Gut aussehen sollen sie, weiß und gesund sein. Doch reicht es, Zähne häufig zu putzen? Odysso zeigt, was Zähne wirklich brauchen und was der Zahnschmelz über uns verraten kann.
Vier Wochen kein Zähneputzen
Gründliche Zahnpflege, um Karies zu verhindern, das lernen heute schon die Kleinsten. Wird nicht regelmäßig und gut geputzt, vermehren sich Bakterien, es bilden sich Beläge auf den Zahnoberflächen, Karies ist die Folge. Allerdings hält sich nicht jeder Erwachsene an das, was er als Kind gelernt hat: Jeder Fünfte greift nur einmal am Tag zur Zahnbürste – Männer sind bei der Zahnhygiene eher nachlässiger als Frauen. Aber womöglich ist es gar nicht so tragisch nicht die Zähne zu putzen.
Ein Experiment aus der Schweiz könnte den Zahnputzmuffeln in gewisser Weise recht geben: Vier Wochen lang lebten und ernährte sich die Teilnehmer eines Experiments wie in der Jungsteinzeit. Und dazu gehörte auch: vier Wochen ohne Zähneputzen.
Das überraschende Ergebnis nach einem Monat Jäger-und-Sammler-Dasein: Bei allen wiesen die Zähne zwar Belag und Zahnstein auf, jedoch keine Zahnfleischentzündung. Im Gegenteil: Die Gesundheit des Zahnfleischs hatte sich verbessert! Als Ursache vermuten die Zahnmediziner eine Änderung des Lebensstils hin zu einem naturnäheren Leben, denn Karies, Zahnabszesse und Schäden am Zahnbett treten vermehrt erst seit der Sesshaftwerdung der Menschen auf.
Den Verursacher von Karies, die Bakterienart streptococcus mutans, gab es zwar schon vor der Jungsteinzeit. Dies belegen Funde, die der Dental-Anthropologe Kurt Alt in Zahnstein machte. Allerdings war der Keim eher selten, ebenso die „gramnegativen Keime“, die Zahnfleischentzündungen auslösen. Mit der Änderung der Lebensweise, vor allem der Ernährung mit Getreideprodukten, nahmen die Keime, die die Zähne schädigen, immer weiter zu.
Richtige Ernährung hilft gegen Zahnfleischentzündung
Der Zahnbelag an sich verursacht keine Probleme, wohl aber die Lebensmittel, die wir heute zu uns nehmen, fanden Dr. Johan Wölber und seine Kollegen der Universitätszahnklinik Freiburg heraus. Die steinzeitliche Nahrung bestand oft aus Beeren, Pilzen, Nüssen, Wurzeln oder Fisch. So hatten sich auch die Teilnehmer des Experiments ernährt. Sind Lebensmittel jedoch verarbeitet oder mit Zusatzstoffen verändert, wirkt sich das auf den Zahnbelag aus.
Damit es weniger Zahnfleischentzündungen gibt, sollten unsere Lebensmittel vier Eigenschaften haben: Sie dürfen keinen Industriezucker enthalten, dafür aber viele Vitamine und Mineralien, Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffe. Die Freiburger Wissenschaftler testeten die geänderte Ernährung im Rahmen von zwei Studien. Das Ergebnis: Die Probanden, die ihre Ernährung umgestellt hatten, hatten zu 50 Prozent weniger Zahnfleischentzündungen und nahmen außerdem noch ab.
In Würzburg fanden Zahnmediziner heraus, dass natürliches Nitrat, zum Beispiel in Kopfsalat, den gleichen Effekt hat. Hilfreich sind auch Kiwis, Grapefruit und Heidelbeeren – sie müssen allerdings in recht großer Menge gegessen werden. Auch Nitratsaft und Lutschpastillen mit Milchsäurebakterien sind hilfreich – sie werden beispielsweise bei Pflegepatienten verwendet, bei denen die Mundhygiene schwierig ist.
Bei richtiger Ernährung kommen die Mikroorganismen im Mund wieder in ihr natürliches Gleichgewicht – der Zahnbelag verliert seine schädigenden Eigenschaften. Das Putzen der Zähne ersetzt die gute Ernährung allerdings trotzdem nicht ganz.
Mundgeruch: Meist sind Bakterien schuld
Wer Mundgeruch hat, merkt dies meist nicht selbst – die Menschen in der direkten Umgebung aber sehr wohl. Ursache für Mundgeruch, Fachbegriff „Halitose“, sind in den meisten Fällen Bakterien, die sich im Mundraum vermehren: zwischen den Zähnen, in Zahnfleischtaschen, unter Zahnersatz und auch auf der Zunge.
Mit Zahnsteinentfernung und gründlicher Reinigung lässt sich das Problem meist beseitigen. Und auch die Zunge sollte regelmäßig „geschrubbt“ werden, vor allem der hintere Teil auf dem sich leicht ein Belag bilden kann. Der Magen hat mit Mundgeruch nichts zu tun, und nur in wenigen Fällen sind Entzündungen der Stirnhöhle oder im Rachen der Grund.
Dies lässt sich mit einen sogenannten Halimeter feststellen, das die Schwefelverbindungen in der ausgeatmeten Luft misst, also jene Moleküle, die den üblen Geruch verursachen. Mundgeruch kann auch ein Hinweis auf eine Krankheit sein, beispielsweise auf Diabetes – wer Mundgeruch hat, sollte auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen.
