Bluttest auf Down Syndrom
Mit einem neuen Test kann aus einer einfachen Blutprobe einer Schwangeren mit hoher Sicherheit bestimmt werden, ob ihr ungeborenes Kind eine Trisomie 21 hat, das Down Syndrom. Bei der Trisomie 21 liegt das Chromosom 21 dreimal vor, statt wie üblich nur zweimal. Es ist die häufigste Chromosomenstörung nach der mit verschiedenen vorgeburtlichen Tests gesucht wird. Bislang wird diese genetische Abweichung vor allem mit einer invasiven Methode diagnostiziert, mit einer Fruchtwasserpunktion. Dabei wird mit einer Nadel durch die Bauchdecke in die Gebärmutter gestochen, um einige Milliliter Fruchtwasser zu entnehmen. Im Fruchtwasser schwimmen zahlreiche Zellen des ungeborenen Kindes. Da in jeder Zelle das komplette Erbgut des Kindes vorhanden ist, lässt sich so die genetische Ausstattung des Kindes sehr genau untersuchen.
Nachteil der Fruchtwasserpunktion: Durch den Eingriff kann eine Fehlgeburt ausgelöst werden, was statistisch bei rund jedem hundertsten bis zweihundertsten Eingriff passiert. Das tatsächliche Risiko kann in den Händen eines erfahrenen Arztes allerdings deutlich niedriger sein. Der große Vorteil des neuen Tests liegt damit auf der Hand: Es gibt kein Fehlgeburtsrisiko für das Kind.
Die Schwangere Martina R. bringt es auf den Punkt: "Ja wenn der wirklich hält, was er verspricht, dann finde ich das im Vergleich zu einer Punktion natürlich vorzuziehen. Kleiner Piecks und man weiß Bescheid. Das fände ich natürlich besser als die furchterregende Nadel in den Bauch, denn das ist natürlich unangenehmer und man hat eben auch mehr Angst und mehr Risiko, und von daher wäre natürlich so ein Bluttest eine prima Sache."
Der neue Test nutzt den Umstand, dass ständig Zellen des ungeborenen Kindes über die Plazenta, den Mutterkuchen, in den Blutkreislauf der Mutter gelangen. Wenn diese Zellen früher oder später zerfallen, wird die DNA, also das Erbgut des Kindes freigesetzt und schwimmt in zahllosen DNA-Schnipseln im Blut der Mutter. Diese DNA-Schnipsel lassen sich aus einer einfachen Blutprobe der Mutter gewinnen und mittels hochmoderner gentechnischer Verfahren so vervielfältigen, dass sie genauer untersucht werden können.
Die Technik des neuen Tests ist dabei im Grunde ganz einfach: Erst werden die DNA-Schnipsel so sortiert, dass klar ist, aus welchem Chromosom sie ursprünglich stammen. Dann wird gezählt. Wenn zu viel Material aus dem Chromosom 21 auftaucht, ist ab einer gewissen Menge die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dieses Chromosom öfter als üblich vorliegt. Mit dem neuen Test können so neben der Trisomie 21 auch die wesentlich selteneren Trisomien 13 und 18 erkannt werden. Auch Abweichungen bei der Anzahl der Geschlechtschromosomen (X- und Y-Chromosomen) sind mit dieser Methode grundsätzlich nachweisbar.
Allerdings ist der Test nicht hundertprozentig sicher. So kann es in seltenen Fällen zu einem Fehlalarm kommen. Zudem gibt es seltene Varianten der Trisomien, die mit diesem Verfahren nicht zu erkennen sind. Die Diagnose wird deshalb mittels einer Fruchtwasserpunktion gesichert.
Neues Zeitalter der vorgeburtlichen Diagnostik
Von der neuen Technologie sind Experten begeistert. Prof. Sabine Rudnik-Schöneborn von Deutschen Gesellschaft für Humangenetik sagt: "Das ist erstmalig tatsächlich in der Geschichte der vorgeburtlichen Diagnostik ein neues Zeitalter. Wir blicken hier auf eine Möglichkeit, die uns ungeahnte Informationen über das ungeborene Kind geben, ohne dass wir dafür an das Kind selbst herantreten müssen. Und das ist schon eine radikale Erneuerung in der vorgeburtlichen Medizin."
Gleichwohl sieht sie den Bluttest auch kritisch, wie viele ihrer Kollegen in der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik. Der Test zielt vor allem auf die Trisomie 21, weil sich das wirtschaftlich lohnt. Der Hersteller verdient. Die schlecht bezahlte Beratung bleibt dagegen an den Ärzten hängen. Und da gibt es vor allem ein Problem: genetische Abweichungen wie das Down Syndrom kann man nicht "heilen". Prof. Klaus Zerres, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik sagt: "Sie können, wenn sie einen Pränatalbefund haben im Grunde nicht viel tun, die Frage des Schwangerschaftsabbruches steht dann zur Diskussion. Und das ist für viele, die so einen Test in Anspruch nehmen, dann im Grunde die einzige Konsequenz."
Die Firma LifeCodexx bietet den Test seit August 2012 an. Anfänglich kostete der Test über 1.200 Euro. Gut ein Jahr später liegen die Kosten inklusive der notwendigen Beratungen bei rund 1.000 Euro. Sie werden von den gesetzlichen Kassen aber nicht übernommen. Die Zielgruppe für den Test sind Schwangere, die ein erhöhtes Risiko für eine Chromosomenstörung beim Kind haben, sagt die Firma. Das sind vor allem "ältere" Schwangere, das heißt Frauen ab 35 Jahren, weil mit steigendem Alter der Mutter das Risiko für einen Trisomie 21 langsam ansteigt.
