Matheunterricht in einer Schule  (Foto: IMAGO, IMAGO / Gustavo Alabiso)

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Lehrkräftemangel an Schulen – keine guten Aussichten

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Leonie Kalscheuer

Wie kann es sein, dass alle Bundesländer händeringend Lehrkräfte suchen und gleichzeitig so viele Angestellte in Schulen im Sommer in die Arbeitslosigkeit geschickt werden?

Hängepartie in den Schulen

Endlich Ferien! Letzte Woche wurden in den Schulen die Zeugnisse ausgehändigt. Auch die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper hat eines bekommen, von der Gewerkschaft GEW – jedoch leider kein Gutes. Denn die Gewerkschaften kritisieren vor allem die temporäre Sommerferienarbeitslosigkeit, welche durch die Entlassung befristet beschäftigter Lehrkräfte sowie Referendarinnen und Referendare eintritt. Gleichzeitig werden händeringend Fachkräfte an Schulen gesucht. Theresa Shopper, Kultusministerin in Baden-Württemberg, betont dass es momentan an finanziellen Mittel fehle, alle Lehrkräfte über die Sommerferien zu beschäftigen. Bleibt zu hoffen, dass die dringend benötigten Vertretungslehrkräfte trotzdem bei der Stange bleiben, denn was nun im Herbst auf Schülerinnen und Schüler zukommt, ist auch so schon nicht gerade rosig.

Weniger Lehrkräfte, mehr Kinder

Minus mal Plus ist auch hier - wie man es kennt - negativ. Denn weniger Lehrkräfte und mehr Kinder, macht den Schulen bundesweit zu schaffen. Der Lehrermangel macht sich im Unterricht negativ bemerkbar.

Kinder in der Klasse  (Foto: IMAGO, IMAGO / Shotshop)
Fächer wie Musik, Sport, Kunst und Gecshichte leiden unter dem Lehrkräftemangel.

In Baden Württemberg drängt Ministerpräsidenten Kretschmann darauf, die Arbeitszeit der noch verbleibenden Lehrerinnen und Lehrer zu erhöhen. Und falls das nicht reicht, müssten sich eben mehr Kinder als bisher in die bereits schon gut gefüllten Klassenzimmer drängeln. Denn zusätzlich zur dünnen Personaldecke kommt auch eine hohe Zahl an ukrainischen Kindern in unsere Schulen. Bisher sind es rund 18.000 Kinder aus der Ukraine, die allein in Baden-Württemberg ins Schulsystem aufgenommen worden sind. Und Ihre Integration geht nicht einfach nebenbei, es braucht Zeit und Betreuung. Die Kinder sind oft traumatisiert, brauchen daher mehr Unterstützung, wie zum Beispiel durch Schulsozialarbeiter*innen.

GEW-Vertreter fordern deshalb, das baden-württembergische Kultusministerium solle aufzeigen, wo im Herbst Inhalte des Bildungsplanes vernachlässigt werden können, denn mit einer ständig dünner werdenden Personaldecke könnte das Lehrpersonal nicht das gleiche Programm bieten wie vor Corona. Elternvertreter sehen das aber kritisch und mahnen, in der Regel falle dann Musik, Kunst, Sport und Geschichte aus. Gerade die Fächer, die den Kindern oft Spaß machen. Und mit Geschichte zudem noch ein Fach, das für die Demokratiebildung sehr wichtig ist und nicht vernachlässigt werden sollte. Schon in diesem Schuljahr sei enorm viel Unterricht ausgefallen.

Tafel, der Unterricht fällt aus.  (Foto: IMAGO, IMAGO / photothek)
Mit immer mehr Mangel an Lehrpersonal können Schulen nicht das gleiche Programm wie vor Corona anbieten. Fächer fallen aus und die Lernlücken sammeln sich an.

