Permakultur

Zukunftsweisende Landwirtschaft?

Stand
AUTOR/IN
Monika Kovacsics

Gemüseanbau nach dem Prinzip der Permakultur ist erheblich wirtschaftlicher als konventionelle Methoden. Jetzt wurde wissenschaftlich untersucht warum.

Wie funktioniert Permakultur?

Die beiden Entdecker Bill Mollison und David Holmgren verstanden ihre Ideen zum Aufbau langfristig ertragreicher landwirtschaftlicher Systeme als nachhaltigen Gegenentwurf zum vorherrschenden industriellen Agrarsystem. 1981 erhielten sie den Alternativen Nobelpreis.

Im Mittelpunkt der Permakultur stehen:

- Die Anwendung von systemischem Denken und Planen
- Das Gestalten sich selbst erhaltender Lebensräume
- Keinerlei Ausbeutung der natürlichen Ressourcen
- Ganzheitliches Denken, Schließen von Kreisläufen

„Permakultur ist ein Konzept, das auf die Schaffung von dauerhaft funktionierenden, nachhaltigen und naturnahen Kreisläufen zielt“, sagt David Holmgren. Als ethische Leitprinzipien gelten ein achtsamer Umgang mit der Erde, den Menschen und ein fairer Austausch von Ressourcen.

Inzwischen wird Permakultur weltweit praktiziert, in privaten Gärten ebenso wie auf mittelgroßen Bauernhöfen. Es gibt zunehmend Quereinsteiger, die sich Permakultur aneignen. Meistens kommen diese Menschen aus ganz anderen Berufen und entschließen sich ein Stück Land nach den Prinzipien der Permakultur zu bewirtschaften. Die „Organic Farm Bec Hellouin“ in der Normandie gilt weltweit als ein besonders gelungenes Beispiel für diese Form der Landwirtschaft. Bislang hat sich Permakultur vor allem beim Gemüseanbau bewährt. Inzwischen wird auch der Anbau von Getreide nach den Prinzipien der Permakultur erprobt.

Was ist anders als bei Bio? Eine pragmatische Betrachtung

Der Eintrag fossiler und fremder Energien ist bei der Permakultur nicht gestattet. Pflanzen, Säen, Pflegen und Ernten erfolgen ausschließlich durch Handarbeit, gegebenenfalls mit Rechen, Pflanzstöcken oder manuell geführten Spezialrechen zur Bodenbearbeitung. Hoch- und Hügelbeete erleichtern das Pflanzen und Ernten. Es gibt keine Monokulturen. Die Beete sind klein und überschaubar. Auf relativ wenig Fläche wächst eine große Vielzahl unterschiedlicher Gemüse- und Obstsorten. Es herrscht das Prinzip der Vielfalt. Es gibt keinen Abfall. Alles wird wiederverwendet und in die natürlichen Kreisläufe zurückgeführt.

Die 12 Regeln der Permakultur:

1. Beobachten und Integrieren
2. Energie auffangen und speichern
3. Ernten
4. Selbstregulation
5. Erneuerbare Ressourcen nutzen
6. Keinen Abfall produzieren
7. Gestaltung von übergeordneten Mustern und Details
8. Integrieren statt separieren
9. Kleine, langsame Lösungen
10. Vielfalt schätzen
11. Randzonen schützen
12. Auf Veränderungen kreativ reagieren

Organic Farm Bec Hellouin – ein Paradebeispiel für Permakultur

Als sich Charles und Perrine Hervé-Gruyer entschlossen ein Stück Land in der Normandie zu bewirtschaften, hatten sie beide keine Ahnung von Landwirtschaft. Das war 2003. Beide kamen aus ganz anderen Berufen. Er arbeitete als Segellehrer, sie als Juristin. Aber sie waren überzeugt, dass sich mit biologischem Anbau die Welt ernähren lässt. Sie wollten Selbstversorger werden und versuchten es mit Bio-Anbau. Allerdings mit wenig Erfolg. Dann stießen sie im Internet auf die Permakultur.

