Das A und O der Knochenschmerzen

Was tun gegen Arthrose und Osteoporose?

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Martina Frietsch

Schmerzende Knochen, Brüche, eingeschränkte Beweglichkeit – Arthrose und Osteoporose entwickeln sich in Deutschland zu Volkskrankheiten. Abhilfe versprechen neue Therapien, aber auch ein altbewährtes Mittel: körperliche Aktivität und die richtige Bewegung!

Arthrose: Wenn das Gehen zur Qual wird

So ähnlich wie bei der Erzieherin Luise Hendrich-Clemens fängt es bei vielen Patienten an: Beim Gehen schmerzt plötzlich das Knie. Erst tritt der Schmerz nur gelegentlich auf, dann immer häufiger. Es dauert nicht lange, und die kleinste Strecke wird zur Qual. Was bisher problemlos möglich war – Sport, Wandern, Einkaufen – geht nun immer seltener; Mobilität und Lebensqualität sind erheblich eingeschränkt.

Arthrose ist ein Gelenkverschleiß, der meist mit zunehmendem Alter auftritt. Die Gelenke werden steifer, vor allem nach längeren Ruhephasen, und schmerzen bei Belastung. Betroffen sind häufig Knie, Hüften, Wirbelsäule oder auch die Finger. Schätzungsweise fünf Millionen Menschen leiden in Deutschland an der Erkrankung.

Arthrose: Die Behandlungsmöglichkeiten

Physiotherapie und ein geeigneter Freizeitsport sind Möglichkeiten, die Arthrose zu bremsen und etwas gegen die Schmerzen zu unternehmen. Denn durch die Stärkung der Muskulatur kann der Abbau des Gelenkknorpels verlangsamt werden.

Luise Hendrich-Clemens versucht es mit dieser Methode und lässt sich von einem Orthopäden und einem begleitenden Physiotherapeuten erst den Befund erklären, um zu erkennen, wie und wo das Problem in ihrem Knie entstanden ist. Ein umfangreicher Therapieplan dient dazu, ihren Muskelaufbau zu fördern und die Beweglichkeit wiederzugewinnen. Mit den Besuchen in der physiotherapeutischen Praxis ist es nicht getan: Die Übungen muss sie auch zu Hause immer wieder ausführen. Dazu bekommt sie Tipps für Sportarten, die bei ihren Problemen mit den Kniegelenken geeignet sind.

Bei Luise Hendrich-Clemens zeigt sich der erste Erfolg schon nach vier Wochen: Die Schmerzen sind zwar noch da, aber wesentlich weniger geworden. Medikamente benötigt sie keine mehr. Das Knie lässt sich länger belasten, selbst das Treppensteigen geht wieder gut. Damit der Erfolg auch bleibt, muss sie mit der Therapie weitermachen – wenn auch nicht mehr so intensiv wie bisher.

Gezielte Bewegung als Therapie ist allerdings nur dann möglich, wenn der Gelenkverschleiß noch nicht zu stark ist. Ist die Arthrose schon zu weit fortgeschritten, bleibt als Behandlungsmöglichkeit oft nur eine Operation, mitunter ist die Implantation eines künstlichen Gelenkes nötig.

Arthrose: Wenn der Gelenkknorpel schwindet

Arthrose ist eine Alterserscheinung, allerdings können auch jüngere Menschen betroffen sein. Das Knorpelgewebe in den Gelenken, das über viele Jahrzehnte große Lasten aushält und sogar extreme Gelenkbewegungen möglich macht, nimmt ab. Zur gleichen Zeit verändern sich die Knochen an den betroffenen Stellen. Verschwindet die Knorpelschicht ganz, reiben die Knochen direkt aufeinander – der Spalt zwischen den Gelenken verschwindet, die Beweglichkeit ist eingeschränkt und schmerzt.

Grund dafür ist das „Programm“ des Körpers, das den Knorpel- und Knochenaufbau steuert: Beim Embryo sorgt es dafür, dass das Skelett aus Knorpelgewebe sich zu einem Knochengerüst entwickelt. Lediglich der Knorpel in den Gelenken bleibt von der Umwandlung verschont.

