Die Studie über die Omega-3-Fettsäuren
Omega-3-Fettsäuren genießen einen guten Ruf. Sie sind vor allem in Fisch und Pflanzenölen enthalten. Doch eine neue Studie aus dem Mai 2014 kratzt am Image der "gesunden Fette". Der Hype um die mehrfach gesättigten Fettsäuren geht zurück auf eine Studie aus den 1970er Jahren.
Die dänischen Chemiker Jorn Dyerberg und Hans Olaf Bang kamen damals zum Ergebnis, dass Eskimos signifikant seltener an Herzkrankheiten und Schlaganfällen leiden und überdurchschnittlich alt werden. Dyerberg und Bang führten das auf die Fisch- und somit auch Omega-3-haltigen Ernährung der Eskimos zurück.
Der Eskimo-Mythos
Doch Kanadische Forscher um George Fodor vom University of Ottawa Heart Institut kamen im Mai 2014 zum gegenteiligen Ergebnis. Sie belegen, dass die Datengrundlage der dänischen Forscher unzureichend war. Sie hatten sich nämlich auf Angaben des "Chief Medical Officers" von Grönland verlassen, der die Statistik zu Todesfällen durch Herzkreislaufleiden bekannt gab. Doch vor über vierzig Jahren lebten mehr als 30 Prozent der grönländischen Bevölkerung in schlecht erschlossenen Gebieten. Dort gab es keine Ärzte, die Totenscheine wurden nicht mit exakten Diagnosen ausgefüllt.
Warnung vor zu viel Omega-3-Nahrungsergänzungsmitteln
Mit den neuen Erkenntnissen rücken vor allem Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel in die Kritik. In einer Stellungnahme zu Omega-3-Produkten warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung im Oktober 2013 explizit vor den Risiken einer Überdosierung. Sie könne
- den Cholesterinspiegel erhöhen.
- zu einer gesteigerten Blutungsneigung führen und
- bei besonders Jungen oder Alten Menschen die Immunabwehr schwächen.
Empfehlenswert seien 200 bis 500 Milligramm langkettige Omega-3-Fettsäuren pro Tag. 100 Gramm Lachs enthalten schon drei Gramm Omega-3-Fettsäuren - mehr als das 5fache der empfohlen Tagesdosis. Die gängigen Nahrungsergänzungsprodukte oft noch mehr. Also zu viel!
Sind F-Säuren die eigentlichen Wohltäter?
Im Rahmen der aktuellen Forschung zu Omega-3 rückte auch ein anderer Fischbestandteil ins Augenmerk der Forscher: F-Säuren (Furanfettsäuren). Heute sieht es so aus, dass F-Säuren für viele der angeblich positiven Effekte verantwortlich sind, die bisher den Omega-3-Fetten zugeschrieben wurden.
Lange hat man die Bedeutung der Furanfettsäuren unterschätzt, denn sie kommen nur in geringen Spuren in Meerestieren vor. F-Säuren finden sich im Leberfett von Fischen. Makrele, Lachs oder Thunfisch bilden die Stoffe nicht selbst, sondern nehmen sie über ihre Nahrung auf. Besonders reich kommen sie in Meeresalgen vor.
Genau deshalb enthalten aber gerade Lachse aus Zuchtfarmen keine der gesunden F-Säuren. Denn Zuchtlachse werden in der Regel mit Fischmehl und Fischöl gefüttert. Das sorgt zwar für viel Omega-3-Fettsäuren, die gesunden F-Säuren sind aber nicht in Zuchtlachsen enthalten.
Wie der Mythos vom gesunden Fisch entstand
Die Auffassung, dass Fisch besonders gesund sei, geht zurück auf die 1960er Jahre. Das hatte damals nichts mit Omega-3-Fettsäuren zu tun. Im Mittelpunkt stand vielmehr das Eiweiß. Fisch galt hier als die bekömmlichere und gesündere Alternative zum Fleisch. Das hatte auch mit dem Zeitgeist zu tun: Nach Wiederaufbau und wirtschaftlichen Aufschwung folgte die große Fresswelle. Mit ihr einhergehend: die neue Volkskrankheit Übergewicht. Wurst und Fleisch gerieten unter Verdacht - zu viel Fett und zu viele Kalorien.
Fisch dagegen jetzt als "leichter Eiweißlieferant" und wird als Schonkost serviert. Tatsächlich enthält Fisch weniger Bindegewebe als durchwachsenes Fleisch. Deshalb ist Fisch deutlich leichter verdaulich. So stieg die Nachfrage nach Fisch Ende der 1960er Jahre in Deutschland stark an. Doch Eier, Molke und mageres Fleisch liefern genau so gut bekömmliches Eiweiß - auch wenn Fisch das weiter für sich reklamiert.
Selen, Phosphor und Jod
Das Jod war lange ebenfalls ein wichtiges Argument für den Fisch: Viele Böden in Deutschland sind sehr jodarm, Gemüse und Obst aus diesen Regionen folglich ebenfalls. Durch die jodarme Mangelernährung wucherte die Schilddrüse. Fast zehn Prozent aller Deutschen litten zum Anfang der 1950er Jahre unter einem Kropf. Deshalb galt lange: Mindestens einmal pro Woche Fisch essen!
Aber: Es sind ohnehin nur Seefische, die Jod in nennenswertem Maße enthalten. Mit Zander und Forelle ist nichts gewonnen. Und: Der Jodmangel ist heute kein Thema mehr: Jodiertes Speisesalz fehlt in fast keinem Haushalt und deckt den Jodbedarf flächendeckend. Der Kropf ist fast ausgestorben. Nur um des Jods Willen ist eine fischreiche Ernährung also nicht mehr nötig.
Und auch nicht wegen Selen und Phosphor - zwei weiteren Inhaltsstoffen aus dem Fisch: Beide gibt es auch in Gemüse.
Vitamine A und D
In Fisch stecken jede Menge Vitamine - vor allem auch die Vitamine A und D, die nicht im Obst oder Gemüse enthalten sind. Die Faustregel: je fetter der Fisch desto mehr Vitamin D enthält er. Vitamin D macht die Knochen stark und ist besonders für Kinder im Wachstum und alte Menschen essentieller Bestandteil der Ernährung. Für Neugeborene ist die Zufuhr an Vitamin D so wichtig, dass sie das gesamte erste Lebensjahr Vitamin D Tabletten zu sich nehmen sollen. Denn im Falle eines Mangels können sich die Knochen unschön verformen - die Rachitis. Durch die gestörte Mineralisation im Wachstum wächst der Knochen nicht wie gewollt, sondern krumm und schief.
Früher wurde vorbeugend Lebertran gereicht und eine fischreiche Ernährung empfohlen. Doch wesentlich häufiger als auf Fisch setzte man schon immer auf Sonnenlicht. Denn das meiste Vitamin D produziert die Haut selbst - fast 80 Prozent des Bedarfs bezieht der Körper aus Sonnenlicht. Und der Körper kann das über die Sonne generierte Vitamin D sogar für kalte, sonnenarme Wintertage einspeichern. Und auch zum Fisch gibt’s Alternativen. Butter oder Milch haben fast genau so viel Vitamin D wie die Meerestiere.
Keine Frage, Fisch ist lecker und auch gesund - man kann aber auch problemlos auf ihn verzichten und trotzdem ein gesundes Leben führen.