Faszination Mond

Mythos Mond – was ist dran?

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Cora Richter für SWR Odysso. Online: Rebecca Müller-Hocke

Viele Menschen sind überzeugt, dass der Mond unsere Gesundheit, Schlaf und das Pflanzenwachstum beeinflusst. Doch ist das auch wissenschaftlich belegt?

Kein anderer Himmelskörper bekommt so viel Aufmerksamkeit und über keinen anderen gibt es so viele Mythen. Schon seit vielen Jahrtausenden schaut der Mensch mit Ehrfurcht und Bewunderung zum Mond. Er ist eine feste Konstante am nächtlichen Himmel. Unser Erdtrabant bewegt riesige Weltmeere und bestimmt die Gezeiten. Kann der Mond also auch in unserem Körper Gezeiten auslösen? Schließlich bestehen wir bis zu 70 Prozent aus Wasser.

Den Alltag an den Mondphasen ausrichten

Viele Menschen richten ihr Leben nach den Mondphasen aus: Anhand von Mondkalendern werden der nächste Frisör- oder OP-Termin festgelegt, eine Diät begonnen oder Bäume beschnitten. Die Mondratgeber empfehlen, alles das, was mehr werden soll, bei zunehmendem Mond zu tun, und alles das, was weniger werden soll, bei abnehmendem Mond.

Auch Promis wie Madonna schwören auf die „Mond(phasen)-Diät“: Bei Vollmond setzen kleine Sünden angeblich besonders schnell an. Bei zunehmendem Mond werde der Körper besonders rasch Kalorien in Fett umwandeln. Fasten soll man bei Vollmond, und bei abnehmendem Mond könne man dann auch mal wieder naschen. Wissenschaftlich belegt ist das bislang nicht.

Phasen des Mondes (Foto: Getty Images, Thinkstock -)
Je nach Phase wird dem Mond eine unterschiedliche Wirkung zugesprochen

Der Schlaf und der Vollmond

Für Wissenschaftler wie Dr. Edgar Wunder von der Universität Heidelberg und der Ruhr-Universität Bochum werden Mondratgeber nicht kritisch genug hinterfragt. Seit mehr als zwanzig Jahren forscht der Soziologe und Geograph über den Einfluss des Mondes auf den Menschen. Er hält alles für möglich, solange es faktische Evidenz dafür gibt. Und das ist kompliziert.

Schlafforscher der Universität Basel etwa untersuchten den Schlaf ihrer Patienten bei Vollmond. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass der Schlaf tatsächlich beeinträchtigt wird: In Vollmondnächten schliefen die 33 Probanden fünf Minuten später ein, erwachten zwanzig Minuten früher, und ihre Tiefschlafphasen waren um ein Drittel verkürzt. Zurückzuführen sei dies unter anderem auf einen sinkenden Melatonin-Spiegel.

Dem Neurowissenschaftler Dr. Martin Dresler vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie München fiel bei der Schweizer Studie auf, dass die Patienten, die an Vollmond schlechter schliefen, alle in fortgeschrittenem Alter waren. Und ältere Menschen schlafen generell schlechter. Also muss am schlechten Schlaf nicht unbedingt der Vollmond schuld gewesen sein. Bei späteren Studien in Deutschland, Dänemark und Kanada konnte allerdings kein Zusammenhang zwischen Mond und Schlafstörungen festgemacht werden.

Der Glaube an den Mond raubt den Schlaf

Das Problem der Schlafforschung ist: Die Probanden müssten 60 bis 90 Tage im Schlaflabor verbringen, um mehrmals verschiedene Mondphasen zu durchlaufen. Auch der Regensburger Schlafforscher Prof. Jürgen Zulley ist davon überzeugt, dass die Mondphasen keinen Einfluss auf die Schlafqualität haben. Bekannt ist, dass Helligkeit ein Störfaktor für den Schlaf ist. „Aber erst 2.500 Lux stören einen Menschen beim Schlaf.“ Bei Vollmond wurde nur eine Helligkeit von 0,2 Lux gemessen.

Warum glauben dann so viele Leute, dass sie bei Vollmond schlechter schlafen? Nach Ansicht von Dr. Edgar Wunder ist eine ‚selbsterfüllende Prophezeiung‘: Wer davon überzeugt ist, bei Vollmond schlechter zu schlafen, der wird auch eher unter Schlafstörungen leiden.

Operieren an Vollmondtagen?

Patienten, die an den Mondkalender glauben, wollen sich nur bei abnehmendem Mond operieren lassen, weil er die Heilung begünstigen soll. Bei Operationen an Vollmondtagen dagegen kommt es angeblich öfter zu Heilungsstörungen, verstärkten Blutungen, und das Komplikationsrisiko sei höher. Rund dreißig empirische Studien haben den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung geprüft: Bislang konnte noch kein statistisch relevanter Zusammenhang zwischen dem Operationsrisiko und der Mondphase hergestellt werden.