Dr. Wera Hofmann, die medizinische Direktorin der LifeCodexx AG sagt: "Bislang konzentriert sich die Firma LifeCodexx ganz gezielt wirklich nur auf risikoschwangere Frauen. Dass heißt es muss eine medizinische Indikation durch den Arzt festgestellt worden sein und nur so ist die Untersuchungsmethode auch sinnvoll."
Viele Experten bezweifeln aber, dass es dabei bleiben wird. So sagt der Humangenetiker Prof. Peter Wieacker von der Universitätsklinik Münster: "Ich bin mir allerdings fast sicher, dass dieser Kontext, in dem das jetzt von der Firma angeboten wird, sich im Laufe der Zeit ändern wird. Das läuft im Endeffekt auf eine Art Screening für das Down-Syndrom hinaus."
Keine Kinder mehr mit Down Syndrom?
Ein Screening, also die gezielte Suche nach Kindern mit Down Syndrom, bei allen Schwangeren, die das wollen. Der Humangenetiker Prof. Wolfram Henn von der Universitätsklinik des Saarlandes erwartet, dass der neue Test gewaltige Auswirkungen haben wird. Denn einmal entdeckt, werden fast alle Föten mit Trisomie 21 abgetrieben.

"Es ist bei den allermeisten Schwangeren so," sagt Prof. Henn, "dass sie diese Diagnose dann zu einem Schwangerschaftsabbruch führt. Letzten Endes heißt das also: Wenn ein Großteil der Schwangeren diese Untersuchung tatsächlich in Anspruch nimmt, werden nur noch wenige Kinder mit Down Syndrom geboren werden."
Den neuen Bluttest empfinden viele Betroffene und ihre Familien als Angriff auf das Lebensrecht von Menschen mit Down Syndrom. Geschätzt etwa 50.000 Menschen mit Down Syndrom gibt es in Deutschland. Juliana Götze ist eine von ihnen. Sie ist Schauspielerin im Berliner Theater Rambazamba. In diesem Ensemble spielen in der Kulturfabrik Prenzlauer Berg behinderte und nicht behinderte Menschen gemeinsam unter der Leitung von Gisela Höhne Theater. Sie arbeitet schon seit vielen Jahren mit Menschen mit Down Syndrom.
Die Schauspielerin Juliana Götze sagt: "Jeder ist normal ein Mensch. Und man fühlt sich auch wie ein normaler Mensch einfach."
Ihre Regisseurin Dr. Giesela Höhne vom Theater Rambazamba hat selbst einen Sohn mit Down Syndrom. Sie sagt: "Das ist für mich eine der schlimmsten Situationen, die man sich vorstellen kann. Dass gerade diese Menschen, die so freundlich und auch so offen anderen Menschen gegenüber kommen, und so witzig auch sind. Dass die gerade nicht mehr existieren sollen. Die Welt ist so viel ärmer ohne diese Menschen. Davon macht man sich noch gar kein Bild. Und ich finde das eine richtige Tragödie, ich finde es wirklich eine richtige Tragödie, dass diese Menschen, ich sage es wirklich so: ausgerottet werden sollen."
Grenzenlose Möglichkeiten der neuen Technologie
Die Aufregung über die neue Technologie ist groß, zumal die Suche nach der Trisomie 21 nur der Anfang ist. Rein technisch kann aus dem Blut der Mutter sogar schon das komplette Erbgut des Ungeborenen gewonnen werden. Bald dürfte damit eine ganze Reihe anderer genetischer Abweichungen ins Visier geraten. Was, wenn das Kind etwa das Brustkrebsgen trägt? 80 Prozent Wahrscheinlichkeit für eine Brustkrebserkrankung im späteren Leben. Schwangerschaftsabbruch? Angelina Jolie würde künftig vielleicht gar nicht mehr geboren werden. Bei vielen Auffälligkeiten im Erbgut wird zudem nicht klar sein, ob sie überhaupt konkrete Auswirkungen haben. Untersuchungen auf Krankheiten, die erst spät im Leben auftreten, wie die Huntington-Krankheit, sind bei uns an Ungeborenen verboten. Weltweit werden sie trotzdem angeboten werden.
Der Humangenetiker Prof. Wolfram Henn von der Uniklinik Homburg/Saar sagt: "Ich fürchte, dass wir als deutsche Ärzte, auch wenn wir das nicht begeistert aufnehmen, irgendwann dann auch solche Zettel auf den Tisch bekommen werden, wo es heißt: "Ich habe eine Blutprobe in die USA geschickt oder nach Island oder nach Russland oder wo das dann gemacht wird. Und jetzt heißt es: mein noch ungeborenes Kind hat ein fünffach erhöhtes Risiko für Darmkrebs und könnte etwas wahrscheinlicher Alzheimer bekommen als ein anderes Kind, dafür ist es relativ musikalisch. Jetzt bin ich völlig verzweifelt. Was soll ich mit meiner Schwangerschaft anfangen?" Das wird auf uns zukommen."
Wie viel darf eine Schwangere über die Gene Ihres Kindes wissen? Denn in der Schwangerschaft wird das Wissen über die Gene für das ungeborene Kind schnell zu einer Frage von Leben oder Tod. Der Traum vom perfekten Kind kann so schnell zum Alptraum werden.