Reproduktionsmedizin

Kind um jeden Preis?

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Odysso
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Martina Frietsch

Stellt sich der Nachwuchs auf natürlichem Weg nicht ein, können Ärzte künstlich nachhelfen. Doch nicht alles, was medizinisch möglich ist, ist in Deutschland auch erlaubt.

Der komplizierte Weg zum Kind

Es passiert rund 700.000 Mal jedes Jahr in Deutschland: Ein Kind kommt zur Welt, gezeugt auf natürlichem Weg. Doch was, wenn es einfach nicht klappen will? Für viele Paare erfüllt sich der Kinderwunsch nicht. Zwar stehen heute etliche medizinische Verfahren zur Verfügung, um doch ein Kind zu zeugen. Doch die betroffenen Paare haben oft einen langen Leidensweg vor sich. Und manchmal helfen nur Geld und der Weg ins Ausland: In vielen europäischen Ländern ist erlaubt, was in Deutschland das Embryonenschutzgesetz untersagt.

Retortenbaby Louise – die Sensation

Die Geburt von Louise Brown in Großbritannien markierte 1978 den weltweiten Beginn der Reproduktionsmedizin. Ihrer Mutter war eine Eizelle eingepflanzt worden, die außerhalb des Körpers in einem Laborgefäß befruchtet worden war. Damit erfüllte sich für die Browns der lang gehegte Kinderwunsch. Die Geburt von Louise war eine Sensation. Die Geburt ihrer Schwester, ebenfalls ein „Retortenbaby“, war wenige Jahre später schon kein Grund mehr für Schlagzeilen.

Der Genetiker Robert Edwards bekam 2010 für seine Erfindung der In-Vitro-Fertilisation (IVF) den Nobelpreis für Medizin. Seit Louise Browns Geburt kamen weltweit mehr als acht Millionen sogenannte „Retortenbabys“ zur Welt. Allein rund 20.000 Babys sind es jedes Jahr in Deutschland.

Problemlos: die Samenspende

Dafür, Samen aus einer Samenbank zu beziehen, gibt es viele Gründe: Der Partner ist unfruchtbar; ein lesbisches Pärchen wünscht sich Nachwuchs; eine alleinstehende Frau möchte ein Kind, aber ohne Partner. Alles kein Problem: In Deutschland ist die Samenspende erlaubt.

Die Samenzellen des Spenders werden kurz vor dem Eisprung direkt in die Gebärmutter übertragen. Die Insemination mittels Katheter übernimmt meist ein Arzt, ist aber grundsätzlich auch zu Hause möglich.

In Deutschland verboten: die Eizellspende

Frauen, die Eizellen einer anderen Frau benötigen, um schwanger zu werden, stehen in Deutschland vor einem Problem: Im Gegensatz zur Samenspende ist die Eizellspende verboten. In vielen anderen Ländern, auch europäischen, ist dies nicht der Fall. Wer eine Eizellspende erhalten darf und ob dies anonym passiert oder nicht, regelt jedes Land für sich. Viele Frauen aus Deutschland weichen daher auf Länder wie beispielsweise Österreich, Spanien, Portugal oder Dänemark aus. Die Kosten müssen komplett privat getragen werden.

Bei der Eizellspende werden der Spenderin unter Narkose Eizellen entnommen. In diese wird dann mittels Pipette der Samen injiziert. Nach fünf Tagen können Embryos, die sich bis dahin gut entwickelt haben, der angehenden Mutter eingesetzt oder aber für später eingefroren werden.

Auf Eis gelegt

Die Eizellspende ist in Deutschland zwar untersagt, nicht jedoch das Einfrieren eigener Eizellen. Ursprünglich war dieses Verfahren, die Kryokonservierung, für Frauen gedacht, die zum Beispiel wegen einer Chemotherapie damit rechnen mussten, nach der Behandlung nicht mehr fruchtbar zu sein. Ebenso ist es übrigens für Männer möglich, Spermien einfrieren zu lassen.

