Der Kooperationsvertrag
Seit 2014 gibt es das Modell des Kooperationsvertrags in Deutschland, in dem sich Pflegeheim und Zahnarztpraxis auf freiwilliger Basis gegenseitig zu einer klaren Aufteilung von Rechten und Pflichten bekennen. In dem Vertrag wird zum Beispiel festgelegt, wie oft der Zahnarzt im Jahr Kontrollen bei den Bewohnern durchführt und wann er neue Bewohner spätestens untersuchen muss. Er verpflichtet sich darüber hinaus, das Pflegepersonal regelmäßig am Bewohner zu schulen und auch außerplanmäßig für dringende Untersuchungen ins Haus zu kommen. Das Pflegeteam muss dagegen für den Zahnarzt feste Ansprechpartner bereitstellen, ihn über alle wichtigen Veränderungen auf dem Laufenden halten und ihn bei seiner Arbeit unterstützen. Ganz wesentlich ist natürlich, dass die Pfleger die Anweisungen zur Zahnpflege bei den Bewohnern umsetzen.
Vorsorge statt Nachsorge
Das Besondere an dem neuen Versorgungskonzept ist, dass es präventiv ausgerichtet ist. Krankheiten an den Zähnen, dem Zahnfleisch und den Mundschleimhäuten sollen möglichst durch eine optimale Mundhygiene vermieden werden. Deshalb wird für jeden Bewohner ein individueller Mundhygieneplan besprochen. Dabei ist entscheidend, wie stark der Bewohner selbst noch mit in die Pflege seiner eigenen Zähne eingebunden werden kann. Hier hilft den Pflegern die sogenannte Pflegeampel. Wer darauf vom Zahnarzt gelb eingestuft wird, kann noch teilweise bei der Mundhygiene mithelfen. Wer ein "Rot" bekommt, bei dem müssen die Pfleger komplett übernehmen. Die Pflegeampel mit den wichtigsten Hinweisen zu Pflege wird dann direkt neben dem Waschbecken befestigt. Neu ist ebenfalls, dass der Gesetzgeber für Zahnärzte neue Abrechnungspositionen geschaffen hat, die eine solche präventive Arbeit entlohnen.

Nicht jeder will das
Viele Pfleger berichten leider, dass nicht alle Senioren bereit sind, sich von anderen Menschen die Zähne reinigen zu lassen. Mit zunehmender Demenz verschlimmert sich diese Einstellung meist sogar. Gerade deshalb ist eine regelmäßige Schulung der Pfleger sehr wichtig, damit sie sehr sicher bei ihren Zahnpflegemaßnahmen sind. Elmar Ludwig, der seit vielen Jahren in die Altenheime geht, berichtet davon, dass man die allermeisten Menschen mit kleinen Tricks zur Kooperation bewegen kann. Auch deshalb müssen die Pfleger fortgebildet werden.

Ende 2016 gab es 3.000 Kooperationen in Deutschland. Das entspricht ganz grob einer 25prozentigen Abdeckung der Pflegeheime in Deutschland. Was wiederum nicht bedeutet, dass Pflegeheime ohne Kooperation keine zahnmedizinische Betreuung erfahren. Viele Zahnärzte sind hier seit vielen Jahren sehr engagiert. Manchmal sogar unentgeltlich. Aber diese Leistungen können statistisch sehr schwer erfasst werden, weil ohne vertragliche Rahmenvereinbarung keine Transparenz über die Art und Weise und den Umfang der Versorgung gegeben ist.
Der Kooperationsvertrag wird unter die Lupe genommen
Obwohl die Zahlen der Heime mit Kooperationsvertrag stetig zunehmen, stellt sich die Frage, warum viele Heime bislang zurückhaltend sind. Auch aus diesem Grund ist es sehr interessant, dass das Modell "Kooperationsvertrag" zurzeit in einer Studie in Baden Württemberg untersucht wird: Kann sich die zahnmedizinische Versorgung pflegebedürftiger Menschen mit diesem Instrument wirklich verbessern? Wie reagieren Pfleger und Zahnärzte? Welche Erfahrungen haben sie gemacht? Auf Initiative der Zahnärzteschaft in Baden-Württemberg wurde der Soziologe Frank Oberzaucher von der Universität Konstanz in Zusammenarbeit mit der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe beauftragt, im Rahmen der Versorgungsforschung diesen und weiteren Fragestellungen nachzugehen.
Voraussichtlich werden die Ergebnisse der Studie im April 2017 auf der Internetseite der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg veröffentlicht. Herr Oberzaucher ließ aber schon vorab durchblicken, dass das Modell "Kooperationsvertrag" bei den Beteiligten der Studie mehrheitlich sehr positiv bewertet wurde. Außerdem zeichnete sich ab, dass vor allem an der Qualifikation der Pfleger zukünftig nachgebessert werden müsse, damit sie in der Lage sind, bei stark Pflegebedürftigen eine gute Mundhygiene aufrecht zu erhalten. Wünschenswert wäre deshalb, so Oberzaucher, diesen Bereich in der Pflegeausbildung stärker zu verankern, aber gleichzeitig auch für ein stärkeres zahnmedizinisches Engagement der Pflegeheime finanzielle Anreize zu setzen.