Mythos gesunder Fisch

Ohne Fisch geht’s auch

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Nils Blumenkamp | Lena Ganschow
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Lena Ganschow

Für eine gesunde Ernährung ist Fisch unverzichtbar - das glauben viele. Doch neue wissenschaftliche Erkenntnisse kommen zu einem anderen Ergebnis.

Ein Blick auf die Inhaltsstoffe von Fisch zeigt: Hauptverantwortlich für sein Gesundheitsimage sind die Omega-3-Fettsäuren. Ihnen werden wahre Wunder zugeschrieben. Hintergrund: Anfang der 1970er Jahre fanden dänische Forscher heraus, dass in der Arktis lebende Menschen hohe Omega-3-Werte im Blut und laut Krankenakten wenig Herzleiden haben. Außerdem ernährten sie sich vor allem von Fisch - ein Zusammenhang wurde vermutet und ein Mythos geboren.

flanzenöl wird in Glas ausgegossen  (Foto: SWR)
Pflanzenöle enthalten Omega-3

Omega-3 muss sein, aber nicht vom Fisch

Seitdem kommt man beim Einkaufen an Omega-3 als Zusatz in Lebens- oder Nahrungsergänzungsmitteln nicht mehr vorbei. Die ungesättigten Fettsäuren sollen nicht nur positive Effekte für Herz und Kreislauf haben, sondern auch gut fürs Gehirn sein. Was sagen Fachleute wie Prof. Bernhard Watzl dazu?

Am Max-Rubner-Institut in Karlsruhe leitet er das Institut für Physiologie und Biochemie der Ernährung: „Omega-3-Fettsäuren sind zufuhrnotwendig, wir brauchen sie zum Leben. Allerdings haben wir verschiedene Quellen. Wir brauchen nicht den Fisch, sondern können bestimmte Vorstufen auch aus Pflanzenölen aufnehmen und dann im Körper selbst die langkettigen Formen bilden.“ Besonders geeignet wären Leinöl, Walnussöl, Sojaöl und Rapsöl.

Auf Holz liegende, gelbe Fischölkapseln   (Foto: SWR)
Fischölkapseln bringen nichts

Fischölkapseln kann man sich sparen

Auch die Experten-Aussage zu Nahrungsergänzungsmitteln die Omega-3 enthalten - allen voran Fischöl-Kapseln - ist eindeutig: „Diese Fischölkapseln sind nicht wirksam“, so Watzl, „das heißt, man hat keinen gesundheitlichen Vorteil, wenn man sie regelmäßig konsumiert.“ Aber was ist mit dem Mythos um die Arktis-Bewohner? Nun ja: Die Krankenakten von damals waren schlicht ungenau. Überprüfungen aktuellerer Daten zeigen, dass die Arktisbewohner eine ähnliche Rate an Herzerkrankungen haben wie Menschen in Industrienationen und sogar häufiger an Schlaganfällen sterben. Und: Sie leben durchschnittlich 10 Jahre kürzer.

Verschiedene Fischfilets in Pfanne  (Foto: SWR)
Fischeiweiß ist verzichtbar

Fisch ist als Eiweißlieferant verzichtbar

Fisch gilt als leichte Kost und idealer Proteinlieferant. Tatsächlich enthält Fisch weniger Bindegewebe als durchwachsenes Fleisch und ist leichter verdaulich. Doch viel gesundes Eiweiß steckt auch in nicht-tierischen Nahrungsmitteln wie Nüssen, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und verschiedenen Gemüsesorten.

