Bleibt der Staudamm? Oder wird er abgerissen?
Dieser Damm muss weg, darüber sind sich Naturschützer und Umweltaktivisten einig. Für sie ist der Rosenburgdamm in Niederösterreich Sinnbild für Umweltzerstörung und ökologisches Versagen. Die Mauer staut den Fluss Kamp, seit 113 Jahren liefert das kleine Wasserkraftwerk Strom an umliegende Haushalte im Kamptal.

Streit um Staudamm
Ulrich Eichelmann von der Umweltorganisation riverwatch würde den Staudamm lieber abreißen, aber der Stromversorger hat andere Pläne. Er will die Stromerzeugung hier im Kamptal verdoppeln und den Damm erhöhen. Der Rosenburg-Damm steht stellvertretend für viele Dämme. Ulrich Eichelmann: “Unsere Flüsse sind so kaputt, so eingeengt, so abgeblockt, so abgeleitet, dass man jeden Meter, den man als freien Fluss gewinnen kann, da muss man drum kämpfen, und hier geht’s nicht um wenige Meter, sondern wir könnten dem Kamp drei Kilometer lebendigen Fluss zurückgeben.“
Unverbaute Flüsse in Europa sind selten
Aber einige wenige gibt es noch. Etwa die Isar im Nationalpark Karwendel in Österreich nahe der deutschen Grenze. Sie ist eine der letzten Wildflüsse Bayerns, die letzte große alpine Flusslandschaft, die in Deutschland noch nicht zerstört wurde. Die Isar und ihre Zuflüsse wurden in den letzten hundert Jahren massiv verbaut. 8300 Wasserkraftwerke erzeugen in Deutschland Strom. 90 Prozent dieser Elektrizität stammt aus großen Anlagen. 7200 kleine Wasserkraftwerke stehen für einen Anteil von gerade einmal zehn Prozent des Wasserkraftstroms.

Dammrückbau bedeutet freie Bahn für Fische.
Zu den sogenannten Kamp-Tagen haben die Umweltorganisationen die Wasserbauingenieurin Laura Wildman eingeladen. Sie ist spezialisiert auf den Rückbau von Staudämmen. Die Ingenieurin organisierte in den USA den Abriss von über 100 Staudämmen. Warum Dämme zurückbauen?
Welche Schäden richten die Turbinen bei Fischen an?
Das erforscht der Biologe Jürgen Geist von der Technischen Universität München. Seit 2014 untersucht er Wasserkraftwerke und die Schäden, die die Turbinen bei flussabwärts wandernden Fischen verursachen. Mit großen Netzen hat er an acht unterschiedlichen Kraftwerkstypen insgesamt 70.000 Fische gefangen. Jedes Jahr töten die Turbinen der Wasserkraftwerke unzählige Fische oder verletzen sie schwer. Mit einem
Strömungsmesser misst Jürgen Geist vor dem Kraftwerk die Fließgeschwindigkeit des Wassers. Es herrscht kaum Strömung, der schlammige Tümpel zerstört hier jegliches Leben. Ein Problem an allen Wasserkraftwerken.

Viele Fische stehen auf der roten Liste.
Jürgen Geist: „Wenn wir den Zustand der Fischpopulationen betrachten in Deutschland und in Bayern, das ist besorgniserregend. Ein hoher Anteil der eigentlich sehr häufigen Fischarten, die eigentlich früher für Massenvorkommen gesorgt haben, sind heute auf der roten Liste zu finden.“ Zwei Wochen untersucht Jürgen Geist mit seinem Team Fische, die das Schachtkraftwerk Loisach passieren. Es ist das weltweit erste Schachtkraftwerk. Die Hoffnung: Fische haben hier eine wesentlich höhere Chance zu überleben oder nicht schwer verletzt zu werden.

Schachtkraftwerke sind nicht besser
Jürgen Geist: „Wir haben festgestellt, dass innovativ bei Wasserkraftanlagen nicht unbedingt besser und ökologischer bedeutet. Und wir haben auch gesehen, dass bei einigen der innovativen Anlagenkonzepte Fischsterblichkeit im zweistelligen Prozent Bereich auftritt.“

Und weltweit?
Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie in Berlin hat einen Bewertungsindex zum Sterberisiko von Fischen an Wasserkraftanlagen entwickelt. Dafür analysierte er 275.000 Fische weltweit. Er fand heraus, dass ein hohes Tötungsrisiko durch Wasserkraftanlagen besteht für Arten, die lange Wanderdistanzen zurücklegen, wie Aal, Meerforelle oder Stör. Christian Wolter: „Im Schnitt über alles, alle die durchgehen haben eben ein 22-prozentiges Risiko das nicht zu überleben.“

In den USA ist der Rückbau von Dämmen häufig
Zurück im Kamptal. Laura Wildman: „Die Zeiten haben sich geändert: in den USA ist es inzwischen recht häufig, dass ein Damm zurückgebaut wird.“
Vorbild Europa: Der Tiroler Lech
Er ist einer der letzten freien Wildflüsse nördlich der Alpen. Dank umfangreicher Schutzmaßnahmen seit 2001. Der geschützte Fluss ist biologischer Hotspot und Touristenmagnet. Die Rangerin Sabine Resch führt Touristen durch den Park. Der Fluss ist wieder ökologisch intakt, wie ganz früher. Seit rund 20 Jahren sehen und fördern die Tiroler den Lech als besonderen Naturraum. Eine Investition in die Zukunft. Sabine Resch: „Ich würde sagen, die Zukunft des Lechtals hat bereits begonnen, zu dem Zeitpunkt, wo man den Lech unter Schutz gestellt hat. Man hat diesen einzigartigen Fluss in dieser Einzigartigkeit erkannt.“ Eine Investition in die Ökologie und den Naturschutz und in die Menschen, die hier leben.

Zukunft der Flüsse in Europa?
Wünschenswert wäre ein europaweiter Plan in Sachen Dammrückbau. Ulrich Eichelmann: „Wenn du aber runter schaust, was in der Natur tatsächlich passiert, haben wir den Weg der kontinuierlichen Zerstörung der Natur noch gar nicht beendet.“ Der Zustand der biologischen Vielfalt in den Flusslandschaften ist dramatisch. Die EU will in Europa den Verlust von Biodiversität stoppen, aber bisher sind nur etwa 5000 von einer Million Dämmen europaweit zurückgebaut. Viele weitere sollen folgen. Ob und in welchem Ausmaß, ist auch hier am Kamp noch ungewiss. Noch steht der Staudamm Rosenburg.