Knappe Überholmanöver, zugeparkte Radwege, Fahrstreifen, die im Nichts enden - Radfahrer in Deutschland haben es schwer. Die SWR-Aktion #besser Radfahren und die Hochschule Karlsruhe gehen dem nach.
Mit nicht mal einem Meter Abstand und geschätzt 100 Kilometer pro Stunde wird der Radfahrer auf einer Landstraße überholt – kein Einzelfall. Sogar mit Scheibenwischerflüssigkeit wurde er schon bespritzt. Dieses Problem haben viele Radfahrende. In den sozialen Netzwerken berichten sie vom Kampf auf der Straße. Knappe Überholmanöver, zugeparkte Radwege, sogar Beleidigungen scheinen Alltag der Fahrradfahrenden zu sein.
Martin Mücke – persönliche Geschichte
Martin Mücke ist Radfahrer und hat solche Anfeindungen schon erlebt. Er pendelt seit zehn Jahren täglich vierzig Kilometer mit dem Rad zur Arbeit und wieder zurück. Eigentlich ein gutes Gefühl, erzählt er, wenn da nicht dieser 700 Meter lange Streckenabschnitt wäre. Man müsse bereit sein, dass etwas passiert. Er kriege wirklich Angst bei diesem sehr engen Streckenabschnitt, vor allem wenn LKWs sehr dicht überholen, erklärt Martin Mücke. Drei Jahre lang habe er die Stadt angeschrieben und Probleme geschildert. Es werde aber nur darauf hingewiesen, dass alles in Ordnung sei und nichts geändert werden müsse.
Man fühlt sich sehr ausgeliefert, hilflos, man weiß nicht was man machen soll.

Die Hochschule Karlsruhe will die Situation der Radfahrenden verändern
Wissenschaftler der Hochschule Karlsruhe arbeiten daran, dass sich etwas an der Lage der Fahrradfahrenden ändert. Der Verkehrsökologe Professor Jochen Eckart kennt Fälle wie die von Martin Mücke zuhauf. Eckart und sein Team werten in einem Forschungsvorhaben etliche Meldungen von SWR-Zuschauern und Hörern aus. Sie werden sich anschauen, welche Art von Meldungen häufig kommen, um die Vielfalt abzubilden. Es sind Unfallschwerpunkte wie diese: Radwege, die im Nichts enden, extrem gefährliches Linksabbiegen mit dem Fahrrad, Radwege die zu schmal sind.

Teil der Forschung ist auch, dass sich Jochen Eckart Brennpunkte direkt vor Ort anschaut. Zwei SWR-Zuschauer haben sich gemeldet, eine sogenannte Dooring-Zone – Radfahrer und Fußgänger müssen sich hier den Gehweg teilen. Prof. Eckart hat nachgemessen: Der Radweg ist mit zwei Metern viel zu schmal. Er sagt, dass die Wegbreite vor 20 Jahren noch in Ordnung gewesen wäre. Heute seien die Autos aber breiter und würden auch teilweise auf dem Weg parken.
Sensorbikes – Die Situation der Radfahrenden im Straßenverkehr wird abgebildet
Sensorbikes sind ausgestattet mit Messgeräten, mit einer Technik wie Leistungsmesser, Vitalsensoren, Beschleunigungs- und Erschütterungssensor, Klimamesser, Abstandsmesser und auch Kameras. Kameras filmen den Abstand zu überholenden Fahrzeugen. Eckart erklärt, dass damit drei Radfahrende eine Woche lang in ihrem täglichen Leben begleitet werden. Man wolle damit die alltäglichen Wege mit dem Fahrrad aufzeichnen.
Es werden nun alle ihre Fahrradbewegungen erfasst, sei es ein plötzliches Bremsen, Konflikte oder Beinaheunfälle. Die gesammelten Daten werden dann mit Daten aus anderen, größeren Studien verglichen – um das, was einzelne Radfahrende erleben, in ein größeres Gesamtbild einzuordnen. Eckart vermutet, dass Konflikte durch überholende Fahrzeuge oder Konflikte zwischen Radfahrenden und Fußgängern häufig sein werden. Konflikte, die beinahe zu einem Unfall geführt hätten, seien selten, da so häufig doch keine Unfälle passieren.
Martin Mücke ist nun seit Januar mit einem abstandsmessenden Sensor unterwegs. Ein offenes Projekt, entwickelt vom Team des sogenannten Openbikesensor. 90 Sensoren sind schon unterwegs in Deutschland.
Bei Martin Mücke war bei 40 Überholvorgängen anderer Verkehrsteilnehmer bisher nur ein einziger legal.
