Studie zur Mediennutzung

Immer mehr Kinder täglich online

Stand

Von Autor/in Michael Lang, Ralf Kölbel

Kinder surfen immer früher im Internet und sind oft täglich online. Das ist das Ergebnis der Studie „Kindheit, Internet und Medien“ (kurz: KIM) des medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest.

Die repräsentative "KIM-Studie 2024" (Kindheit, Internet, Medien) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) zeigt tiefgreifende Veränderungen im Medienverhalten der 6- bis 13-Jährigen in Deutschland.

Seit 1999 untersucht die Studie im zweijährlichen Rhythmus die Mediensozialisation Heranwachsender. Für die Studie haben die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, die Medienanstalt RLP und des Südwestrundfunks im vergangenen Jahr mehr als 1.200 Kinder und deren Eltern befragt. Knapp die Hälfte der befragten Kinder besaßen bereits ein eigenes Smartphone.

Digitale Geräte prägen den Familienalltag

Die Ergebnisse verdeutlichen: Digitale Geräte und Plattformen sind nicht nur allgegenwärtig, sondern prägen zunehmend auch die jüngsten Altersgruppen.  

Praktisch alle Haushalte verfügen über Fernseher (100 Prozent), Internet (99 Prozent) und Smartphones (98 Prozent). Streaming-Dienste wie Netflix sind in 70 Prozent der Haushalte verfügbar. Das entspricht gegenüber den Daten von 2022 einer Steigerung um 12 Prozentpunkte.

46 Prozent der Kinder besitzen ein eigenes Smartphone – mit starkem Altersgefälle: Bei den Sechs- bis Sieben-Jährigen sind es elf Prozent, bei den 12-13-Jährigen 79 Prozent.

  

Auch jüngere Kinder im Grundschulater besitzen oft schon ein eigenes Smartphone. Doch die unkontrollierte frühe Nutzung digitaler Medien wird von Experten kritisch gesehen.
Auch jüngere Kinder im Grundschulater besitzen oft schon ein eigenes Smartphone. Doch die unkontrollierte frühe Nutzung digitaler Medien wird von Experten kritisch gesehen.

Auch Kinder unter zehn Jahren sind regelmäßig online

Mehr als die Hälfte der internetnutzenden Sechs- bis 13-Jährigen (54 Prozent) Kinder sind jeden Tag online. Damit verschiebe sich die intensive Nutzung des Internets inzwischen bis ins Grundschulalter, so die Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest.

Laut Studie waren 40 Prozent der befragten Acht- bis Neunjährigen online. Das Ergebnis habe sich laut Studie innerhalb von zwei Jahren fast verdoppelt.

Lineares Fernsehen hat trotz der Konkurrenz durch Streaming-Dienste noch immer seinen Platz im Alltag von Kindern

Mit Netflix wurde laut KIM-Studie nun erstmals ein Streamingdienst zur beliebtesten Plattform für Filme, Serien und Videos: Mit 21 Prozent liegt er klar vor KiKA (14 Prozent) und YouTube (11 Prozent), wenngleich der öffentlich-rechtliche Kindersender weiterhin das wöchentlich am meisten genutzte Angebot ist.

Prof. Dr. Kai Gniffke, Intendant des SWR, hebt hervor: "Der KiKA bleibt mit seinen kindgerechten, werbefreien und hochwertigen Inhalten ein zentraler Bestandteil im Alltag von Kindern – trotz wachsender Konkurrenz durch kommerzielle und internationale Anbieter. In Zeiten von Wandel und Desinformation zeigt sich besonders deutlich die Bedeutung öffentlich-rechtlicher Angebote als verlässliche und altersgerechte Orientierungshilfe – sowohl im linearen Fernsehen als auch auf digitalen Plattformen

Kinder nutzen soziale Medien früher, als es eigentlich erlaubt ist

Unter Smartphone-Besitzern nehmen 96 Prozent das Gerät zu Freunden, 82 Prozent in die Schule und 65 Prozent zum Sportverein mit. 58 Prozent nutzen es sogar im Bett – ein Hinweis auf abendliche/nächtliche Aktivitäten.  

Kinder nutzten auch soziale Medien wie WhatsApp (73 Prozent wöchentlich), TikTok (42 Prozent) oder Instagram (25 Prozent), obwohl deren Nutzung erst ab 13 Jahren erlaubt sei.

Für die Nutzung sozialer Dienste wie WhatsApp oder TikTok  gibt  es in der EU bzw. in Deutschland Altersbeschränkungen. In der Praxis werden diese Regeln oft nicht eingehalten.
Für die Nutzung sozialer Dienste wie WhatsApp oder TikTok gibt es in der EU bzw. in Deutschland Altersbeschränkungen. In der Praxis werden diese Regeln oft nicht eingehalten.

Kinder sollten bei ihren ersten Schritten im Netz besser begleitet werden

Nur 43 Prozent der Eltern setzen technische Bildschirmzeit-Limits. 55 Prozent verzichten komplett auf Kontrollen. 77 Prozent der jungen Smartphone-Besitzer dürfen das Gerät in die Schule mitnehmen, aber nur drei Prozent nutzen es uneingeschränkt. In 63 Prozent der Fälle ist die Nutzung auf Pausen beschränkt.  

Dazu das Fazit von Dr. Wolfgang Kreißig, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK): "Die Ergebnisse der KIM-Studie zeigen eindrucksvoll, wie stark sich Streamingdienste und Plattformen wie YouTube im Medienalltag von Kindern etabliert haben.

Damit einher geht eine Verschiebung weg von redaktionell betreuten Inhalten hin zu offenen Plattformen mit kaum kontrollierbarem Angebot. Daher brauchen Kinder bei ihren ersten Schritten im Netz gezielte Begleitung durch Eltern und Bildungseinrichtungen, um den sicheren Umgang mit Medien zu erlernen und vor Gefahren geschützt zu sein.“

Eltern und andere Erziehungspersonen sollten darauf achten, Kindern möglichst einen verantwortungsvollem Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln.
Eltern und andere Erziehungspersonen sollten darauf achten, Kindern möglichst einen verantwortungsvollem Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln.

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