Ernährungsexperten wie Prof. Bernhard Watzl vom Max Rubner-Institut empfehlen diese Lebensmittel zudem aus anderen Gründen: „Das eine ist die Gesundheit. Wir haben die wissenschaftlichen Studien die belegen, dass mehr pflanzliche Proteine einen gesundheitlichen Vorteil für den Menschen darstellen. Und der zweite wichtige Aspekt: Es ist sehr klimabeeinflussend, wie wir Proteine produzieren und da schneiden die tierischen Proteine eindeutig schlechter ab als die pflanzlichen.“

Hand bedient Salzmühle über Teller mit Fischgericht  (Foto: SWR)
Jod muss nicht aus Fisch kommen

Spurenelemente gibt’s auch anderswo

Und was ist mit den Spurenelementen? In Fisch stecken zum Beispiel Selen, Eisen und Jod. Selen und Eisen finden sich auch in vielen anderen Lebensmitteln, Jod gibt es aber gerade in Seefisch besonders viel. Brauchen wir den deswegen also doch? Bis Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts ja, denn Deutschland war - vor allem in der Alpenregion - Jod-Mangelgebiet. Wegen langer Transportwege aßen viele Menschen kaum Fisch aus dem Meer. Eine sichtbare Folge dieser Unterversorgung: der Kropf, eine Wucherung der Schilddrüse, damals bei fast jedem zehnten Deutschen.

Das ist zum Glück Vergangenheit. Aber laut Prof. Bernhard Watzl ist die Jodversorgung in Deutschland nach wie vor unzureichend. Woher bekommen wir also das wichtige Spurenelement? „Die wichtigsten Quellen“, so der Experte, „sind Milchprodukte und das heutzutage jodierte Salz. Der Fisch spielt eine untergeordnete Rolle.“ Höchstens zehn Prozent der Jodaufnahme in Deutschland erfolge über Seefisch.

Vitamin D machen wir selbst

Je fetter der Fisch, desto mehr Vitamin D ist drin. Es macht die Knochen stark und ist besonders für Kinder im Wachstum und alte Menschen wichtiger Bestandteil der Ernährung. Noch im vergangenen Jahrhundert war auf Grund schlechter Lebensbedingungen Vitamin-D-Mangel in Deutschland sehr weit verbreitet. Viele Kinder litten sogar an Rachitis, ihre Knochen verformten sich. Und heute?

Auch die Vitamin-D-Versorgung ist laut Prof. Bernhard Watzl unzureichend, etwa die Hälfte der Bevölkerung habe nicht genügend Vitamin D im Körper. Unsere Nahrung spiele jedoch eine untergeordnete Rolle: „10-15 Prozent kommt über die Ernährung. Da haben wir auch wenige Lebensmittel, die bedeutende Quellen sind - zum Beispiel der fette Seefisch oder auch bestimmte Pilze, die über ein Belichtungsverfahren hohe Gehalte haben können.“ Die eigentliche Empfehlung sei aber viel draußen an der Sonne zu sein, gerade zwischen März und Oktober, damit der Körper über die Haut selbst Vitamin D bilde. Bis zu 90% des benötigten Vitamin Ds könnten so gedeckt werden.

Lachsfilet in Pfanne (Foto: SWR)
Fisch ist verzichtbar

Fazit

Jahr für Jahr essen wir in Deutschland pro Person etwa 14 Kilogramm Fisch und Meeresfrüchte. Fisch schmeckt vielen, ist gesund und: Wer Fisch esse, verzehre in dem Moment schonmal kein Fleisch, sagt Prof. Bernhard Watzl. Zweimal die Woche Fisch ist dann ja auch eine gängige Expertenempfehlung. Daran könnte sich jedoch etwas ändern. Ein Grund: Unser Essen trägt laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu 25-30% zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei.

Entsprechend reiche es heutzutage nicht mehr aus, Empfehlungen nur an gesundheitsfördernden Aspekten auszurichten. Es müssten auch andere Dinge wie Einfluss auf Klima und Biodiversität, Wasserverbrauch, Tierwohl oder Soziales berücksichtigt und die Empfehlungen etwa für Fisch entsprechend überarbeitet werden. Schlüssig, schließlich kann man auch problemlos auf Fisch verzichten und trotzdem rundum versorgt sein.

Linktipps:

Deutsche Gesellschaft für Ernährung zu klimafreundlicher Ernährung

DGE-Positionspapier zur nachhaltigeren Ernährung

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