Mehr als Schulmedizin
Die kleine Klinik liegt am Waldrand nicht weit entfernt von Pforzheim. Vor Jahren hat man sich in dem 70-Betten-Haus auf Schmerztherapie und die Behandlung von Krebserkrankungen spezialisiert, also keine Erkrankungen, die mit einer kurzen Anwendung zu therapieren wären. Man nimmt sich deshalb viel Zeit für die Patienten und hat neben der schulmedizinischen Behandlung noch ein zusätzliches Therapieangebot. Hier wird gemalt, musiziert oder trainiert – eigentlich ungewöhnlich für eine Klinik. Das Ziel der Klinik und Ausgangspunkt für ihre Gründung war von Anfang an ein ganzheitlicher Umgang mit den Patienten. Die Erkrankung soll nicht im Fokus stehen, sondern der ganze Mensch mit Körper, Geist und Seele. Die Erfahrung hat die Therapeuten gelehrt, dass die Patienten durch diese zusätzlichen Therapieangebote, wie zum Beispiel Mal- und Kunsttherapie, besser mit den Nebenwirkungen der oft körperlich sehr belastenden Chemo- oder Antikörpertherapien fertig werden.
Das besondere Pflegekonzept
Wenn sich Ärzte, Therapeuten und Pfleger in Öschelbronn zur Patientenbesprechung treffen, ist das Team deshalb entsprechend groß, vor allem wenn es um Palliativpatienten geht. Auffällig ist auch, dass alle in der Rund auf Augenhöhe miteinander reden, denn zum Beispiel die Pfleger haben besonders guten Einblick in die aktuelle Situation der Patienten, weil sie sehr dicht an ihnen arbeiten. Der Grund ist das besonders intensive Pflegekonzept der Klinik. Die Pfleger führen zum Beispiel bei den Patienten rhythmische Einreibungen mit ätherischen Ölen zur Entspannung durch. Die Ruhe dabei ist wesentlicher Bestandteil der Anwendung. Ähnlich ist es bei den feucht warmen Wickelauflagen aus natürlichen Heilessenzen wie Ingwer- oder Eukalyptuswickel. Die Patienten werden dabei in warme Tücher eingepackt und die Entspannung setzt sofort ein. Die Patienten empfinden die Anwendungen als sehr unterstützend auf ihrem Weg der Heilung. Spricht man mit den Pflegern, dann erlebt man auch hier große Zufriedenheit darüber, dass sie Ihrer Arbeit so gewissenhaft nachgehen können. Sie schätzen die große Eigenverantwortlichkeit bei der Auswahl der alternativen Anwendungen und die Dankbarkeit, die sie von den Patienten erfahren.
Arbeitsteilung statt Stress in der Pflege
Es ist leicht nachvollziehbar, dass alle von diesem Pflegekonzept begeistert sind, aber wer finanziert diesen zusätzlichen Aufwand? In anderen Kliniken sind die Pfleger doch oft schon mit dem pflegerischen Standardprogramm am Zeitlimit? Die Geschäftsleitung betont, dass man mit einem Anteil von circa 20 Prozent Privatpatienten nicht mehr als andere Kliniken hat, denn das Haus hat einen Versorgungsauftrag vom Land und muss deshalb Leistungen anbieten, die Patienten aller Krankenkassen in Anspruch nehmen können. Trotzdem versteht man die Ruhe und die Zeit für die Pflege als wesentlichen Teil des Heilungsprozesses und hat sie deshalb von vielen anderen Aufgaben freigestellt. Aufgaben, die eigentlich nur sehr entfernt etwas mit Pflege zu tun haben. Zum Beispiel die Speiseversorgung wird komplett vom Cateringteam im Haus übernommen. Sie bereiten das Buffet im Speisesaal vor und bringen die Tabletts auf die Zimmer. Ist Hilfe bei der Nahrungsaufnahme des Patienten erforderlich, sind hierfür allerdings die Pfleger zuständig, weil sie besser wissen, was beim Patienten geht und was nicht. Das Management der Zimmer, der Betten, das Nachfüllen der Schränke und das Delegieren des Reinigungspersonals wurde den Pflegern dagegen von den Stationshelfern abgenommen. Diese Arbeitsteilung sorgt für eine sehr effektive Erledigung aller Aufgaben und kommt den Patienten letztlich zu Gute, weil das Pflegepersonal wieder Zeit hat, sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern.
Schlanke und transparente Patientenlogistik
Bleibt die Frage, wie die zusätzlichen Personalkosten getragen werden? Hier verweist die Geschäftsleitung zunächst darauf, dass man in Öschelbronn durch die Spezialisierung und das besondere Therapieangebot durchgehend eine Vollauslastung der Klinik erreicht, wodurch die Einamensseite gesichert ist. Wichtig ist sicherlich auch, dass die Gewinne nicht an Aktionäre ausgeschüttet werden müssen, sondern dorthin zurückfließen, wo sie erwirtschaftet wurden.
Auf der anderen Seite hat man versucht, alle Prozesse im Haus sehr schlank und effektiv zu gestalten. Dazu gehört zum Beispiel die zentrale Patientenaufnahme, bei der Neupatienten noch bevor sie auf ihr Zimmer kommen, alle nötigen Untersuchungen erhalten und alle erforderlichen Daten von ihnen erfasst werden. Das Patientenmanagement entwirft dann einen kompletten Behandlungsplan für den gesamten Aufenthalt des Patienten, in dem alle Termine von der Visite bis zur Chemotherapie erfasst sind. So bekommt die Behandlungslogistik im Haus eine große Übersichtlichkeit und auch die Patienten, denen der Therapieplan ausgehändigt wird, schätzten diese Transparenz.
Ein anderer Punkt ist die Digitalisierung der Patientenkarte, auch sie hat zu mehr Transparenz in den Abläufen geführt. Alle Daten werden jetzt direkt bei den Visiten oder Untersuchungen in einen Laptop eingetragen, so dass alle Kollegen im Haus sofort darüber im Bilde sind, ob zum Beispiel die Medikamentierung geändert wurde oder es sonst ein wichtiges Ereignis bei einem Patienten gab.
Das Konzept hat sich bewährt
Dass diese strategischen Eingriffe in die Klinikprozesse mehr sind, als gutgemeinte Absichtserklärungen, dass beweiset auch die Verleihung des renommierten Ludwig-Erhard-Preises für ein besonders gelungenes Qualitätsmanagement. Mittlerweile gibt es die Klinik Öschelbronn seit 40 Jahren und das ist sicherlich der wichtigste Beweis dafür, dass eine gute Pflege ein Haus nicht wirtschaftlich ruinieren muss, sondern sie im Gegenteil attraktiv machen kann. Jetzt wird die Klinik gerade mit Hilfe von Fundraising komplett neu gebaut, denn man glaubt an ihr besonderes Konzept.