Morgens in einem Altenheim. 40 Patienten warten auf den Ulmer Zahnarzt Dr. Elmar Ludwig und seine Assistentin. Erste Patientin an diesem Morgen ist eine alte Dame, die über eine Druckstelle an ihrer Prothese klagt. Diese kann der Zahnarzt leicht beheben, aber die Patientin hat ein viel grundsätzlicheres Problem: Seit sie an beiden Händen eine Gelenkarthrose hat, kann sie ihre Zähne und Implantate nicht mehr richtig reinigen.
Kein Einzelfall. Denn es ist längst nicht mehr so, dass die meisten älteren Menschen zahnlos sind. Heute haben viele Senioren deutlich mehr Zähne, Implantate und aufwendigen Zahnersatz als früher. Das bringt Altenpflegekräfte nicht selten an die Grenzen des Machbaren, denn laut Pflegeschlüssel müssen fünf Minuten für die Hilfe bei der täglichen Mundhygiene ausreichen.
Dr. Ludwig entfernt also für die Patientin Beläge und Zahnstein. Aber das ist keine Lösung auf Dauer. Schon bald wird wieder alles beim Alten sein, wenn bei der Patientin keine gute Mundhygiene sicher gestellt werden kann.
Schlechte Mundhygiene schafft gesundheitliche Probleme
Zahnarzt Ludwig trifft bei seinen Hausbesuchen in Altenheimen oft auf schlimme Zustände. Denn über kurz oder lang führen Zahnbeläge, die nicht entfernt werden, zu Karies und Parodontose, aber auch zu Schmerzen, Pilzinfektionen und starkem Mundgeruch. Lautes Zähneknirschen, Pressen oder das Verweigern von Nahrung können die Folge sein. Wegen der unangenehmen Geräusche und Gerüche werden Betroffene oft von ihren Mitmenschen gemieden und geraten so in die Isolation.
Außerdem ist der Mund eine wichtige Eintrittspforte für Krankheitskeime, die bei Bettlägerigen und dementen Menschen leicht in die Atemwege gelangen und dort zu einer Lungenentzündung führen können. Auch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes steigt mit der Menge an Belägen im Mund.
Fortbildungen für Pflegekräfte
Um Abhilfe zu schaffen hat Zahnarzt Ludwig mit einigen Kollegen und der Landeszahnärztekammer in Baden-Württemberg ein Fortbildungskonzept für Altenpfleger erarbeitet. Dort lernen Pflegekräfte zum Beispiel, wie sich Zahnprothesen mit komplizierten Halteelementen aus dem Mund entfernen lassen und wie man einer anderen Person am effektivsten die Zähne putzt. So konkret und praktisch ist dies bisher in keiner Altenpflegeausbildung Thema.
Dass Pfleger nach einer solchen Schulung besser für ihren Alltag gewappnet sind hat eine Studie gezeigt. Allerdings müssen die Pfleger vom Zahnarzt bei jedem Pflegebedürftigen eine einführende Beratung erhalten. Denn die Zahnsituation jedes Patienten ist genauso individuell wie die erforderliche Mundhygiene.
Hausbesuche stellen Zahnärzte vor Probleme
Die zahnärztlichen Möglichkeiten außerhalb einer Praxis sind sehr eingeschränkt. Es fehlt an Licht, an einem Behandlungsstuhl und den gewohnten Geräten. Vor allem finden alle Hausbesuche aber unter sehr eingeschränkten hygienischen Verhältnissen direkt im Zimmer der Bewohner statt. Der Zahnarzt muss deshalb gut überlegen, was er vor Ort durchführen kann und wann er lieber einen Krankentransport in eine Klinik oder seine Praxis veranlasst. Denn aus juristischer Sicht werden seine Behandlungen im Altenheim natürlich immer genauso bewertet, als wenn er sie in seiner Praxis unter standardisierten Bedingungen durchführen würde. Das heißt: er geht ein gewisses Risiko ein.