Im Lauf des Lebens sorgen die Knorpelzellen dafür, dass das Gewebe ständig erneuert wird und die Gelenke beweglich hält. Im höheren Alter jedoch beginnen die Zellen den Knorpel abzubauen, manche werden sogar zu Knochenzellen und bilden Ausläufer an den Gelenken. Das Programm, dass das Skelett des Embryo formte und an der richtigen Stelle den Knochenaufbau stoppte, läuft nun wieder an und macht die einst so beweglichen Gelenke steif.

Neuer Knorpel als Ersatz im Gelenk

Bei Verletzungen heilt der Körper normalerweise vieles selbst. Nicht so bei verletztem Knorpelgewebe. Dieses hochspezialisierte Gewebe regeneriert sich kaum von selbst, weswegen Verletzungen so schwere Folgen haben.

An der Uniklinik Freiburg arbeitet der Chirurg Dr. Kaywan Izadpanah daran, Patienten mit verletztem Knorpelgewebe durch eine Transplantation von gezüchtetem Knorpel zu behandeln. Dazu werden bei Knieverletzungen aus dem Knie winzige Knorpelstücke entnommen. In einem speziellen Labor werden aus den Proben die knorpelbildenden Zellen (Chondrozyten) herausgelöst und zur Zellteilung angeregt. Drei Wochen lang vermehren sie sich in einem Brutschrank, bis Millionen neuer Zellen entstanden sind, die nach der Implantation den neuen Knorpel bilden. Vermischt mit einem Gel, das wie ein Kleber wirkt, werden sie ins Knie eingebracht, wo sie damit beginnen, neuen Knorpel zu bilden.

Der große Vorteil der Methode: Da es sich um körpereigne Zellen handelt, werden sie nicht abgestoßen. Nach wenigen Monaten ist das Knie wieder funktionsfähig, vom Eingriff nichts mehr zu sehen.

Die Methode, die in rund 90 Prozent aller Fälle Erfolg hat, hilft bei geschädigten Gewebestellen, die beispielsweise durch Sport oder im Beruf entstehen. Gegen Arthrose, also den altersbedingten Knorpelabbau, lässt sich die Transplantation, die in Freiburg und an einigen weiteren Universitäten getestet wird, derzeit aber noch nicht einsetzen.

Osteoporose: der gestörte Knochenaufbau

Unser Skelett, Knorpel und auch die Knochen verändern sich ständig. Spezielle Zellen, sogenannte Osteoklasten, bauen permanent alte Knochensubstanz ab. Die Osteoblasten kümmern sich wiederum um das, was fehlt, und bauen neue Knochensubstanz auf. Die Osteocyten (Knochenzellen) regulieren den ganzen Umbau. Verrichten die aufbauenden Zellen, die Osteoblasten, ihre Arbeit nicht mehr richtig, wird das System von Knochenab- und -aufbau gestört. Die Knochenmasse nimmt ab, das Knochengewebe im ganzen Körper verschlechtert sich: Die Osteoporose hat eingesetzt und der Knochenschwund nimmt seinen Lauf.

Medikamente oder OP gegen Osteoporose

In extremer Vergrößerung, unter dem Rasterelektronenmikroskop wird sichtbar, was die Knochen so brüchig macht, hat die Osteoporose erst einmal begonnen: Die wabenartige, dreidimensionale Struktur im Knochen ist löchrig, die Knochenbälkchen sind dünn und spröde. Die Struktur, die den Knochen sonst so stark macht, ist selbst instabil. Es kommt vermehrt zu Knochenbrüchen.

In solch einem Fall hilft nur noch die Operation des geschädigten Knochens, in manchen Fällen sind künstliche Gelenke nötig. So beispielsweise im Fall von Erika Balmer, die sich bei einem Sturz das Schultergelenk zertrümmerte. Ursache für den Bruch bei einem sonst möglicherweise harmlosen Sturz war die Osteoporose. Bei ihr wurde – wie bei vielen anderen Osteoporose-Patienten – ein künstliches Gelenk eingesetzt. Die Prognose war wegen des fortgeschrittenen Knochenschwunds zu schlecht, der Körper nicht mehr in der Lage, den Knochen selbst zu heilen. Im Stuttgarter Marienhospital werden bei dieser speziellen Operation Gelenkkopf und Gelenkpfanne vertauscht – nach 75 Minuten Operation ist bereits alles erledigt.

