Tina und Markus W. träumen von einem eigenen Kind. Vor fünf Jahren haben sie geheiratet. Bald war klar, dass für sie nur künstliche Befruchtung infrage kommt. Ziemlich schnell fand das Paar eine geeignete Klinik. Zunächst schien alles sehr einfach. Doch heute haben sie das Gefühl, dass sie in vielerlei Hinsicht geblendet wurden: "Diese Hochglanz-Veranstaltung einerseits und die Realität in der medizinischen Behandlung andererseits - das ist für mich im Nachhinein der krasseste Gegensatz", sagt Markus W..
Kinderwunsch-Kliniken versprechen viel
Voller Zuversicht verließen sie die Informationsveranstaltungen der ersten Kinderwunschklinik, von der sie nur Gutes gehört hatten: "Derjenige, der damals den Vortrag gehalten hat, machte einen sehr netten, sympathischen Eindruck. Alles wirkte sehr kompetent: neueste Technik, spezialisierte Klinik - das hat uns überzeugt", sagt Tina W..
Zudem waren sie erst Anfang 30 und fühlten sich sehr gesund, so dass sie sich durch die Statistiken, die ihnen vorgestellt wurden, voller Zuversicht waren: "Sie versprechen einem eine 40-prozentige Schwangerschaftsrate, wenn man unter 35 ist. In meiner Erinnerung steigen die Kurven auch an, so dass wir dachten, wenn‘s beim ersten Versuch nicht klappt, klappt’s spätestens beim zweiten oder dritten Mal", erklärt Markus W..
Präsentierte Erfolgszahlen trügen
Dass diese Rechnung nicht aufgeht, weiß Prof. Thomas Strowitzki von der Uniklinik Heidelberg: "Für das eine Paar ist es immer ein Ja oder Nein. Entweder es klappt, oder es klappt nicht. 30 Prozent schwanger wird kein Mensch", verdeutlicht der Kinderwunsch-Experte. Deswegen sind Prozentzahlen und Schwangerschaftsraten für die Kommunikation mit Patienten in seinen Augen ungeeignet.
Hinzu kommt, dass alle Zentren unterschiedliche Zahlen nennen, und diese meist ein bisschen besser klingen als die offiziellen Durchschnittszahlen vom Deutschen In-Vitro-Fertilisations-Register (DIR). 47.000 Paare versuchten laut DIR 2010 der Natur auf die Sprünge zu helfen. Die Erfolgsraten für eine Schwangerschaft lagen bei 30 Prozent. Wirklich ein Baby bekamen aber nur 20 Prozent, unter anderem wegen Fehlgeburten.
Anbieter verdienen gut an Kinderwunsch-Behandlungen
So einfach, wie manche Kinderwunsch-Kliniken es darstellen, ist der Weg zum eigenen Kind nicht. Fakt ist: Fortpflanzungsmedizin ist lukrativ für die Anbieter. Ein Versuch kostet zwischen 3.500 und 8.000 Euro. Die Paare sind in einer Notlage. Kinderwunsch-Experte Strowitzki rät deshalb, genau auf die Motive des aufklärenden Arztes zu achten, denn: "Mediziner können immer aufgrund ihres Wissensvorsprungs Situationen von Patienten ausnutzen."
Fehlgeschlagene Versuche: Paare werden oft allein gelassen
Künstliche Befruchtungen sind vor allem für die Frauen seelisch und körperlich enorm belastend. Deshalb braucht jedes Paar eine sehr individuelle Beratung. Bei Tina und Markus W. Fehlanzeige - zum Beispiel als die Dosis der Hormone erhöht wurde: "Im Nachhinein wissen wir, dass die hohe Dosis an Medikamenten, die meine Frau gebraucht hat, eigentlich schon ein schlechtes Zeichen war. Aber daraus die unangenehme Nachricht zu formulieren, dass unsere Aussichten auf diese Weise schlechter sind, das ist vollkommen ausgeblieben", sagt Markus W..
Seine Frau fügt hinzu: "Das Allerschlimmste war der Anruf in der Klinik, um nachzufragen, ob der Versuch zu einem positivem Ergebnis geführt. Man wünscht sich so sehr, dass es geklappt hat, kriegt dann aber nur eine kurze Aussage, dass es nicht funktioniert hat und dass man sämtliche Medikamente runterfahren muss. Das war’s. Kein freundliches Wort, kein Bedauern. Nichts. Wir brauchten immer einige Tage, um uns von diesen Anrufen zu erholen."
Psychologische Betreuung an der Uniklinik Heidelberg
Leider verhalten sich manche Kinderwunsch-Kliniken alles andere als sensibel, wenn es um das Überbringen von Negativbotschaften und die psychologische Betreuung der Paare geht. Die Uniklinik Heidelberg geht einen anderen Weg. Bleiben die Versuche erfolglos, werden hier Psychologen eingebunden: "Plan B gehört zu der grundlegenden Aufklärung des Paares.
Plan B heißt: Was machen wir denn, wenn‘s nicht klappt", sagt Strowitzki. "Wir machen zum Beispiel gemeinsame Forschungsarbeit mit dem Institut für Medizinische Psychologie. Und die Psychologen sehen das ganz eindeutig: Plan B gehört früh in die Gespräche der laufenden Behandlung hinein." Bei Tina und Markus W. wurde kein Plan B mit den Ärzten besprochen. Auch nach fünf Versuchen hat es mit dem Wunschkind nicht geklappt. Aber: Sie sind auch ohne Nachwuchs ein fröhliches Paar geworden.