Verrückt durch Neuroparasiten

Beeinflusst Toxoplasma gondii die Psyche?

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AUTOR/IN
Sigrid Lauff

Werden Menschen, die mit Toxoplasma gondii infiziert sind, in Psyche und Verhalten beeinflusst? Eine Spurensuche.

Toxoplasmose und Depressionen

Katzen sind ihre besten Freunde. Claire B. ist 53 und mit Toxoplasma gondii infiziert. Außerdem leidet sie seit 30 Jahren an Depressionsschüben, die immer häufiger auftreten. Sie arbeitet als Krankenschwester einer psychiatrischen Klinik. Dort hat sie an einer Studie zum Thema Toxoplasmose bei psychiatrischen Patienten teilgenommen: „Da habe ich dann erfahren, dass eine aktivierte Toxoplasmose bei Schizophrenie und Depressions-Patienten häufigere Schübe und schwerere Krankheitsbilder auslösen kann.“

Kann das sein? Laut medizinischer Lehrmeinung ist Toxoplasmose nur schädlich, wenn sich Schwangere infizieren. Dann kann der Erreger auf den Fötus übertragen werden. Das kann Fehlbildungen bewirken und sogar tödlich sein. Demgegenüber zeigen immer mehr Studien, dass die Parasiten auch für die Psychiatrie eine Rolle spielen. So auch eine Untersuchung von 2016. Demnach tragen drei von vier Menschen mit Schizophrenie den Erreger in sich. Bei Gesunden ist es nur jeder zweite. Das heißt nicht, dass Jeder, der infiziert ist, schizophren wird. Doch irgendwie scheint der Parasit tatsächlich die Psyche zu beeinflussen.

Toxoplasmen kapern Zellen

Mögliche Belege, ob Toxoplasma gondii die Psyche beeinflussen kann, finden sich in Schweden. Der Molekularbiologe Antonio Barragan erforscht die Parasiten mit seinem Team an der Stockholm University. Sie haben herausgefunden, dass die Parasiten unser Immunsystem überlisten. Sie sind in der Lage, weiße Blutkörperchen, so genannte dendritische Zellen, zu kapern. Die Toxoplasmen können diese als trojanisches Pferd nutzen, um die Blut-Hirn Schranke zu passieren. Vom Gehirn aus ist der Parasit in der Lage, das komplette Nervensystem zu manipulieren.

Ist das der Beweis dafür, dass der Schmarotzer Aggressionen auslösen oder Selbstmorde provozieren kann? „Wir haben Evidenz im Tierbereich. Zum Beispiel bei infizierten Mäusen oder Schimpansen, die sich vom Urin von Katzen angezogen und damit zur leichten Beute werden“, sagt Barragan. „Mit Menschen können wir aus ethischen Gründen solche Studien nicht machen. Hier sind die Beweise eher indirekt. Fest steht zum Beispiel, dass die Parasiten Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin beeinflussen können. Diese sind eng mit dem menschlichen Verhalten verknüpft.“

Gehirnentzündungen durch Toxoplasma

„Durch die Parasiten können Entzündungen im Gehirn ausgelöst werden“, betont die Neurologin Uta Meyding-Lamadé. „Allein dadurch kann schon das Verhalten beeinflusst werden. Das betrifft Antrieb, die Fähigkeit, sich zu freuen und die Fähigkeit, Energie zu haben.“ Sie fordert eine gründliche Diagnose für alle Patienten, die auf gängige Therapien nicht ansprechen. Besonders wichtig sei dann die Untersuchung des Gehirnwassers, die so genannte Liquor-Punktion. Sind die Parasiten aktiv, wird eine Therapie aus Antibiotika und antiparasitären Medikamenten empfohlen.

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Sigrid Lauff