Corona-Pandemie

OECD-Studie: Das Virus bremst die Bildung weltweit aus

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Weltweit sind rund eineinhalb Milliarden Kinder von Corona-bedingten Schulschließungen betroffen. Wie sind die OECD-Länder damit umgegangen und wo steht Deutschland?

Gerade in der ersten Welle der Corona-Pandemie waren Schulen als eine der ersten Einrichtungen zu. Und in der zweiten/dritten Welle sieht es nicht groß anders aus. Einzig Grundschulen und Vorschulen wurden länger aufgehalten – auch das ist eine Erkenntnis aus der ersten Welle. Wie verschiedene Länder im Bildungsbereich mit der Pandemie umgegangen sind, wurde jetzt in einer OECD-Studie untersucht.


Bei der Digitalisierung hinkt Deutschland hinterher

Insgesamt sind Deutschlands Schulen im OECD-Vergleich bisher ganz gut durch die Krise gekommen. Wie alle gut ausgestatteten Bildungssysteme, die auch in den Pisatests erfolgreich waren. Wir konnten von unseren Ressourcen wie zum Beispiel den gut ausgebildeten LehrerInnen zehren.

Insgesamt jedoch muss man feststellen: Deutschlands Bildungssystem wurde von der Pandemie kalt erwischt. Es hinkt bei der Digitalisierung etwa 10 Jahre hinterher – so Andreas Schleicher, Bildungsdirektor der OECD. Ein weiteres Problem war und ist, dass sich die Kultusministerien für den Fernunterricht auf spezielle Online-Lösungen versteift haben:

„Das ist natürlich der Goldstandard, hat aber auch die größten Voraussetzungen: an Lehrerkompetenz, an die technischen Möglichkeiten und gerade bei den Online-Plattformen hapert es in Deutschland sehr“.

Im internationalen Vergleich sind die Schulen in Deutschland noch relativ gut durch die Corona-Krise gekommen. Aber bei der Digitalisierung gibt es noch Einiges zu verbessern.  (Foto: IMAGO, imago images/MedienServiceMüller)
Im internationalen Vergleich sind die Schulen in Deutschland noch relativ gut durch die Corona-Krise gekommen. Aber bei der Digitalisierung gibt es noch Einiges zu verbessern.

Vielfalt digitaler Medien ist ein Erfolgsfaktor

Andere Länder wie zum Beispiel Spanien oder Portugal waren da kreativer. Sie haben geschaut, was die Familien zuhause haben und das dann genutzt. Zum Beispiel Fernsehen und Mobiltelefonie. Die Vielfalt der eingesetzten digitalen Medien im Fernunterricht ist in diesen Ländern ein Erfolgsfaktor.

Ganz entscheidend ist der regelmäßige Kontakt mit den Eltern, so Schleicher. Da habe die Pandemie unheimlich viel bewegt. Zum Beispiel seien Plattformen geschaffen worden, wo Eltern auf Lernressourcen zugreifen können, und mit den Lehrkräften über Zoom-Konferenzen oder e-Mails regelmäßig kommunizieren können.

Ganz viele Länder wie zum Beispiel Frankreich, Österreich, Irland, Neuseeland, Polen und Belgien haben ganz aktiv auf die Eltern gesetzt und diese mit ins Boot geholt.

Schule unter Pandemie-Bedingungen ist für viele eine echte Belastungsprobe. Da sind auch Eltern gefordert, das aufzufangen und ihre Kinder zu unterstützen. (Foto: IMAGO, imago images/MiS)
Schule unter Pandemie-Bedingungen ist für viele eine echte Belastungsprobe. Da sind auch Eltern gefordert, das aufzufangen und ihre Kinder zu unterstützen.

„Allerdings, das gilt für Deutschland weniger, meistens ist es den Schulen hier selber überlassen worden. Also auf systemischer Ebene hat es viel weniger Anreize gegeben, viel weniger Möglichkeiten.

Da habe Deutschland, sagt Schleicher, noch einiges zu lernen. Insgesamt litt das deutsche Bildungssystem darunter, dass viele pandemiebedingte Entscheidungen den Lehrkräften und Schulen vor Ort übertragen wurden, die damit offenbar häufig überfordert waren. Deshalb sei auch die Komprimierung des Lernstoffes auf die wichtigsten Inhalte – wie es in vielen anderen Ländern umgesetzt wurde – in Deutschland schlecht gelungen.

Wegen steigender Corona-Fallzahlen wird über das weitere Vorgehen diskutiert. Drohen die nächsten Schul-Schließungen?  (Foto: IMAGO, imago images/Michael Weber)
In Zeiten steigender Corona-Fallzahlen gibt es wieder vermehrt Schul-Schließungen?

Pandemiebedingte Lernverluste müssten ausgeglichen werden

Doch wieviel Lernen ist eigentlich ausgefallen? IFO-Bildungsexperte Ludger Wössmann hat errechnet, dass Schüler:innen in diesem Schuljahr 20/21 im Schnitt bereits rund 22 Wochen Fernunterricht gehabt haben. Von insgesamt 38 Schulwochen im Jahr. Doch wieviel Lernstoff im Fernunterricht tatsächlich hängen geblieben ist, dazu gibt es in Deutschland noch keine Daten. Studien aus anderen Ländern machen da aber nicht allzuviel Hoffnung. Sie sprechen von Kompetenzerhalt, aber kaum von Zuwachs. Es wird also wichtig, die pandemiebedingte Lernverluste ausgleichen:

„Kinder einfach das Jahr wiederholen zu lassen, ist die schlechteste Lösung, denn das wird auch bei den Leistungsgewinnen relativ wenig bringen. Da gibt es viele internationale Erfahrungen dazu. Entscheidend ist, dass man zusätzliche Lernangebote schafft und vielleicht auch über mehrere Jahre. Ich glaube, man muss sich da ganz klar sein, das wird man innerhalb eines Schuljahres nicht wieder aufholen.“

Einen Punkt hat Deutschland dann aber doch ganz gut hinbekommen. Nämlich das Durchziehen von Abschlussprüfungen. Während sie andere Länder wie Frankreich, Spanien und Norwegen gestrichen haben und es dem Lehrpersonal überließen, eine Abschlussnote zu geben, hielt Deutschland an bundesweiten Abschlussprüfungen fest. Ihr Durchschnitt fiel ähnlich aus wie in den Jahren zuvor. In den anderen Ländern kam es 2020 dagegen zu einem sprunghaften Anstieg von guten Abschlüssen.

Schule (Foto: IMAGO, Imago)
Schule