Das Geheimnis im Zahnschmelz
Vor rund 7000 Jahren geschah in den spanischen Pyrenäen ein blutiges Verbrechen: Acht Erwachsene und Kinder wurden ermordet. Sie waren mit Pfeilen erschossen worden, etliche ihrer Knochen waren gebrochen. Als ihre Überreste in der Höhle von Els Trocs gefunden wurden, konnten die Archäologen anhand der Knochen die Todesursache feststellen.
Wesentlich mehr gaben jedoch die Zähne der Toten preis: Ihr Zahnschmelz, der bis heute erhalten ist, verrät, wovon sie sich in der Jugend ernährt haben. Kurt Alt, Zahnarzt und Anthropologe, kann daraus wiederum Rückschlüsse ziehen, wo die Toten früher lebten. So stellte er fest, dass einer der acht vermutlich aus Mitteleuropa eingewandert war. Die anderen lebten wohl schon länger in der Region. Möglicherweise waren die acht Toten Hirten, die mit Einheimischen oder anderen Eingewanderten in Konflikt gekommen waren.
Zahnanthropologen wie Kurt Alt können anhand der Zähne auf wichtige biographische Details schließen. Denn Zahnschmelz ist das einzige Gewebe, das sich nicht verändert und selbst nach tausenden Jahren noch Informationen speichert. Wären auch Zähne der Täter gefunden worden, könnte Kurt Alt womöglich rekonstruieren, wer den Mord vor 7000 begangen hat.
Deutschland – Land der Zahnspangen
Jugendliche mit Zahnspange sind in Deutschland eher die Regel als die Ausnahme. Die Hälfte aller Jungen und Mädchen bekommt früher oder später eine Korrektur beim Kieferorthopäden. Bei schwereren Fehlstellungen zahlt die Krankenkasse: Pro Jahr belaufen sich die Kosten dafür auf rund 1,1 Milliarden Euro. Dazu kommen Korrekturen, die als eher kosmetisch eingestuft werden – diese müssen die Betroffenen privat zahlen. Die Schwere der Kieferfehlstellung wird auf einer Skala von eins bis fünf eingestuft. Ab Kategorie drei zahlen die Kassen.
Doch nicht nur bei der Menge der Zahnspangen, sondern auch bei der Tragedauer liegt Deutschland europaweit vorn: In Irland und Schweden muss die Spange im Durchschnitt 20 Monate getragen werden, in Norwegen und Großbritannien sind es 25 Monate.
Zum Vergleich Deutschland: Hier sind es 48,4 Monate, und das, obwohl umstritten ist, ob eine mehrjährige Behandlung überhaupt zu besseren Erfolgen führt. Im Gegenteil: Studien zeigen, dass die lange Dauer nicht nur teuer und zeitaufwändig ist, sondern auch, dass die Zähne Schaden nehmen können - es kann zu Zahnfleischentzündungen oder beschädigtem Zahnschmelz kommen.
2018 ließ das Bundesgesundheitsministerium den Nutzen von Zahnspangen prüfen. Ergebnis des IGES-Gutachtens: Der gesundheitliche Nutzen der Behandlungen sei nicht belegt. Dem widerspricht der Verband der Kieferorthopäden. Für wichtige Funktionen wie Kauen, Schlucken und Beißen gebe es kaum Daten. Darüber hinaus erspare die Kieferorthopädie in vielen Fällen eine lebenslange Behandlung, beispielsweise wenn Zähne nicht angelegt sind und die Lücken mithilfe einer Spange anstelle von Zahnersatz geschlossen werden können.
Kreidezähne – wenn Kinderzähne bröckeln
Eine Zahnerkrankung, die seit den 1980er Jahren vermehrt bei Kindern auftritt, stellt Wissenschaftler und Ärzte vor Rätsel: Kreidezähne (Molar-Incisor-Hypomineralisation, kurz MIH). Die Zähne verfärben sich – sie sind kalkweiß-fleckig, andere eher bräunlich dunkel; manche fangen an zu bröckeln oder bekommen Risse. Bei allen Kindern und Jugendlichen ist der Zahnschmelz zu weich.
Doch welche Ursache die Krankheit hat, von der in Deutschland jedes siebte Kind betroffen ist, ist unklar. In der Diskussion sind Antibiotika, Vitamin-D-Mangel, Erkrankungen der Mutter oder des Kindes sowie Schwierigkeiten bei der Geburt.
Die französische Molekularbiologin Sylvie Babajko hingegen hat Kunststoffprodukte im Verdacht: Bisphenyl A, das in vielen Verpackungen enthalten ist, aber auch in Flaschen und Schnullern. Sie machte Versuche mit Ratten und stellte fest, dass die Ratten, die BPA erhielten, Zahnprobleme bekamen, die den menschlichen Kreidezähnen ähneln. Männliche Ratten waren stärker von der Erkrankung betroffen.
Die Erklärung von Sylvie Babajko: Das Hormon Testosteron, das für den Aufbau des Zahnschmelzes wichtig ist, wird durch Bisphenyl A behindert. Und möglicherweise sind noch weitere hormonell wirksame Moleküle beteiligt.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung, das die Verbraucher vor schädlichen Produkten warnen soll, hält den Zusammenhang zwischen Bisphenol A und den Kreidezähnen bei Kindern für unwahrscheinlich. Das Institut geht davon aus, dass mehrere Faktoren die Zahnerkrankung verursachen. Bis die Ursache gefunden ist, lohnt es sich für Verbraucher auf jeden Fall, um Plastik, das hormonell wirksame Moleküle abgibt, einen großen Bogen zu machen.