Inzwischen gibt es jedoch noch einen anderen Grund zum Einfrieren der Eizellen: Viele Frauen wollen den Kinderwunsch auf später verschieben – aus privaten oder beruflichen Gründen. Dieser Trend zum „Social Freezing“ steht noch relativ am Anfang; die Krankenkasten übernehmen die Kosten nicht.

40 Wochen „zu Miete“ bei der Leihmutter

Eine Frau kann keine Kinder bekommen – eine andere ist bereit, ein fremdes Kind auszutragen. Was klingt wie die Lösung eines Problems, ist in Deutschland verboten. Auch hier müssen Paare, die sich auf diesem Weg ein Kind wünschen, ins Ausland ausweichen. Und die Kosten sind immens: Je nach Land sind mehrere zehntausend bis zu 100.000 Euro fällig. Auch rechtliche Hürden sind zu beachten, warnt zum Beispiel das Auswärtige Amt: Als Mutter gilt die Frau, die das Kind zur Welt gebracht hat. Auch erhält das Kind nicht ohne weiteres die deutsche Staatsangehörigkeit.

Das Verfahren: Der Leihmutter wird ein Embryo eingesetzt, der zuvor per In-Vitro-Befruchtung erzeugt wurde. In manchen Fällen werden neben den Samenzellen des Vaters fremde Eizellen benutzt, damit die Leihmutter nicht auch die genetische Mutter des Kindes wird. Das Kind wird nach der Geburt direkt den Wunscheltern übergeben. Damit dies klappt, werden oft entsprechende Verträge abgeschlossen.

Je nach Konstellation von Wunscheltern und Spendern kann ein Kind im Extremfall fünf Elternteile haben: Samenspender, Eizellspenderin, Leihmutter und die sozialen Eltern, welche das Kind aufziehen.

Gebärmutter-Spende

Noch recht neu ist die Gebärmutter-Transplantation. Inzwischen gibt es – auch in Deutschland – nach erfolgreichen Transplantationen von Spenderorganen die ersten Babys, die in verpflanzten Organen herangewachsen sind. Diese aufwändige Behandlung kommt für gesunde Frauen in Frage, die keine Gebärmutter haben oder die sie beispielsweise durch einen Unfall verloren haben. Die Kosten übernehmen bislang die Krankenkassen.

Wie bei allen Organtransplantationen besteht auch bei diesem Spenderorgan die Gefahr, dass Komplikationen auftreten oder dass es ganz abgestoßen wird. Und noch sind die betroffenen Frauen auf eines der wenigen verfügbaren Spenderorgane angewiesen. An der Entwicklung einer künstlichen Gebärmutter wird derzeit noch geforscht.

Die Grenzen der Wissenschaft

Die Reproduktionsmedizin hat innerhalb weniger Jahrzehnte Millionen Eltern zu Nachwuchs verholfen, bei denen Behandlungsmethoden wie Operationen, Hormonbehandlung und anderes nicht erfolgreich waren.

Doch manche Wissenschaftler träumen schon vom nächsten Schritt: der Klonung, also der Herstellung einer exakten Kopie eines Menschen. Dies wird bisher in vielen Staaten weltweit per Gesetz untersagt, so auch in Deutschland.

Das Embryonen-Schutzgesetz gibt es gerade mal seit 1990, doch bereits jetzt gilt es vielfach als veraltet. Einer der wesentlichen Kritikpunkte ist die ungleiche Behandlung von Männern und Frauen: Samenspenden sind erlaubt, Eizellspenden nicht. Dazu gilt das Gesetz als besonders streng. Die Folge: Viele Paare müssen für die Erfüllung ihres Kinderwunschs aufs liberale Ausland ausweichen. Und in Deutschland wird eine Diskussion aufgeschoben: Die Diskussion, was möglich ist, was sinnvoll und was unter ethischen Gesichtspunkten erlaubt sein sollte.

Doch lieber kinderlos?

Während manche Paare zu wahren Verzweiflungstaten bereit sind, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen, geht das Problem an anderen völlig vorbei: Sie sind gewollt kinderlos, legen ihren Schwerpunkt im Leben auf anderes: Karriere, Reisen,...

Auch das ist ein Lebenskonzept, das funktioniert – immer vorausgesetzt, es ist bewusst gewählt.

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