Der tägliche Gang aufs Klo: Achtlos spülen wir unsere Hinterlassenschaften hinunter. Dabei haben sie viel zu bieten: Sie taugen zur Energiegewinnung, enthalten wertvolle Rohstoffe, helfen der Drogenfahndung und können sogar vor Epidemien warnen.
Die Abwasserkanäle von Karlsruhe
Nur wenige Meter unter der Erdoberfläche haben in Karlsruhe 70 Männer einen nicht allzu wohlriechenden und auch gefährlichen Arbeitsplatz: Jeden Tag steigen die Kanalarbeiter in die „Unterwelt“ und sorgen dafür, dass das rund 1100 Kilometer lange Kanalnetz funktioniert und die Entwässerung der Stadt funktioniert.
Das Abwasser hat es in sich: Es enthält Bakterien und Keime, und es kann Gase produzieren, die den Arbeitern gefährlich werden. Sie müssen also gut geschützt sein, wenn sie das Netz reinigen. Dazu nutzen sie herkömmliche Technik, wie beispielsweise einen Schlitten mit zwei Schildern, der den Dreck, der sich absetzt, weiterschiebt. Zum Einsatz kommt auch ein Hochdruckspülfahrzeug, das mit bis zu 150 Bar Druck arbeitet. Der gelöste Dreck wird abgesaugt, damit der nichts verstopfen kann.
Herzstück des Abwassersystems der badischen Großstadt ist der Landgraben, der die Stadt früher entwässerte und dann als Abwasserkanal genutzt wurde. Erst ab 1877 wurde das offene, stinkende Gewässer mit Gewölben versehen – ganz nach dem Vorbild der römischen Cloaka Maxima, die bereits seit rund 2000 Jahren unter Rom in Betrieb ist. Die Abdeckung der Kloake, das hatten die römischen Machthaber schon früh erkannt, schützte die Gesundheit der Bevölkerung.
Viren, Drogen und Medikamente im Abwasser
Um das Abwasser von Verschmutzungen zu befreien, unternehmen die Kommunen jedes Jahr enorme Anstrengungen: In einem mehrstufigen System wird das Abwasser zuerst von groben Rückständen befreit; danach fressen Bakterien die biologisch abbaubaren Stoffe. Der wichtige Mineralstoff Phosphor wird entzogen. Und dennoch bleiben jede Menge möglicherweise gefährlicher Stoffe übrig. In Karlsruhe sollen daher künftig mit Aktivkohle in einer weiteren Reinigungsstufe Substanzen beseitigt werden, die aus Putzmitteln, Kosmetika oder Medikamenten stammen und die bisher die Umwelt stark schädigten.
Außer den Kanalarbeitern interessieren sich auch Wissenschaftler für das Leben in den Abwasserkanälen, denn in den menschlichen Ausscheidungen finden sich – auch in starker Verdünnung – Krankheitserreger oder Spuren von Drogen. Der Leipziger Virologe René Kallies spürt Corona-Viren auf: Selbst wenn nur zehn von 100.000 Einwohnern einer Region mit SARS-CoV-2 infiziert sind, kann Kallies dies anhand des Abwassers feststellen. Mithilfe der Daten sollen regionale Ausbrüche erkannt werden, noch bevor sich viele Menschen anstecken. Und selbst nach Corona könnte diese großflächige Beobachtung der Abwässer helfen: als Frühwarnsystem für Erreger, bevor eine Infektion zur Epidemie wird.
Auch Rückstände von Drogen lassen sich im Abwasser finden. In Dortmund und Zürich ist der Kokainkonsum besonders hoch, in Chemnitz dominiert Crystal Meth. Und Ecstasy ist eine typische Wochenend-Droge, hat der Schweizer Forscher Christoph Ort festgestellt. Die Ergebnisse des Forschernetzwerks Score in 70 Städten könnten der Polizei helfen, Informationen zu Drogenbrennpunkten zu bekommen.
Archäologen sind wiederum am Werk, um beispielsweise in Freiburg jahrhundertealte Hinterlassenschaften zu analysieren: Reste, die sich trotz aller Reinigungen in Mauerresten verfangen haben, oder auch frühere Latrinen geben Auskunft über das Alltagsleben, wie es im Mittelalter in der Stadt ausgesehen haben muss.
Die richtige Haltung auf dem Klo
Beim Stuhlgang zu sitzen wie auf einem Stuhl, scheint uns heute selbstverständlich. Dabei ist die sitzende Haltung nicht unbedingt die gesündeste, sondern eine Errungenschaft der westlichen Zivilisation. Der Stuhl war früher den besseren Schichten vorbehalten und blieb es lange Zeit.
Eigentlich ist die Hocke die beste Stellung für eine entspannte Entleerung – der Beckenboden ist entspannt, der Darm gerade. Anders im Sitzen: Wenn Rücken und Oberschenkel im rechten Winkel zueinanderstehen, wird der letzte Teil des Darms gekrümmt. Der Stuhlgang wird erschwert und dauert auch länger. Und auch heftiges Pressen ist keineswegs nötig oder hilfreich. Wichtig ist dieses Wissen für Menschen, die ohnehin schon Probleme haben – Inkontinenz oder Verstopfung beispielsweise. Doch wie vieles rund um den Stuhlgang ist auch das Thema der richtigen Haltung heute noch immer ein Tabu.