Sie starteten mit Hügelbeeten und pflanzten eine Vielfalt von Dutzenden von Gemüsesorten. Wasser liefert der Bach, der mitten durch ihr Grundstück fließt. Inzwischen kümmern sich ein Dutzend Angestellte um ein ausgeklügeltes Pflanz- und Ernte-Management. Heute ist die Farm Bec Hellouin auf ihren 1,2 Hektar erfolgreicher, als jeder Gemüsebetrieb vergleichbarer Größe. „Jeder Quadratmeter erwirtschaftet 55 Euro im Jahr“, erklärt Charles Hervé-Gruyer. Dank Permakultur.

Soviel Erfolg rief die Wissenschaft auf den Plan. Zwei Experten vom französischen Agrarforschungszentrum INRA in Paris starteten eine Studie: „Case Study Permacultural Organic Market Gardening and Economic Performance“. Sie wollten wissen, warum die Permakultur-Methode auf Bec Hellouin so erfolgreich ist.

Die Studie

In einem Vierjahres-Zeitraum (2011-2015) untersuchten die Wissenschaftler Francois Léger und Sacha Guegan eine Auswahl kultivierter Fläche, nämlich 1.000 Quadratmeter von insgesamt 1,4 Hektar der Farm Bec Hellouin. Von jedem Beet sammelten sie Daten bezüglich der Arbeitszeit, der Arbeitsmittel und der Menge der geernteten Produkte. Das Ergebnis: der Ertrag der untersuchten Beete ist drei bis viermal höher als bei einem konventionellen Gemüsebetrieb. Die Gründe dafür laut Studie:

- Mehr Pflege und Zuwendung und Gärtner-Erfahrung
- Verbessertes Werkzeug im Einsatz
- Gutes Management zwischen den Ernten
- Einführung „neuer“, alter Systeme – zum Beispiel Hügelbeete, Hochbeete und das Verwenden von Pferdemist eines benachbarten Reitstalls
- Wiederbelebung alter, kultivierter Flächen, Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit

Weitere Erkenntnis: Es wird nicht mehr Ertrag pro Pflanze erwirtschaftet. Vielmehr wachsen viele unterschiedliche Pflanzen zusammen auf relativ kleinem Raum. Dadurch sind sie robuster und weniger anfällig für Schädlinge.

Ist Bec Hellouin ein Modell für die Landwirtschaft der Zukunft?

Generell ja! Jeder Garten, jeder landwirtschaftliche Betrieb, der auf Permakultur umstellt, ist ein Gewinn für Umwelt und Klima. Allerdings lässt sich diese Anbaumethode nicht von heute auf morgen auf alle bestehenden konventionellen Betriebe übertragen. Darin besteht die größte Kritik der Permakultur. Ein allgemeingültiges Konzept gibt es nicht. Wie man Prinzipien der Permakultur umsetzt hängt von der Art des bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs ab und seiner geographischen Lage. Permakultur in den Alpen sieht anders aus, als Permakultur in der oberrheinischen Tiefebene. Auch die Fähigkeit des Landwirts, sich auf die natürlichen Gegebenheiten seines Fleckchens Erde einzulassen ist gefordert. Der Agrarexperte Francois Léger spricht in diesem Zusammenhang von „ökologischer Intelligenz“. Die Praxis zeigt, dass auch 60 Hektar-Betriebe mit Permakultur funktionieren. Ob es eine Obergrenze bezüglich der Fläche gibt, dafür fehlen bislang die Erfahrungen. Jedenfalls wird Permakultur auf 100 Hektar mit Tieren und Bäumen ganz anders strukturiert sein, als Permakultur in einem privaten Garten.

Startet jemand einen neuen Betrieb und fängt er mit Permakultur an, dauert es erfahrungsgemäß rund fünf Jahre, bis erste wirtschaftliche Erfolge erzielt werden können.

Fest steht, dass die bislang gewonnenen Erkenntnisse durch die Permakultur – höherer Ertrag durch Vielfalt auf engem Raum, robuste Pflanzen, kein Einsatz von Düngemittel und Pestiziden, ... – für eine nachhaltige, zukunftsträchtige Landwirtschaft von großer Bedeutung sind.

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Monika Kovacsics