Ein Durchbruch in der Forschung
Die unwillkürlichen Bewegungen infolge eines Tremors beeinträchtigen die Betroffenen, zum Beispiel ein Glas zu halten oder einen Text zu schreiben.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme, der Universität Tübingen und der Universität Stuttgart haben im Rahmen der Forschungskooperation Bionic Intelligence Tübingen Stuttgart (BITS) an einem neu entwickelten biorobotischen Arm erfolgreich ausprobiert, wie mit kleinen leichten künstlichen Muskeln ein Tremor gestoppt werden kann.
Diese Künstlichen Muskeln sind sehr klein und leicht. Darum sprechen die Forscher von einem Durchbruch bei ihrer Forschung.
Künstliche Muskeln beruhigen Zittern des Roboterarms
Auf den ersten Blick sieht der Roboterarm im Labor aus wie ein menschlicher Arm. Die Technik im Inneren lässt ihn zittern. Die Flüssigkeit in dem Becher, den die Roboterhand unruhig festhält, könnte bald überschwappen.
Dann beginnen zwei kleine künstlichen Muskeln rechts und links am Unterarm des Roboters zu arbeiten: Sie ziehen sich abwechselnd zusammen und entspannen sich wieder. Die kleinen, mit einem Ölgemisch und Elektroden gefüllten Beutel beruhigen so den zitternden Roboterarm.
Die Hand kann so den Becher trotz des Armzitterns fast ruhig halten. Der Test neuer künstlicher Muskeln, genannt HASELs, an dem dafür entwickelten Roboterarm begeistert den Direktor des Stuttgarter Instituts für die Simulation biomechanischer Systeme, Syn Schmitt:
"Der Durchbruch an diesem Forschungsergebnis ist, dass diese künstlichen Muskeln in der Lage sind zukünftig für allerlei Unterstützungssysteme bereit zu sein."
Ein Durchbruch über den sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Stuttgart und Tübingen und des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart gemeinsam freuen.
Schnelle Reaktion der künstlichen Muskeln
Schätzungsweise leben weltweit etwa 80 Millionen Menschen mit einer krankhaften unkontrollierbaren Bewegung eines Körperteils. Darunter viele Parkinson-Patienten. Klinische Tests mit diesen Patienten wären sehr zeitintensiv. Der Roboterarm beschleunige die Forschung enorm, sagt der Direktor des Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Christoph Keplinger:
"Mit dem Roboterarm kann man jetzt ohne, dass man auf langwierige klinische Studien zurückgreift, sofort zeigen, ob die künstlichen Muskeln schnell und stark genug sind, in Echtzeit alle verschiedenen klinisch relevanten Tremorbewegungen zu unterdrücken - obwohl sie nur 15 Gramm wiegen ."
Außerdem seien die künstlichen Muskeln durch ihren Aufbau besonders reaktionsschnell, sagt Christoph Keplinger:
"Auf ganz kurzem Weg wird hier Öl in kleine Plastiktaschen verschoben und dadurch, dass das elektrostatisch ist, geht das blitzschnell. Deshalb kann das jetzt eben bei Tremorpatienten angewendet werden: Weil das in Echtzeit das Schütteln ausgleichen kann."

Kleidungsstücke mit künstlichen Muskeln sind denkbar für Patienten
Statt Medikamente oder Operationen könnten zukünftig zum Beispiel besondere Kleidungsstücke mit künstlichen Muskeln, genannt HASELs, Patienten mit einem Tremor unterstützen, sagt Alona Shagan Shomron vom Max Planck-Institut.
"Wir nutzen die künstlichen Muskeln wie eine Art Kleidungsstück für den Roboterarm. Sie sind an Handgelenk und Ellbogen befestigt. Die Bewegung der künstlichen Muskeln unterdrückt das Zittern im Roboterarm. In Zukunft können wir einen Ärmel entwickeln, den jeder Patient einfach am Körper tragen kann. Diese Ärmel haben dann innen die künstlichen Muskeln, die niemand sehen kann, weil sie so leicht und weich sind, und darum den Nutzer nicht stören."
Im Wissenschaftsmagazin Device beschreibt sie, wie mit einem Roboterarm solche tragbaren Hilfen schneller an die Bedürfnissen der Patienten angepasst werden können. Denkbar sei so eine Unterstützung vieler Patienten, sagt Daniel Häufle vom Institut für klinische Hirnforschung an der Universität Tübingen.
"Wir können die stärker oder schwächer, größer oder kleiner machen, sodass man sich leicht vorstellen kann, die nicht nur am Handgelenk, sondern vielleicht auch an größeren Gelenken wie der Schulter oder am Knie einzusetzen. Man könnte damit zum Beispiel auch eine Fußheberschwäche unterstützen, die ja auch ein bekanntes Problem ist. Man könnte sich aber auch vorstellen, dass Schlaganfallpatienten, die Schwierigkeiten haben, ihre Arme zu bewegen, damit unterstützt werden - im Rehabilitationsprozess und im Alltag, um schneller wieder fit zu werden."
Robotik hat ein großes Potenzial für viele Anwendungen. Die Forschung in Stuttgart und Tübingen ist erst der Anfang.