wie möglich repräsentieren.

DNA Doppelelix - Das Pangenom-Projekt soll dabei helfen, die Entstehung menschlicher Krankheiten besser zu verstehen. (Foto: IMAGO, imago images/UIG)
Das Pangenom-Projekt soll dabei helfen, die Entstehung menschlicher Krankheiten besser zu verstehen.

Atlas des menschlichen Erbguts lässt Abweichungen besser erkennen

Heraus kommt dabei so etwas wie ein Atlas des menschlichen Erbguts. An vielen Stellen finden sich Übereinstimmungen, an anderen Stellen verzweigt sich die Erbinformation - und verschmilzt später wieder zu einem Pfad.

Mit einem ganzen Atlas als Vergleich haben es Forscherinnen und Forscher deutlich leichter, das Erbgut einer einzelnen Person zu interpretieren. Ist eine Abweichung normal, oder kommt sie auffällig selten vor und sollte näher untersucht werden?

Auch das Immmunsystem ist individuell

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hinter dem Projekt erhoffen sich damit eine Menge neuer Erkenntnisse. Zum Beispiel über komplexe Erkrankungen wie Schizophrenie, aber auch über die Funktion des menschlichen Immunsystems. Denn auch unser Immunsystem ist bei jeder einzelnen Person anders ausgeprägt.

Außerdem liefert das Pangenom neue Informationen über den Aufbau des menschlichen Erbguts, die bisher verborgen blieben. Zum Beispiel füllt es einige Lücken auf, die im bisherigen Vergleichs-Erbgut noch vorhanden waren. Und es liefert neue Erkenntnisse, wie es bei der Produktion von Eizellen und Spermien zum Austausch von Erbinformation kommt.

Das Pangenom-Projekt hilft zu verstehen, wie es bei der Bildung von Eizellen und Spermien zum Austausch von Erbinformation kommt. (Foto: IMAGO, imago images / Westend61)
Das Pangenom-Projekt hilft zu verstehen, wie es bei der Bildung von Eizellen und Spermien zum Austausch von Erbinformation kommt.

Neue Methoden zur Erfassung des menschlichen Erbguts

Besonders wichtig für die Arbeit waren Fortschritte in den Methoden, um das menschliche Erbgut zu lesen und die enormen Datenmengen miteinander abzugleichen. Der erste Entwurf des Pangenoms, der nun im Fachmagazin Nature vorgestellt wird, umfasst das Erbgut von 47 Individuen und wird in der Wissenschaft bereits als großer Durchbruch gesehen.

So auch am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Die neuen Daten könnten hier in Studien einfließen, die Krebspatienten eines Tages eine personalisierte Therapie ermöglichen sollen. Der vollständige Atlas aus dem Erbgut von 350 Individuen wird der Forschungswelt wohl in ein bis zwei Jahren zur Verfügung stehen und soll auch in Zukunft noch erweitert werden.

Die neuen Methoden zur Erforschung des menschlichen Erbgutes könnten dabei helfen, individualisierte Therapien gegen Krebs zu entwickeln. (Foto: IMAGO, imago/Science Photo Library)
Die neuen Methoden zur Erforschung des menschlichen Erbgutes könnten dabei helfen, individualisierte Therapien gegen Krebs zu entwickeln.
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