Lebensmitteleinzelhandel

Supermarktketten diktieren Preise

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André Rehse

Mit ihrer Marktmacht setzen Handelsriesen wie Edeka, Rewe, Aldi und Lidl auch in der Coronakrise Bauern und Lebensmittelhersteller beim Preis unter Druck.

Lebensmitteleinzelhandel - ein hart umkämpfter Markt.

Die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel verstärkt sich seit Jahrzehnten. Die großen vier Gruppen des Lebensmitteleinzelhandels - also Edeka, REWE, die Schwarz Gruppe mit Lidl, sowie die beiden ALDIs - kamen 2019 auf einen gemeinsamen Marktanteil von mehr als 85 Prozent.

Die Konzentration nimmt weiter zu, denn auch REAL, 2019 noch mit 4,8 Prozent Marktanteil auf Platz fünf, wird aufgeteilt. Wer die Marktmacht hat, kann Druck auf die Einkaufspreise machen. Das bekommen vor allem Bauern, kleine Produzenten und Erzeugergenossenschaften zu spüren.

Keiner der Betroffenen, mit denen wir bei der Recherche gesprochen haben, wollte vor die Kamera. Doch am Telefon klagen sie über harte Preisverhandlungen mit den Lebensmittelketten. „Wenn man nicht eine große Marke ist, dann gibt es keine Preisfindung. Man bekommt eine Ansage was unsere Produkte kosten“, sagt ein Geschäftsführer einer landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaft.

Die großen Supermarktketten bestimmen die Preise und haben in Deutschland einen Marktanteil von 85 Prozent. (Foto: SWR, SWR André Rehse)
Die großen Supermarktketten bestimmen die Preise und haben in Deutschland einen Marktanteil von 85 Prozent.

Preise und Lieferbedingungen werden angesagt

Manchmal erst bei Ladenschluss geben die Marktleiter ihre Bestellungen für den nächsten Tag auf. Liefertermin: nächster Morgen. Den Gemüsebauern bleibt nur übrig ab 4:00 Uhr morgens ohne Aufpreis Gemüse zu ernten, damit es am Vormittag in die Läden kommt. Die Einzelhandelsketten bestimmen, wo es lang geht.

Zudem klagen Erzeuger am Standort Deutschland über die Konkurrenz durch Billiggemüse aus Südeuropa oder Nordafrika. Das wird mit LKWs über weite Strecken mit fossilen Brennstoffen hertransportiert und das dafür verbrauchte CO₂ ist nicht eingepreist. Hierzulande dagegen sind z.B. die Löhne viel höher. „Wenn sich nichts ändert, müssen wir überlegen, ob man in Deutschland noch produzieren kann“, sagt ein großer landwirtschaftlicher Produzent.

Bauern und andere Erzeuger leiden oft unter dem Preisdruck der großen Supermarktketten. (Foto: IMAGO, imago/Westend61)
Bauern und andere Erzeuger leiden oft unter dem Preisdruck der großen Supermarktketten.

Auch große Marken knicken ein

Auch die großen Markenhersteller kommen gegen die Marktmacht nicht an. Beim Markenverband, der Interessenvertretung der meisten Marken, klagt ihr Sprecher Christian Köhler:

„Die grundsätzliche Ablehnung von irgendwelchen Preiserhöhungen, obwohl allen bekannt ist, dass es dramatische Kostensteigerungen, z.B. auf der Rohwaren- oder landwirtschaftlichen Erzeugerstufe gab, das ist eines. Es wird dann in häufigen Fällen gesagt, ok wenn du diese Kondition nicht erfüllst, zumindest mit mir jetzt diesen zusätzlichen Rabatt nicht vereinbarst, dann fange ich an deine Artikel auszulisten.“

Ein prominentes Beispiel verdeutlicht den Preiskampf hinter verschlossenen Türen: Über 160 Nestlé- Produkte listete Edeka 2018 aus. Am Ende gab Nestlé, einer der weltgrößten Nahrungsmittelkonzerne nach.

Wenn Markenhersteller den Preisvorgaben der Discounter nicht folgen wollen, drohen diese mitunter mit einer Auslistung, d.h. die Produkte dieses Herstellers verschwinden aus den Regalen. (Foto: IMAGO, imago images/Action Pictures)
Wenn Markenhersteller den Preisvorgaben der Discounter nicht folgen wollen, drohen diese mitunter mit einer Auslistung, d.h. die Produkte dieses Herstellers verschwinden aus den Regalen.

Weniger Innovation und Abbau von Arbeitsplätzen als Folge

Verbraucher freuen sich zunächst über kleine Preise, doch schlägt der Preiskampf zurück.

„Am Ende verdienen die Unternehmen dadurch weniger Geld, sie haben weniger Chancen in Entwicklung und Innovation zu investieren, sie haben einen viel höheren Druck auf Arbeitsplatz und Kostenstruktur, das heißt: Abbau von Arbeitsplätzen, am Ende auch eine höhere Bedrohung der Zukunft des Unternehmens.“

Auch die Kartellämter ermitteln seit Jahren in Sachen Missbrauch von Marktmacht.

Unter den großen Supermarktketten herrscht oft ein erbitterter Preiskampf. Sonderangebote sollen Kunden in die Läden locken. (Foto: IMAGO, imago/MiS)
Unter den großen Supermarktketten herrscht oft ein erbitterter Preiskampf. Sonderangebote sollen Kunden in die Läden locken.

Kartellämter alarmiert

Ein Verfahren des Bundeskartellamtes konnte 2014 Einblicke in die Geschäftspraktiken von Lebensmittelketten liefern, die sogenannten ‚Hochzeitsrabatte.‘ Das meint im Branchenjargon – Edeka übernimmt oder ‚heiratet‘ Plus und dafür sollen die Zulieferer Geschenke liefern.

Denn nach der Fusion bekam Edeka Einblick in die Lieferverträge des ehemaligen Konkurrenten und forderte rückwirkend bessere Konditionen von den Herstellern.

„Also ich kann natürlich nachverhandeln, ich kann Forderungen stellen, aber wenn ich ein marktbeherrschendes Unternehmen bin, dann muss ich auch eine Gegenleistung dafür anbieten. Das war aus unserer Sicht in diesen Verhandlungen nicht gegeben und wir haben das dann untersagt und das wurde letztlich auch vom Bundesgerichtshof bestätigt.“

UTP-Richtlinie macht Hoffnung

Die Einkäufer der großen Vier sind bei Ihren Rabattforderungen sehr kreativ. In den Verträgen ist von ‚Synergiebonus‘, ‚Partnerschaftsvergütung‘ oder ‚Sortimentserweiterungsbonus‘ die Rede. Wir fragen Edeka nach den Vorwürfen über unfaire Preisverhandlungen. Die Antwort kommt per E-Mail: "Die von Ihnen genannten Vorwürfe können wir nicht nachvollziehen und weisen wir deutlich zurück."

Nachvollziehen aber kann die Vorwürfe inzwischen auch Julia Klöckner, Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung. Im Februar 2020, anlässlich der Grünen Woche in Berlin, forderte sie faire Bedingungen vor allem für die vielen kleinen und mittleren Lebensmittelproduzenten. Hoffnung macht auch ein neues Gesetz aus Brüssel, die sogenannte UTP-Richtlinie, die in Zukunft unfaire Handelspraktiken verbietet und gerade in nationales Recht umgesetzt wird.

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