Ein erstaunlicher Zusammenhang
Egal ob in Taiwan, Schweden, Schottland oder Deutschland: Auf der ganzen Welt stoßen Forscher in Langzeituntersuchungen vieler Tausend Patienten auf einen erstaunlichen statistischen Zusammenhang: Schlechte Zahnhygiene und schlechte Zähne erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Für eine 2011 veröffentlichte Studie hatten beispielweise schwedische Forscher rund 8.000 Patienten erst gründlich zahnmedizinisch untersucht und dann über einen Zeitraum von mehr als 13 Jahren begleitet. Über tausend ihrer Patienten erlitten in dieser Zeit einen Herzinfarkt, eine Herzschwäche oder einen Schlaganfall. Eine Analyse ergab unter anderem einen statistischen Zusammenhang zwischen krankem Zahnfleisch und der Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt. Diejenigen, die zum Viertel der Patienten mit dem kränksten Zahnfleisch gehörten, hatten ein um gut 70 Prozent erhöhtes Risiko - verglichen mit dem gesündesten Viertel.
Es ist wichtig zu beachten, dass solche Studien zunächst nur einen Zusammenhang zwischen Zahngesundheit und Herz-Kreislaufkrankheiten herstellen und noch nicht die Ursache belegen. Beide Krankheitsbilder könnten auch durch gemeinsame Risikofaktoren entstanden sein. In der oben genannten Studie hatten die Forscher die Ergebnisse allerdings statistisch bereinigt, um Einflüsse von Alter, Geschlecht, Rauchen und Bildungsstand herauszufiltern.
Zusammen mit anderen Studien, die ähnliche Ergebnisse liefern, festigt sich der Verdacht: Kranke Zähne und besonders krankes Zahnfleisch sind gefährlich fürs Herz.
Wie kann das sein?
Wie die schlechte Mundgesundheit das Herz schädigt, ist noch nicht entschlüsselt. Die Forscher haben aber zwei mögliche Erklärungen. Durch die chronische Entzündung im Mund werden - wie bei jeder Entzündung - Botenstoffe ausgeschüttet. Sie wandern durch den Körper und können empfindliche Stellen wie Gelenke und Gefäße angreifen. Der Zusammenhang von chronischen Entzündungen und Herz-Kreislaufkrankheiten ist auch für andere Erkrankungen gut belegt. So haben etwa auch Rheumapatienten ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Co.

In der zweiten Theorie spielen schädliche Mundbakterien die Hauptrolle. Sie vermehren sich auf dem kranken Zahnfleisch, können dort durch kleine Wunden eindringen und wandern durch den Körper. Es ist gut vorstellbar, dass sie am Herzen eine Entzündung der Kranzgefäße, des Muskels oder der Herzklappen auslösen. In Ablagerungen an Herzgefäßen wurden die Mundbakterien schon gefunden. Es fehlt aber noch der Nachweis, dass sie der Grund für die krankhaften Veränderungen waren und sich nicht nur zufällig dort eingelagert haben.
Wie viele Menschen sind gefährdet?
Wenn es nach den Zahnärzten geht, sollten wir mindestens zweimal täglich die Zähne putzen und zusätzlich die Zahnzwischenräume gründlich reinigen. Wie gut sich die Deutschen daran halten, geben sie in Untersuchungen und Umfragen unterschiedlich preis. In der vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie gaben sich die Befragten fast vorbildlich: 83 Prozent putzen demnach mindestens zweimal täglich die Zähne. Doch vor allem Männer sind häufiger Zahnputzmuffel. In einer anderen repräsentativen Untersuchung gab jeder vierte zu, das Zähneputzen vor allem abends immer wieder mal ausfallen zu lassen.
In einem anderen Punkt geben diese Studien allerdings Anlass zur Sorge. Die Deutschen Mundgesundheitsstudie ergab, dass 73 Prozent der Erwachsenen zwischen 35-44 eine mittelschwere oder schwere Parodontitis haben. Es ist diese Entzündung des Zahnfleisches, die im Verdacht steht Herz-Kreislauf-Krankheiten zu begünstigen. Wie viele der rund 280.000 jährlichen Herzinfarkte in Deutschland auf das Konto der Zahnfleischentzündungen geht, kann bislang niemand sicher sagen.
Nicht nur das Herz ist gefährdet
Kranke Zähne und krankes Zahnfleisch scheinen nicht nur auf Herz und Kreislauf einen schlechten Einfluss zu haben. In den letzten Jahren mehren sich die Indizien, dass auch andere Krankheiten damit zusammenzuhängen: Rheuma, Nierenversagen, Fehlgeburten und sogar Demenz. Besonders stark ist die Verbindung zum Diabetes. Dass Diabetiker häufiger an Parodontitis leiden als die Normalbevölkerung ist schon lange bekannt. Wie dieser Zusammenhang entsteht ist bis heute nicht ausreichend geklärt. Wissenschaftler vermuten ein geschwächtes Immunsystem, das oft mit einer Diabetes einhergeht. Neueste Untersuchungen zeigen, dass nicht nur der Diabetes eine Parodontitis beeinflusst, sondern die Parodontitis auch auf den Blutzuckerspiegel von Diabetikern einzuwirken scheint. Das lässt sich sogar durch so genannte Interventionsstudien belegen. Bei Diabetikern, bei denen die Parodontitis behandelt wird, sinkt der mittlere Blutzuckerspiegel.
Für all diese Krankheiten gibt es bis jetzt nur Vermutungen, wie sie durch das kranke Zahnfleisch begünstigt werden. Mit jeder neuen positiven Untersuchung erhärtet sich allerdings der Verdacht. Da ist es besser den letzten wissenschaftlichen Beweis nicht abzuwarten, sondern den inneren Schweinehund jeden Tag zu überwinden. Regelmäßiges Zähneputzen und der Gang zum Zahnarzt können vermutlich Leben retten.