Toilettengewohnheiten: Männer und Frauen
Frauen setzen sich nur sehr ungerne auf fremde Klobrillen, Männer haben es dafür manchmal schwer, wenn beim Pinkeln das Nachbars-Pissoir belegt ist. Die unterschiedlichen Probleme und Lösungsstrategien der Geschlechter auf dem stillen Örtchen erforscht Prof. Mete Demiriz, Sanitärwissenschaftler an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Jeder zweite Mann macht es sich gerne mit einer Zeitung gemütlich; Frauen nehmen eher mal eine Illustrierte in die Hand. Selbst die Toiletten-Poesie unterscheidet sich: Männer kritzeln eher Politisches, Frauen haben mehr einen Hang zur Romantik.
Wichtig auch die Klopapiernutzung: 20.000 Blatt verbraucht jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr – Männer sind hier wesentlich sparsamer. Zwei Prozent aller Männer begnügen sich mit einem einzigen Blatt. Frauen dagegen nutzen viel Papier, beispielsweise um die Klobrille auszulegen, und verstopfen so auch gerne mal die Toilette.
Um Frauen das Leben beim Gang auf fremde Toiletten zu erleichtern, hat Prof. Demiriz ein spezielles Frauen-Urinal entwickelt. Es soll ihnen die Hygieneprobleme unterwegs ersparen und das Kleider-Handling einfacher machen. Doch bisher gibt es das Urinal nicht zu kaufen – Frauen müssen weiterhin Behelfslösungen nutzen.
Geschichte des stillen Örtchens
Intimsphäre muss sein: Auf der Toilette sind wir gerne für uns. Dabei war es bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland völlig normal, seine Verrichtungen öffentlich zu erledigen; auf dem Feld, auf der Straße – Frauen wie Männer ließen es einfach laufen.
In Rom vor 2000 Jahren war das Klo gar ein geselliger Ort. Man traf sich, völlig ohne jede Scham, unterhielt sich, spielte und betrieb Geschäfte. Immerhin gab es festgelegte Orte für den Klogang, denn die Straßen hatten sauber zu bleiben.
Anders dann im Mittelalter: Verrichtet wurde buchstäblich überall – auch in Häusern und in Burgen, auf dem Boden, auf den Treppen; Straßen und Bäche stanken zum Himmel. Im 16. Jahrhundert kamen dann die Aborte auf, die passenden Hofordnungen regelten deren Nutzung. Es kehrte mehr Ordnung ein und die Verrichtung verschob sich mehr ins Private. Eine bekannte Ausnahme war Frankreichs Sonnenkönig Ludwig IVX. Er ging vor den Augen der Hofgesellschaft zur Verrichtung auf den „Thron“.
Erst im 19. Jahrhundert verbreitete sich auch in den Städten die Erfindung der Latrinen – man ging allein aufs stille Örtchen – es wurde ein eher verschämter Vorgang. Und wer heute ungeniert in der freien Natur pinkelt, muss gar mit einem saftigen Bußgeld rechnen.
Der Rohstoff Abwasser liefert Energie und Phosphor
Doch Exkremente sind nicht nur Unrat – geschickt genutzt können sie zur Erzeugung von Strom und Wärme beitragen. Und sie enthalten auch wahre Schätze: beispielsweise Phosphor, ein wichtiges Element, das der Mensch zum Leben braucht.
In der Jenfelder Au, einem Öko-Wohnprojekt im Osten Hamburgs, setzen die Planer beim Abwasserkonzept genau darauf. Sie nutzen das, was die Bewohner die Toilette hinunterspülen, um Energie zu gewinnen und den wertvollen Phosphor zu recyceln. Die Siedlung, in der später einmal 2.000 Menschen leben sollen, nutzt das extrem sparsame Schmutzwasserkonzept „Hamburg Water Cycle“. Das Abwasser wird in einer Biogasanlage aufbereitet und kommt als Strom und Wärme wieder in die Häuser zurück. Gleichzeitig wird der Phosphor wiedergewonnen, der die Grundlage für Dünger ist und derzeit teuer importiert werden muss. Ziel des Projekts: Die Siedlung soll sich künftig, vor allem dank der Abwassernutzung, vollkommen selbstständig mit Energie versorgen.
Was prähistorischer Kot über uns verrät
Für Archäologen sind die Hinterlassenschaften von Menschen ein wahrer Schatz: Wovon sie sich vor Jahrtausenden ernährt haben und wie ihr Mikrobiom im Darm zusammengesetzt war, lässt sich tatsächlich heute noch feststellen: Forscher des Max-Planck-Instituts in Jena untersuchen dafür prähistorische Kotbrocken, sogenannte Koprolithen. Die Hinterlassenschaften geben Auskunft über die Lebensgewohnheiten der Menschen und über ihre Ernährung.
Besonders interessiert sind die Forscher an der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms im Vergleich zu heute. Denn Veränderungen könnten ein Hinweis darauf sein, dass bestimmte Krankheiten wie Depression oder Krebs auf eine Änderung von Essen und Lebensstil zurückzuführen sind. Einen Unterschied haben die Wissenschaftler bereits gefunden: Dem modernen Menschen fehlt ein bestimmtes Bakterium, das Pflanzen verdaut. Vermutlich, weil heute wesentlich weniger pflanzliche Nahrung gegessen wird als früher.
Beim Projekt CoproID kommen DNA-Analysen zum Einsatz, um die Geschichte des menschlichen Mikrobioms zu rekonstruieren und die Erkenntnisse für unsere heutige Gesundheit zu nutzen. Kein einfaches Vorhaben, denn die Wissenschaftler müssen dafür gigantische Datenmengen verarbeiten. Allein in einem Häufchen Kot steckt menschliche DNA mit rund drei Milliarden Basen-Paaren.