Tierernährung

Futtern bis der Arzt kommt

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AUTOR/IN
Frank Wittig

Frisch zubereiten oder doch das Futter aus der Dose? Die Ansichten der Tierhalter gehen weit auseinander. odysso hat ermittelt, was die Wissenschaft dazu sagt.

1,7 Milliarden Euro geben die Tierhalter für ihre Lieblinge in Deutschland aus. Und mittlerweile bereiten viele Herrchen und Frauchen selbst für ihre Lieblinge das Futter zu. Dafür haben die Tierpflegerinnen im Tierheim in Mainz keine Zeit. Anna-Lena Busch füttert gerade Thor. Ein "Europäischer Kurzhaar". Gierig verschlingt der mächtige Kater das Futter aus dem silbernen Näpfchen. Im Moment ist er eine von 30 Katzen im Tierheim. Anna Lena Busch sagt: "Frisches Futter können wir uns im Tierheim aus Kosten- und aus Zeitgründen niemals erlauben." Und auf die Frage, ob sie denn sicher sei, dass im Fertigfutter alles drin ist, was Thor brauche, meint sie schmunzelnd: "Also den Katzen schmeckt es und es sind bisher keine Mangelerscheinungen aufgetreten."

Bei der Recherche zum Thema "Futter, Fehler, falsches Fressen" stoße ich auf ganz andere Ansichten. So finden sich auf YouTube unzählige Clips, in denen Tierfreunde der Welt erklären, dass "Barfen" das einzig Wahre in der Tierernährung sei. "BARF" steht für Biologisch artgerechte Rohfütterung". Also ausschließlich unbearbeitete Zutaten. Fleisch, Fisch, für Hunde auch Gemüse. Nur so könne man seine geliebten Vierbeiner auf Dauer gesund erhalten. Doch die Recherche bringt auch kritische Stimmen zutage: Trifft der Barfer das richtige Verhältnis von Eiweiß und Kohlehydraten? Sind alle wichtigen Spurenelemente drin? Lauern im Rohen Futter eventuell Parasiten?

Wir wollen wissen, was die Wissenschaft dazu sagt und besuchen den Ernährungsexperten Prof. Josef Kamphues an der Tiermedizinischen Hochschule in Hannover.

Pflanzenteile von Tiernahrung. (Foto: SWR, SWR -)
Prof. Josef Kamphues, Tiermedizinische Hochschule Hannover

Der Tierernährungsexperte meint, man muss genau Bescheid wissen, wenn man Tierfutter selber herstellen will: "Unter natürlichen Bedingungen hat beispielsweise der Vorfahre unserer Hunde, der Wolf, ja eben nicht nur Fleisch aufgenommen von einem erbeuteten Tier. Sondern er hat Organe aufgenommen. Er hat beispielsweise die Leber aufgenommen. Die Leber ist eine hervorragende Quelle für Kupfer, für andere Spurenelemente, für Vitamine. Das heißt wenn ich das Wissen um die einzelnen Bestandteile des Tierkörpers, des Beutetieres habe, kann ich selbstverständlich auch dieses nachbauen."

Nicht im Sinne der Tiergesundheit ist es dagegen, einfach das zusammen zu schnippeln, was in der Küche übrig bleibt und dann ein bisschen Frisch-Fleisch zuzugeben, wie es häufig praktiziert wird. Davor warnt Kamphues: "Küchenreste, in Ergänzung durch Schlachtnebenprodukte, in Kombination mit Getreideflocken oder mit Kartoffeln oder mit Nudeln haben alle eins gemeinsam: Viel zu viel Phosphor, im Vergleich zum Kalzium. Das heißt, dem Tier fehlt Kalzium. Ich muss eine Kalziumergänzung vornehmen."

Aber auch das Dosenfutter hat nicht den besten Ruf. Zu wenige Vitamine seien drin. Weil viele von ihnen beim Abkochen verloren gehen. Und immer wieder heißt es, hier entsorge die Lebensmittelindustrie ihre minderwertigen Reststoffe. Doch das entspricht nicht den Tatsachen. Es gelten ganz klare gesetzliche Auflagen. Alle Zutaten für Tierfutter müssen "verkehrsfähige Ware" sein. Also auch für den menschlichen Verzehr geeignet. Fertigfutter muss Mieze und Struppi mit allen erforderlichen Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen versorgen. Und die Sterilisation der Dosen bei hohen Temperaturen tötet Keime zuverlässig ab.

Das größte Problem bei der Fütterung von Heimtieren ist ohnehin nicht die Qualität, sondern die Menge. Die Kombination von zu wenig Bewegung und zu viel Futter macht unweigerlich fett. Die Folgen sind dieselben, wie bei dicken Menschen: Sie entwickeln Diabetes! Die Gelenke verschleißen unter hohem Gewicht. Die Folge: Noch weniger Bewegung! Ein Teufelskreis der das Leben der Tiere verkürzt.

Ein weiteres schwerwiegendes Problem sieht Tierernährungsexperte Kamphues bei Futtermischungen für Kaninchen, Meerschweinchen und Co. "Grünfutter, Heu, pflanzliches Material. Das wäre das, was wir empfehlen. Was gefüttert wird, ist aber häufig ein sehr energiereiches Material: Getreide, Nüsse, fettreiche Sonnenblumenkerne etc. Das ist etwa so, als wenn der Mensch nur von energiereichem Eis, Fett, Butter und ähnlichem lebt. Das ist nicht zu empfehlen."

Außerdem muss speziell dieses Futter auch hartes Pflanzenmaterial wie Schalen oder Stängel enthalten. Laien kommt das oft so vor, als seien das Verunreinigungen. Doch im Futter für Nagetiere sind diese Zutaten dringend erforderlich, das unterstreicht Josef Kamphues: "Wir wollen hier faseriges Material anbieten. Das Material muss das Tierchen zum Gebrauch der Zähne zwingen. Wir brauchen die Faser, damit beispielsweise die kontinuierlich nachwachsenden Zähne sich aneinander abreiben."

Doch nicht nur für den nötigen Zahnverschleiß sondern auch für eine gut funktionierende Verdauung seien die Fasern unentbehrlich.

Auch Tierpflegerin Abby, die im Mainzer Tierheim für Nagetiere zuständig ist, weiß aus Erfahrung, dass die entsprechenden Futtermischungen oft ein Problem sind.
"Wir bekommen häufig Tiere, die schlecht ernährt werden. Wir kriegen auch öfters mal das Futter, was vorher gegeben wurde mit und das sind dann immer diese Fertiggetreidemischungen. Meistens sehen die Tiere auch dementsprechend dick aus." So decken sich die Erfahrungen aus der Praxis mit der Kritik des Wissenschaftlers.

Die Menge muss stimmen. Und die Zutaten auch. Darum müssen sich die Tierhalter kümmern! Und dann fühlen sich unsere flauschigen Lieblinge auch wohl.

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Frank Wittig