Experimente zeigen, dass Essen den Hirnstoffwechsel und damit unser Verhalten beeinflusst. So waren Straftäter weniger aggressiv, wenn sie spezielle Nahrungsergänzungsmittel bekamen.
Mahlzeiten beeinflussen soziale Entscheidungen
Unsere täglichen Mahlzeiten haben Einfluss darauf, wie wir uns verhalten. Das haben die Psychologin und Hirnforscherin Prof. Soyoung Park, und ihr Team von der Universität Lübeck in einem Experiment herausgefunden. Sie ließen 87 Probanden unterschiedlich frühstücken – mal mit mehr Kohlenhydraten, mal mit mehr Proteinen. Einige Stunden nach dem Frühstück mussten die Versuchspersonen in einem unfairen Spiel eine Entscheidung treffen. Ihr Gegenüber gibt von zehn Geldstücken nur zwei ab. Nimmt der Proband die zwei Euro, können beide ihr Geld behalten. Wenn auch ungerecht verteilt. Lehnt er ab, gehen beide leer aus. Es zeigte sich: Je höher der Gehalt an Kohlenhydraten in der Mahlzeit, desto sensibler reagierten die Probanden auf Ungerechtigkeit. Die Blutuntersuchung lieferte dafür eine Erklärung: Die Aminosäure Tyrosin gilt als „Gute-Stimmungs-Baustein“. Studien zeigen, dass ein Anstieg zur vermehrten Ausschüttung bestimmter Belohnungshormone im Gehirn führt. Bei mehr Kohlenhydraten im Frühstück war der Tyrosin-Spiegel niedriger, bei mehr Proteinen höher. Für die Wissenschaftler ein Beleg, dass Ernährung unseren Hirnstoffwechsel und damit unser Verhalten beeinflusst.

Herausforderung bei Ernährungsstudien
Ihr Experiment führten die Lübecker Wissenschaftler unter kontrollierten Bedingungen durch, indem sie das das Frühstück ihrer Probanden nach festgelegten Kriterien zusammenstellten. So konnte das Ergebnis nicht verfälscht werden. Nachteil: Diese Methode funktioniert nur bei einer überschaubaren Anzahl von Teilnehmern. Die große Mehrheit der Ernährungsstudien wird dagegen als sogenannte Beobachtungsstudien konzipiert. Dabei werden die Teilnehmer befragt, was sie in den letzten Monaten oder Jahren gegessen haben. Die Methode ist aber ungenau, denn viele Teilnehmer erinnern sich nicht daran, was sie gegessen haben Zudem neigen Befragte dazu, ihre Ernährungsweise positiver darzustellen, als sie ist. Durch mangelnde Kontrollmöglichkeiten werden somit die Ergebnisse dabei verzerrt.

Gefängnisstudie - 50 % weniger Gewalt
Im Strafvollzug lässt sich die Ernährung von Gefangenen auf Grund der Bedingungen ebenfalls über lange Zeit sehr genau steuern und dokumentieren. Wissenschaftler aus England und den Niederlanden wollten vor diesem Hintergrund in verschiedenen Experimenten herausfinden, ob aggressives Verhalten von jungen Straftätern durch spezielle Nährstoffe abgemildert werden kann.
Die holländischen Forscher wählten acht Gefängnisse aus, in denen junge Gefangene ihre Strafe absitzen. Sie erhielten Nahrungsergänzungs-mittel für drei Monate. Die Ergebnisse geben Anlass zu Hoffnung, denn in der Gruppe, die Nahrungsergänzungsmittel erhielt, sank der Grad der Aggression um 35 Prozent. Schwerwiegende, gewalttätige Auseinandersetzungen konnten sogar um die Hälfte reduziert werden.

Kein besseres Essen im Strafvollzug
Vor allem wollten die Gefängnisforscher ihre These untermauern, dass Straftäter durch gesunde Ernährung besser resozialisiert werden können. Die erfolgreichen Ergebnisse geben ihnen scheinbar Recht. Trotzdem gibt es keine Unterstützung für weitere Forschung. Und in der Strafjustiz wird der Einfluss der Ernährung auf das Verhalten weiterhin ignoriert. Kein Wunder: Gesundes Essen ist teuer, wodurch erhöhte Budgets für Gefangene erforderlich wären.

Was ist Tyrosin?
Durch die Aminosäure Tyrosin werden die Botenstoffe Noradrenalin und Dopamin angeregt. Diese Neurotransmitter tragen dazu bei, in Stresssituationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Interessante Untersuchungen hat die US-amerikanische Armee dazu durchgeführt: 23 Soldaten bekamen entweder 50 Milligramm Tyrosin pro Kilogramm Körpergewicht oder ein Placebo. Dann mussten die jungen Männer anstrengende Übungen bewältigen und hinterher Mathe- und Navigationstests bestehen. Es zeigte sich, dass die Tyrosin-Gruppe erheblich erfolgreicher abschnitt als diejenigen, die das Placebo eingenommen hatten.
Lit.: Banderet, L. E., et al., “Treatment with tyrosine, a neurotransmitter precursor, reduces environmental stress in humans”, Brain Res Bull. 1989 Apr;22(4), S. 759 – 62.