Medizinische Grundlagenforschung

Erstmals Organoide aus Fruchtwasserzellen gezüchtet

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Autor/in
Frank Wittig
Frank Wittig, Reporter für SWR Wissen aktuell
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Forschenden des University College aus London ist es erstmals gelungen, Organoide aus im Fruchtwasser schwimmenden Zellen zu züchten. Das sind organähnliche Mikrostrukturen.

Während einer Schwangerschaft treiben im Fruchtwasser der Mutter auch Zellen des Fötus. Aus diesen Zellen können gezielt Organoide verschiedener Organe gezüchtet werden.

Organoide sind winzige Zellkulturen, die Eigenschaften bestimmter Organe aufweisen. Sie sind ein hervorragendes Instrument medizinischer Grundlagenforschung. Diese wenige Millimeter große, organähnliche Gewebestrukturen weisen vergleichbare Merkmale zu den Organen im heranwachsenden Kind auf.

Organoide können nach Einschätzung der Forschenden dabei helfen, die Entwicklung von Organen während einer späteren Schwangerschaft zu verstehen und die Erforschung von angeborenen Krankheiten zu unterstützen.

Organoide finden mittlerweile Anwendung in verschiedenen Bereichen der medizinischen Grundlagenforschung. Organoide aus Fruchtwasserzellen zu züchten ist allerdings erst jetzt Forschenden aus London gelungen.
Organoide finden mittlerweile Anwendung in verschiedenen Bereichen der medizinischen Grundlagenforschung. Organoide aus Fruchtwasserzellen zu züchten ist allerdings erst jetzt Forschenden aus London gelungen.

Organoide aus Fruchtwasserzellen für besseres Verständnis von Entwicklungsstörungen

Die Wissenschaftler isolierten zunächst aus dem Fruchtwasser Stammzellen des Magen-Darm-Trakts, der Nieren und der Lunge des Fötus. Diese Vorläuferzellen ließen sie in Nährflüssigkeit zu Organoiden heranwachsen.

Während des Wachstums der Organoide kann die Entwicklung und Differenzierung von Organgewebe besonders gut untersucht werden. Auch Fehlbildungen im Gewebe bei angeborenen Krankheiten lassen sich an Organoiden gut studieren.

Forschende haben Organoide aus Fruchtwasserzellen gezüchtet. Fruchtwasserzellen werden normalerweise im Rahmen einer Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese ) entnommen.
Fruchtwasserzellen werden normalerweise im Rahmen einer Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese ) entnommen.

Den Autorinnen und Autoren gelang es mit dieser Technik, aus Fruchtwasser- und Luftröhrenzellen von Föten mit angeborener Zwerchfellbruch, Lungenorganoide zu erzeugen, die einige Merkmale dieser Erkrankung aufweisen.

In einem von Springer Nature veranstalteten Press Briefing erklärten zwei Autoren der Studie, sie wollten nun an diesen Zwerchfellbruch-Lungenorganoiden erforschen, weshalb sich die Reifung der erkrankten Lungen von gesunden unterscheidet. Diese Erkenntnisse könnten wiederum dazu beitragen, neue Therpien zu entwickeln.

Weniger ethische Bedenken bei Organoiden aus Fruchtwasserzellen

Bisher wurden die Organmodelle in der Regel aus fötalem Gewebe nach einem Schwangerschaftsabbruch gezüchtet. Das dauert länger und ist mit größeren ethischen Bedenken verbunden als das neue Verfahren.

Ein zusätzliches Risiko für Mutter und Kind ist mit dem Verfahren nicht verbunden, da die Stammzellen bei einer routinemäßigen Fruchtwasseruntersuchung gewonnen werden.

 Fruchtwasseruntersuchung gilt als Routineuntersuchung während der Schwangerschaft. Aus Fruchtwasserzellen kann man Organoide züchten.
Eine Fruchtwasseruntersuchung gilt als Routineuntersuchung während der Schwangerschaft, insbesondere bei Verdacht auf Erbkrankheiten des heranwachsenden Kindes. Doch die Untersuchung birgt auch gewisse Risiken.

Die Berliner Organoid-Expertin Dr. Agnieszka Rybak-Wolf gibt allerdings zu bedenken, dass auch eine Fruchtwasseruntersuchung gewisse Risiken birgt:

Die Methode der Gewinnung von Organoiden aus Fruchtwasser mittels Fruchtwasseruntersuchung bietet spannende Möglichkeiten für die pränatale Diagnose und die Entwicklung rechtzeitiger medizinischer Behandlungen. Sie birgt aber auch die üblichen Risiken im Zusammenhang mit der Fruchtwasseruntersuchung wie Fehlgeburten oder Gebärmutterinfektionen, die zwar in der Regel selten sind, aber dennoch berücksichtigt werden müssen.

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