Zutat aus dem Labor

Neuer Wirkstoff aus Chilis soll Schärfe im Essen spürbar mindern

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Forschende haben natürliche Moleküle in Chilis gefunden, die das Schärfegefühl beim Essen dämpfen könnte – ganz ohne Joghurt, Sahne oder Kokosmilch. 

Die individuelle Toleranz gegenüber Schärfe variiert stark. Während einige Menschen regelmäßig scharfe Speisen konsumieren, vermeiden andere diese komplett. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA haben nun eine Substanz identifiziert, die das Schärfeempfinden beim Essen reduzieren könnte

In einer aktuellen Untersuchung im Journal of Agricultural and Food Chemistry beschreibt das Forschungsteam der Ohio State University natürliche Verbindungen in Chilischoten, die scharfe Tomatensoße milder schmecken lassen können. 

Warum wir Schärfe spüren 

Was wir als "scharf" empfinden, ist in Wirklichkeit kein Geschmack, sondern ein Schmerzreiz. Verantwortlich dafür ist Capsaicin, ein Wirkstoff, der natürlicherweise in Paprika- und Chiliarten vorkommt. Gelangt er in den Mund, reizt er bestimmte TRPV1-Rezeptoren, die eigentlich für Hitze- und Schmerzempfindung zuständig sind. Die Folge: Hitzewallungen, tränende Augen oder Schweißausbrüche. Ironischerweise produziert die Chilischote Capsaicin nämlich als Fraßschutz

Lebensmittel mit hohem Fett- oder Proteinanteil, wie Sahne, Schmand oder Kokosmilch, können allerdings bereits helfen, weil Fett- und Proteinmoleküle das Capsaicin binden und dessen Wirkung abschwächen können

Chilis und Peperoni getrocknet und zerkleinert. Sind sie im Essen, ist Schärfe vorprogrammiert.
Was wir als "scharf" empfinden, ist eigentlich ein Schmerzreiz: Der Wirkstoff Capsaicin aus Chilis reizt spezielle Hitze- und Schmerzrezeptoren im Mund, was zu Hitzewallungen und Schweißausbrüchen führen kann.

Forschende entdecken mildernde Stoffe in Chilis

Bei Geschmackstests mit knapp 40 Personen fanden die Forschenden der Ohio State University jetzt heraus, dass verschiedene Chili-Arten trotz ähnlicher Capsaicinoid-Werte unterschiedlich scharf wahrgenommen wurden. Daraus schlossen sie, dass es noch andere Stoffe in den Früchten geben muss, die das Schärfeempfinden beeinflussen. 

Im Rahmen der Studie wurden insgesamt fünf Verbindungen identifiziert, die die Schärfewahrnehmung verändern können. In einer Bewertung auf einer Schärfe-Skala von 1 bis 15 stuften die Testpersonen eine Tomatensoße mit diesen Anti-Schärfe-Molekülen deutlich milder ein – im Schnitt um mehr als einen Punkt. 

Besonders auffällig: Die entdeckten Verbindungen enthalten Zuckerbestandteile, die vermutlich die Wirkung von Capsaicin an den Schmerzrezeptoren abschwächen – ähnlich einem „natürlichen Gegenspieler“. 

Orange-rotes Pulver aus Chilis. Dass der Wirkstoff gegen Schärfe im Essen in unserer Küche steht, ist noch Zukunftsmusik.
Die Forschenden könnten mit ihren Erkenntnissen potenziell auch ein Pulver entwickeln, das scharfes Essen milder machen soll – noch ist das allerdings Zukunftsmusik.

Schärfe im Essen mildern ohne Geschmackseinbußen? 

Aus den Molekülen könnte in Zukunft ein Pulver hergestellt werden, das scharfes Essen milder macht, ohne den eigentlichen Geschmack zu verändern. Bis das Pulver neben Salz, Pfeffer und Öl in unseren Küchen steht, wird es jedoch noch etwas dauern. 

Wer empfindlich auf Schärfe reagiert, muss also vorerst weiter auf altbewährte Hausmittel wie Kokosmilch oder Joghurt zurückgreifen. Oder auf die Methode der langsamen Desensibilisierung: Denn regelmäßiger Konsum scharfer Speisen kann das Nervensystem allmählich an Capsaicin gewöhnen. Das braucht jedoch Geduld – und möglicherweise den ein oder anderen schweißtreibenden Besuch beim Lieblings-Dönerladen oder eine kulinarische Reise nach Thailand. 

Ernährung Warum führt scharfes Essen zu Schweißausbrüchen?

Capsaicin täuscht eine Brandwunde vor, deshalb „brennt“ es im Rachen. Der Körper reagiert daraufhin so, wie er auf Wunden reagiert. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Gebratener Blumenkohl mit frittierten Chilis

Der Kohl wird in Scheiben geschnitten und gegart. Chilis bringen Schärfe ins Spiel, während eine selbst gemachte Aioli mit ihrer Cremigkeit punktet. So wird der sanfte Blumenkohl richtig aromatisch!

ARD-Buffet Spezial SWR