Überflüssige Chemotherapie
Ärzte versuchen seit Langem, anhand von bestimmten Merkmalen eines Tumors dessen Aggressivität zu bestimmen. Faktoren dieses "Stagings" sind unter anderem Tumorgröße, Ausmaß des Lymphknotenbefalls und Anzeichen auf Metastasen. Das Ziel ist, die Therapie an die Aggressivität des Tumors anzupassen. Doch dies gelingt bisher nur sehr grob. So gibt es kaum eine Möglichkeit, bereits im Körper verteilte Mikrometastasen zuverlässig zu entdecken. Die Folge: Viele Patientinnen bekommen eine Chemotherapie rein zur Sicherheit empfohlen. Sie soll Metastasen abtöten, die möglicherweise in anderen Organen unerkannt schlummern.
Doch wie viele Frauen profitieren von der präventiven Chemotherapie - einer Behandlung, die Haare ausfallen lässt, Schleimhäute reizt, unerträgliche Übelkeit verursacht und im Verdacht steht, sogar wiederum Krebs auslösen zu können? Neuere Studiendaten sind ernüchternd: Rund 70 Prozent aller Chemos sind demnach überflüssig. Weil die Frauen keinen Vorteil davon haben. Denn ihr Tumor hat überhaupt keine Metastasen gestreut.
Chemo erst nach Gentest
Eine sehr viel exaktere Bestimmung der Tumoraggressivität versprechen sich Forscher von der Entschlüsselung der Tumorgene. Seit etwa zehn Jahren werden spezielle Gentests für Brustkrebs entwickelt. Erste Erfolge sind jetzt sichtbar: Einige Tests sind mittlerweile auf den Markt gekommen, die eine Art genetischen Fingerabdruck des Tumors herstellen. Diese Tests heißen zum Beispiel OncotypeDX vom Hersteller Genomic Health oder Mammaprint von Agendia. Im Rahmen großer Studien, in die jeweils eine Reihe von Kliniken eingebunden sind, werden mehrere dieser Gentests jetzt eingesetzt - auch im Bethesda-Krankenhaus Mönchengladbach. Frauen, die an der Studie teilnehmen, bekommen teilweise die Kosten von ihren Krankenkassen erstattet. Diese betragen insgesamt rund 3.000 Euro pro Test.
Erste Ergebnisse zeigen: Die Verfahren scheinen verlässlich zu zeigen, ob Metastasen wahrscheinlich sind und damit ein niedriges oder hohes Rückfallrisiko besteht. Und nur Patientinnen, die eindeutig als Risikopatientinnen identifiziert werden, bekommen nun von den Ärzten die Empfehlung zu einer Chemotherapie. Wenn sich nach Auswertung der aktuell laufenden Studien die Gentests insgesamt als zuverlässig erweisen, könnten Zehntausenden von Frauen mit niedrigem Risiko in Zukunft eine belastende Chemo erspart bleiben. Dann werden wohl auch die Krankenkassen flächendeckend die Kosten für die neuen Gentests übernehmen.