Vielversprechend sind neue Medikamente, die den Knochenaufbau fördern. Die Methoden sind dabei unterschiedlich: Manche Medikamente hemmen direkt den Knochenabbau. Beim neuen Medikament Romosozumab hingegen wird das körpereigene Hormon Sklerostin reduziert, das den Knochenaufbau hemmt. Osteoporose gilt – ebenso wie Arthrose – als sogenannte Volkskrankheit, die vor allem ältere Menschen betrifft. Besonders häufig kommt der Knochenschwund bei Frauen nach den Wechseljahren vor. Allerdings sind rund 20 Prozent aller Betroffenen Männer, und auch bei Jüngeren kann Osteoporose vorkommen. Rund sechs Millionen Erkrankte sind es allein in Deutschland.

Mit Bewegung gegen die Osteoporose

Mit 88 Jahren Knochen wie ein 40-Jähriger? Was traumhaft klingt, ist durchaus möglich, durch Sport. Der Fall von Deutschlands ältestem Fitnesstrainer Georg Meixner zeigt, wie wichtig es ist, ein Leben lang Sport zu treiben. Nicht nur der Fitness wegen, sondern weil der Sport enorm wichtig für die Knochengesundheit ist: Durch den Zug der Muskeln am Knochen wird der Knochenstoffwechsel angeregt, es werden neue Zellen gebildet. Wer sein Leben lang Sport treibt, sorgt also damit für das Alter vor und hat eine bessere Knochenarchitektur und -dichte. Dazu gehört aber auch, konsequent auf Bewegung zu setzen, denn nach längeren Pausen lässt die Muskulatur nach und damit auch die positive Wirkung auf den Knochenstoffwechsel.

Die große Gefahr für Osteoporose-Patienten sind Alltagsunfälle, die bei ihnen besonders schnell zu Knochenbrüchen führen. Typisch sind beispielsweise Brüche von Hüfte und Oberschenkelhals, Handgelenk und Unterarm. Hilfreich kann hier ein vorbeugendes Training sein, das nicht nur die Muskulatur stärkt, sondern auch das Gleichgewicht stabilisiert, um Stürze zu vermeiden.

Knochenschmerzen: Linderung durch Physiotherapie?

Eine wichtige Rolle bei der Behandlung körperlicher Schmerzen, ob bei Osteoporose oder nach einem Unfall kommt der Physiotherapie zu. Wie sinnvoll ist dieses Maßnahme? Fast ein Drittel aller Patienten kommt deshalb in die Praxis mit „unspezifischer Diagnose“ – also mit Schmerzen, deren Ursache nicht ohne weiteres festzustellen ist. Ohne eindeutige ärztliche Diagnose liegt es am Physiotherapeuten, ob er dem Patienten helfen kann oder nicht. In vielen Fällen verschwinden die Schmerzen wieder, in manchen werden sie chronisch. Zeit für die Patienten ist der entscheidende Faktor in der Physiotherapie – doch genau die fehlt häufig, weil die gesetzlichen Kassen den Aufwand nicht erstatten. Pro Sitzung 15 bis 25 Minuten Zeit für die Therapie; 70 Cent bis ein Euro für den Bericht an den Arzt. Das genügt bei weitem nicht für eine fundierte Beurteilung des Patienten und ein individuelles Behandlungskonzept. Doch genau damit hat beispielsweise Physiotherapeut Christof Stiegler gute Erfahrungen: Eine Stunde Therapie pro Woche, dazu eine umfassende Aufklärung – seine Patienten profitieren davon, bisher sind es aber überwiegend Privatpatienten. Auch das Schmerzzentrum der Uniklinik Freiburg geht in diese Richtung und sorgt für intensive Zusammenarbeit zwischen Physiotherapeuten, Medizinern und Psychologen. Sie stellen gemeinsam fest, wo das Problem das Patienten tatsächlich liegt, die Therapie wird präziser und somit auch erfolgreicher.

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