Bildungssystem vor einem Berg an Herausforderungen

Da es dazu keine Erhebungen gibt, spricht der Gesamtelternbeirat von anekdotischer Evidenz. Eltern würden tagtäglich erfahren, wie dünn die Personaldecke an den Schulen ist. Das Aufholen der Lernlücken, die durch Lockdowns und Homeschooling entstanden sind, laufe ebenfalls schleppend. Elternvertreter und Gewerkschaften schätzen, dass zwischen 20 und 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler erhöhten Bedarf an Unterstützung haben. Mit diesen Herausforderungen kann ein auf Kante genähtes, also ohnehin am Rande der Überlastung stehendes Bildungssystem nicht umgehen. Klar, dass der Ruf nach mehr Lehrpersonal lauter wird. Doch der Markt ist abgeräumt. Zumindest für Grundschulen, berufliche Schulen und alle Sekundarschulen außer den Gymnasien. Diese können fast alle Fächer belegen.

Alle anderen Schularten kämpfen jedoch seit Jahren gegen den Lehrkräftemangel. Das weiß auch das Kultusministerium. Dabei liegt es nicht nur daran, dass es insgesamt zu wenig Lehrkräfte gibt, sondern auch daran, dass Junglehrerinnen und Junglehrer nur in bestimmten beliebten Regionen arbeiten wollen. Arbeitsangebote aus Schulen in ländlichen Regionen werden häufig abgelehnt, berichtet die GEW.

Digitalisierung als Lösung

Einen Ausweg aus dem Dilemma sehen zumindest die Elternvertreter in der Digitalisierung. Die technische Ausstattung sei nun da, allerdings seien an fast allen Schulen die Geräte wieder eingepackt worden – nach dem Motto: Jetzt läuft der Unterricht wieder in Präsenz – da gehen wir zurück auf Normalbetrieb. Dabei sei der gezielte und punktuelle Einsatz der Digitalisierung doch eine Möglichkeit, aus der miserablen Situation herauszukommen. Und gleichzeitig soweit wie möglich Bildungsgerechtigkeit wieder herzustellen. Die Elternvertreter fordern eine andere Art der Pädagogik. Auch inhaltlich braucht es eine Veränderung, denn die Coronakrise habe gezeigt, dass Bildungsinhalte auf den Prüfstand müssten. Unter dem Aspekt: Wie können Kinder lernen, ihr Leben nach der Schule zu meistern.

Kind macht online Unterricht  (Foto: IMAGO, IMAGO / Westend61)
Elternvertreter setzten ihre Hoffnung in die Digitalisierung. Dass die technische Ausstattung vorhanden ist, hat die Coronazeit aufdecken können.

Handschuhe und Mützen bleiben an

Jetzt im Winter müssen sie es erstmal schaffen, nicht zu frieren. Schließlich sind Schulen öffentliche Gebäude und können damit – wenn der EU-Notfallplan greift – nur noch mit 19 Grad beheizt werden. Dazu kommen mit Sicherheit wieder Corona-Schutzmaßnahmen dazu. Das bedeutet: In Schulen muss häufig gelüftet werden. Denn Lüftungsgeräte, wie sie übrigens für alle Ministerien und viele öffentliche Verwaltungen angeschafft wurden, sind den Schulen bisher noch nicht zugestanden.

Deshalb fordern die Elternvertreter zu Recht, dass den Schulen als letztes die Heizung runtergedreht werden dürfe. Schließlich könne die öffentliche Verwaltung ins Homeoffice gehen, Schülerinnen und Schüler jedoch nicht. Wenn sie Kinder im schulfähigen Alter haben, lohnt es sich also jetzt schon in Thermo-Unterwäsche zu investieren und sie warm einzupacken.

Schulklasse mit Jacken im Klassenzimmer (Foto: IMAGO, IMAGO / Reichwein)
Wenn der EU-Gasnotfallplan eintritt, gilt für öffentliche Gebäude 19 Grad und mehr nicht. Zusätzlich heißt es auch dann, Fenster auf in den Klassenzimmern, um sich vor Corona zu schützen. Also warm einpacken!

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