Es heißt Sprechstunde, doch im Schnitt dauert das Gespräch zwischen Arzt und Patient gerademal 10 Minuten. Dabei ist es zentral für die richtige Diagnose und Therapie.
„Du wirst gesehen“
Ihr Hausarzt habe sie nicht ernst genommen, sagt Migränepatientin Nina Lameck. Deshalb ist sie zur Ambulanz der Uniklinik Witten Herdecke gekommen. Hier hoffe sie auf zugewandte Ärzte. Genau unter dieser Prämisse hat Prof. Tobias Esch die Ambulanz der Privatuniversität entwickelt: Der sprechenden Medizin mehr Gewicht zu geben.
Er erklärt: „Das wichtigste in der Situation einer gelingenden Arzt-Patienten-Kommunikation ist, dass Raum ist. Dass der Arzt, der Therapeut, dem Patienten das Signal gibt, du hast hier Platz. Du wirst gesehen. Du kannst mit dem, was Du mitbringst, erstmal hier ankommen.“ Es stärke das Zutrauen beim Patienten, wenn er gehört und verstanden werde. So könne eine Arzt-Patienten-Beziehung entstehen, die dann auch am Ende wirksam sei.

Anderthalb Minuten brauchen Patient*innen im Schnitt, um ihre Lage zu erläutern. Wenn man sie ausreden lässt. Doch in deutschen Praxen werden sie – nach einer Studie - schon nach 18 Sekunden das erste Mal unterbrochen. Oft wirken die Ärzte abgelenkt, blättern in Unterlagen oder lesen auf dem Display ihres Computers. Tatsächlich scheint das auch eine Frage des Geschlechts zu sein.
Ärztinnen werden oft als zugewandter erlebt. Sie unterhalten sich etwa 20 Prozent länger mit ihren Patient*innen. Dass Tobias Esch zugewandt arbeitet, zeigt schon die erste Frage, die er an Nina Lameck stellt: „Wenn ich sie jetzt fragen würde für den ersten Kontakt: was wäre ihre Erwartung? An das Gespräch oder an das, was wir hier für sie tun können.“

Kommunikation auf Augenhöhe
In dieser Frage zeigt sich auch ein weiteres wichtiges Prinzip der sprechenden Medizin: Kommunikation auf Augenhöhe. Tobias Esch weiß, dass es nicht von Vorteil ist, den überlegenen Experten zu geben. Gemeinsam mit seiner Patientin will er das medizinische Problem erkunden und gemeinsam mit ihr nach Lösungen suchen.
Das ermögliche eine günstige Grundlage für eine erfolgreiche Therapie. Das sei in Studien eindeutig nachgewiesen worden. Der Benefit ergebe sich aus mehreren Gründen: „Patienten nehmen deutlich zuverlässiger ihre Medikamente ein, sie sind therapietreuer, sie halten sich besser an das, was wir gemeinsam verabredet haben, weil sie es einfach viel besser verstehen.“

Offene Notizen
Zum Erlebnis einer partnerschaftlich entwickelten Therapie trägt auch ein Instrument bei, das in den USA ab 2021 gesetzlich vorgeschrieben ist, das aber in Deutschland bezeichnender Weise bisher völlig unbekannt ist: Open Notes – offene Notizen. Tobias Esch bittet Nina Lameck zum großen Display, das neben der Tür seiner Praxis hängt. Es zeigt die Krankenakte der Patientin. Vom Röntgenbild über die Medikation bis zur persönlichen Arztnotiz. Hier kann die Patientin – passwortgeschützt auch von zuhause aus – in aller Ruhe Einblick nehmen in alle Informationen rund um Diagnose und Therapie. Das bietet nicht nur die Möglichkeit, Therapieempfehlungen „Schwarz auf Weiß“ zuhause zur Verfügung zu haben.
Open Notes hilft auch, Fehler zu entdecken. Etwa wenn Nina Lameck daheim auffallen würde, dass ihr Arzt eine ihrer Aussagen missverstanden hat. Zudem verstärkt diese Transparenz das Vertrauen in eine Therapie auf Augenhöhe. Nina Lameck ist davon sehr angetan: „Das finde ich echt super hilfreich. Wow!“ Als die Migränepatientin die Praxis verlässt, wirkt sie zuversichtlich: „Ich hab‘ mich hier sehr gut aufgehoben gefühlt, ich hab‘ mich ernst genommen gefühlt. Man hat sich Zeit für mich genommen und man geht jetzt weiter gemeinsam eine Behandlung an, mit der ich - glaub ich - sehr zufrieden bin.“
Ärzte überschätzen ihre Kommunikationskompetenz
In einer Studie wurden Gespräche bei Orthopäden begleitet. Nach dem Gespräch waren 75 Prozent der Ärzte mit ihrer Leistung bezüglich der Arzt-Patienten-Kommunikation zufrieden. Bei den Patienten sah das anders aus: Nur 21 Prozent waren mit dem Gespräch zufrieden. (Quelle: Diplomarbeit Das ärztliche Gespräch in der orthopädischen Visite am LKH-Univ. Klinikum Graz eingereicht von Roland Feldbauer. S. 87)
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