Telemedizin

Modellprojekte für eine bessere Versorgung

STAND
AUTOR/IN
Birgit Augustin

Wenig Ärzte, lange Wartezeiten – wer auf dem Land wohnt, wird oft schlechter versorgt als in der Stadt. Aber selbst dort werden Patienten abgewiesen. Telemedizin soll Abhilfe schaffen.

Fernbehandlungsverbot fällt

Schon der Name wirkt wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten: „Fernbehandlungsverbot“. Es bestimmt, dass ein Arzt einen Patienten nicht behandeln darf, wenn er ihn nicht zumindest einmal zuvor leibhaftig zu Gesicht bekommen hat. Doch viele Patienten, die lange auf einen Termin warten müssen, gehen mittlerweile eigene Wege – zu Internetportalen im Ausland, wo sie – kostenpflichtig, aber prompt – Antworten auf ihre Fragen finden. Denn anders als in Deutschland ist die Fernbehandlung etwa in Großbritannien erlaubt. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg vermutet, dass nur hinter der Hälfte solcher ausländischer Anbieter eine seriöse Plattform steckt. Mit richtigen Ärzten, die die Daten des Patienten schützen und ihn möglichst umfassend beraten und aufklären. Doch weil dieses Risiko offenbar viele Patienten weniger schreckt als eine sechsmonatige Wartezeit auf den nächsten Facharzttermin, haben solche Plattformen seit Jahren immer mehr Zulauf. Nicht zuletzt deshalb hat der Deutsche Ärztetag im Mai die Berufsordnung für Ärzte geändert und das Fernbehandlungsverbot gekippt. Wenn schon Fernbehandlung – dann mit deutschen Ärzten und mit kontrollierter Qualität. Wobei es die Entscheidung der Landesärztekammern bleibt, ob sie eine solche neue Regelung in ihren Berufsordnungen verbindlich festlegen. Oder alles beim Alten bleibt.

Baden-Württemberg als Vorreiter – unter Vorbehalt

Die Landesärztekammer Baden-Württemberg hatte bereits 2016 ihre Berufsordnung so geändert, dass seither im Rahmen von Modellprojekten eine ausschließliche ärztliche Fernbehandlung möglich ist. Vorausgesetzt, die Projekte werden begutachtet – und von der Landesärztekammer genehmigt. Dieser Vorbehalt bleibt auch nach dem Beschluss des Deutschen Ärztetages bestehen. Ein Modellprojekt, das den Segen der baden-württembergischen Ärzte bekommen hat: „DocDirekt“.

„DocDirect“ – Digitaler Hausbesuch

Bei „DocDirekt“ können sich Patienten in Stuttgart und Tuttlingen – und bislang nur dort – über eine App anmelden. Eine medizinische Fachangestellte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ruft die Patienten an und führt ein Gespräch, um die Beschwerden einzuschätzen. Der „Fall“ wird dann an die teilnehmenden Ärzte verschickt. Wer ärztlicherseits kann und mag, nimmt an und macht einen Terminvorschlag. Ist der Patient einverstanden, kommt dann zum verabredeten Zeitpunkt ein Telefonat oder ein Videochat zustande. Das Gespräch läuft ähnlich ab wie in der Praxis: Der Arzt versucht herauszufinden, was es mit den Beschwerden seines Distanz-Patienten auf sich hat – ob er abwarten kann, dass sich sein Zustand bessert, ob er einen Arzt aufsuchen muss – oder ob gar ein Rettungswagen vorbeigeschickt werden muss. Allerdings kann der „Doc“ derzeit noch keine Rezepte oder Überweisungen ausstellen, auch Krankschreibungen sind noch Zukunftsmusik. Wem also mit dem Gespräch allein nicht geholfen ist, der muss dann doch noch zum Arzt um die Ecke.

Nach einer Woche gibt es einen „Recall“ seitens der Kassenärztlichen Vereinigung, um zu erfragen, ob sich die gesundheitliche Situation gebessert hat. Oder ob die Patienten noch Hilfe brauchen. Außerdem hilft die KV bei der Vermittlung eines Facharzttermins.

Bessere Kooperation zwischen Hausarzt und Facharzt

Mit den bisherigen Regelungen vereinbar, aber auch noch in den Kinderschuhen ist das Projekt „TeleDerm“. Hintergrund ist der Facharztmangel auf dem Land. Statt weite Wege und lange Wartezeiten in Kauf nehmen zu müssen, bietet es Patienten mit Hautproblemen eine bessere Versorgung durch den eigenen Hausarzt. Dabei werden kritische Stellen mit einer speziellen Kamera fotografiert und dann über eine gesicherte Datenleitung an teilnehmende Dermatologen in Baden-Württemberg verschickt. Diese können nun flexibel eine Diagnose stellen und ihre Behandlungsempfehlung an den Hausarzt zurückschicken. Und zwar in einem Zeitfenster von 48 Stunden. Meist geben sie Entwarnung – aber wenn nicht, dann sorgen die Dermatologen dafür, dass der Patient möglichst schnell einen Termin für ein OP bekommt, etwa, wenn ein Karzinom entfernt werden muss. Gleichzeitig lernen Hausärzte mit jedem neuen Fall dazu – und müssen, so die Erfahrung aus den Niederlanden – immer seltener den Spezialisten befragen.

Gestartet ist „TeleDerm“ im Juli. Die Resonanz ist bislang sehr positiv. Doch ob solche „Tele-Konsile“ künftig in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden, ist noch offen. Sicher dagegen ist, dass die technische Umsetzung anspruchsvoll ist: Allein in baden-württembergischen Hausarztpraxen kommen 150 verschiedene Software-Varianten zum Einsatz. Und die alle bräuchten Schnittstellen zur ebenso vielfältigen Praxissoftware der Dermatologen.

STAND
AUTOR/IN
Birgit Augustin