Baby-Boom bei Vollmond?

Überliefert ist auch der Aberglaube, bei Vollmond kämen mehr Kinder zur Welt. Diese Behauptung stützten lange Zeit auch Krankenschwestern mit ihren Berichten. Die Recherchen des Soziologen Dr. Edgar Wunder widerlegen jedoch diese Vorstellung. Nach den erhobenen Zahlen kommt es vollkommen unabhängig von der Mondphase zu einer Geburt.

Wirkt der Mond auf unsere Pflanzen?

Die hessische Bäuerin Maria Thun gilt als Pionierin im Pflanzenanbau mit kosmischen Kräften. Ihr ging es neben den Mondphasen auch um den Stand des Mondes im Tierkreis. Der Agrarwissenschaftler Dr. Hartmut Spieß vom Institut für biologisch-dynamische Forschung bei Bad Vilbel ist ein Vertreter der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Bei seinen Forschungen fand er heraus, dass man Möhren am besten ein bis drei Tage vor Vollmond sät – das bringe 14 Prozent mehr Ernte. Und Kartoffeln könnten besonders wachsen, wenn sie vor Neumond gepflanzt würden.

Allerdings gibt es auf das Pflanzenwachstum vielfältige Einflussfaktoren, wie etwa Witterung, Licht und Bodenqualität. Eine systematische Kontrolle eines möglichen Mondeinflusses auf Pflanzen ist deshalb schwierig. Nach den Beobachtungen von Dr. Edgar Wunder überlagern sich die verschiedenen Rhythmen der Natur manchmal, weshalb man Effekte fälschlicherweise dem Mond zuschreibt, die in Wirklichkeit an der Witterung liegen.

Ein ‚menschlicher‘ Effekt könnte zudem das Pflanzenwachstum beeinflussen: So kümmern sich Menschen, die „mondgärtnern“, meist intensiver um ihre Pflanzen, düngen und gießen sie häufiger. Ihr Ernteerfolg könnte also auch eine selbsterfüllende Prophezeiung sein.

Hat „Mondholz“ eine bessere Qualität?

Von dieser alten Weisheit aus dem Alpenraum sind auch heute noch viele überzeugt: bei abnehmendem Mond - am besten kurz vor Neumond - geschlagenes Holz sei haltbarer, reißt und fault nicht. Manche Forstleute und Schreiner schwören darauf. Denn der abnehmende Mond zieht angeblich Wasser aus den Stämmen. Daher soll „Mondholz“ härter sein und sich weniger verziehen. Aber auch der Einfluss des Mondes auf den Wassergehalt der Bäume ist wissenschaftlich nicht bewiesen. Allerdings ist es sinnvoll, Bäume im Winter zu fällen, denn dann befindet sich generell weniger Wasser im Stamm, die Bäume sind in der sogenannten „Saftruhe“.

Mond zwischen Ästen eines Baumes (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de - Charn W.)
Geschlagene Bäume in einer Vollmondnacht sollen besonderes Holz liefern

Mystische Mondprodukte - ein Marketing-Gag?

Es gibt inzwischen eine Unzahl an Erzeugnissen, die extra in Vollmondnächten hergestellt werden: Mondwasser, Vollmondbier, Mondwein, Vollmondsalami – die Produktauswahl für „Mondgläubige“ ist immens. In der Vollmondnacht geerntete Trauben sollen dank der mythischen Mondkräfte aromatischer sein. Davon sind auch einige Winzer überzeugt und gehen extra in diesen Nächten zur Weinlese. Alle Vollmondprodukte sollen intensiver schmecken. Für den Soziologen Dr. Wunder ist das eine Frage des subjektiven Geschmacks. Zudem brauche man heute Alleinstellungsmerkmale, um unter der Vielzahl von Produkten aufzufallen, ist Wunder überzeugt.

Mondregeln geben Halt und Orientierung

Der Glaube an Mondregeln und Mondmythen kann für uns Menschen dennoch nützlich sein: Sie können dem Leben Sinn geben und es strukturieren. Oft liegt es nur an der selektiven Wahrnehmung. Kommen zum Beispiel in einer Vollmondnacht besonders viele Babys zur Welt, verbinden Beobachter das mit dem hellen Vollmond. In jeder anderen Nacht fehlt ein solcher Bezug. Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Forschung erklären wir uns Eindrücke im Alltag anhand besonderer Ereignisse – ohne einen Vergleich anzustrengen.

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Cora Richter für SWR Odysso. Online: Rebecca Müller-Hocke