Lieferengpässe bei Pharmaka entstehen wegen der Monopolproduktion in Asien. Fachleute fordern die Rückführung der Produktion wichtiger Substanzen nach Europa. Das wird teuer.
Lieferengpässe bei Medikamenten nehmen zu. Die Konzentration auf wenige asiatische Produzenten macht die Lieferketten unsicher. Spahn will wieder in Europa produzieren.
Der Deutsche Michel fühlt sich nicht wohl. Er hängt am Pharmatropf aus dem Ausland. In den letzten Jahrzehnten sind große Teile der Arzneiproduktion nach Asien gewandert. Vor allem nach China, wo auch wichtige Stoffe für Antibiotika hergestellt werden. Wegen niedriger Löhne und niedrigen Umweltstandards produzieren Chinesen billig.
Die Belieferung des Weltmarkts sorgt zusätzlich für kostensenkende Skaleneffekte wie sie bei der Herstellung großer Mengen auftreten. In vielen Bereichen der Arzneimittelproduktion hat sich dadurch eine Monopolisierung entwickelt, die Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, für gefährlich hält:
„Wenn dann beispielsweise eine Fabrik, die ein wichtiges Antibiotikum in China herstellt, explodiert, führt das zwangsläufig zu einem Lieferengpass. Deshalb ist eine ganz klare Forderung die Rückverlagerung nach Europa auf mehrere Hersteller, auf mehrere Produktionsstätten.“
Derzeit verzeichne die zuständige Bundesbehörde bei 350 Medikamenten und Packungsgrößen Lieferengpässe, so Ludwig. So viel wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Rückverlagerung der Arzneiproduktion wird teuer
Der Unternehmensberater Roland Berger hat durchgerechnet, was die Herstellung einer wichtigen Grundsubstanz für Antibiotika, die Cephalosporine, in Deutschland kosten würde. Deutschland produziert teuer. Das liegt an hohen Lohnkosten und an hohen Kosten für Gebäude und technische Anlagen. 100 Tonnen der Substanz wären hier 55 Millionen Euro teurer als am Weltmarkt und müssten deshalb mit 550.000 Euro pro Tonne subventioniert werden.
Vom Deutschen Kassen-Budget für Arzneimittel würde das ein Viertel Prozent ausmachen. Günstiger wäre es, eine größere Menge für den europäischen Bedarf an dem Antibiotika-Grundstoff zu produzieren. 500 Tonnen wären 78 Millionen Euro teurer als auf dem Weltmarkt. Und müssten nur mit 165.000 Euro pro Tonne subventioniert werden.
Allerdings muss man sich vergegenwärtigen, dass es sich bei den Cephalosporinen lediglich um eine Teilsubstanz für eine Klasse von Antibiotika handelt. Die Europäische Produktion der meisten wichtigen Substanzen auf dem Arzneimittelsektor würde um ein Vielfaches höher ausfallen und die Arzneimittelkosten spürbar erhöhen.

Internationalen Wettbewerb stärken
Auch Dr. Jasmina Kirchhoff, Pharmaexpertin am Deutschen Institut der Wirtschaft in Köln sieht gute Gründe für eine Rückführung der Arzneimittel-Produktion nach Europa.
„Für die Versorgungssicherheit der Patienten vor Ort ist es vor allem entscheidend, wie viele Anbieter ich auf dem globalen Markt habe.“
Damit sei es eine gute Idee, so die Wissenschaftlerin, den inländischen und den europäischen Produktionsstandort zu stärken, um hier auch wieder Anbieter an den Markt zu holen. Kirchhoff plädiert aber dafür, gleichzeitig den globalen Wettbewerb und die globalen Lieferketten zu erhalten und sie auch weiterhin zu stabilisieren.
Genau dafür will sich Gesundheitsminister Jens Spahn nach eigenem Bekunden einsetzen. Er will die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um die Europäische Gemeinschaft zu entsprechenden Schritten zu ermuntern.

Adresse:
Prof. Wolf-Dieter Ludwig
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin
Tel.: 030 400456-500