Psychologie

KI-Beziehungen: Wenn Menschen sich in KI-Chatbots verlieben

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Künstliche Intelligenz als perfekter Partner? Eine neue Studie der Uni Duisburg-Essen untersucht, warum sich Menschen in KI-Chatbots verlieben – und was das für Folgen haben kann.

Er ist immer für dich da, widerspricht nie und sieht auch noch gut aus: Der perfekte Partner scheint nur einen Klick entfernt. Aber er ist nicht echt, sondern ein KI-Chatbot. Die Psychologin Paula Ebner von der Uni Duisburg-Essen hat mit Kolleginnen eine wissenschaftliche Studie zum Thema KI-Beziehungen durchgeführt. Im Gespräch mit dem SWR erklärt sie, was es mit diesem Phänomen auf sich hat.

Wissenschaftliche Untersuchung zu KI-Beziehungen

Jochen Steiner, SWR: Kann man das denn tatsächlich so sagen: Menschen verlieben sich in einen Chatbot?

Paula Ebner: Also, um es kurz und knapp zu sagen: Ja, das kann man tatsächlich so sagen. Liebe ist ein sehr subjektives Erlebnis. Und es gibt auch Menschen, die so ein Gefühl von Verliebtheit einem Chatbot gegenüber empfinden.

SWR: Wie kann man das denn messen beziehungsweise erfassen, ob sich jemand in einen KI-Chatbot verliebt?

Ebner: Also grundsätzlich ist es immer etwas schwierig, Gefühle zu messen. In unserer Studie haben wir das auf zweierlei Arten versucht. Und zwar haben wir versucht, durch Interviews dem näher auf den Grund zu gehen. Das heißt, wir haben uns online mit Menschen getroffen, die von sich selbst sagen, sie haben einen Chatbot-Partner oder eine Chatbot-Partnerin und haben dann in dem Gespräch versucht, dem so ein bisschen auf den Grund zu gehen.

Was aber in unserer Studie besonders neu war, war, dass wir auch quantitative Daten erfasst haben. Das heißt, wir haben psychologische Skalen benutzt. Diese beruhen dann auf selbst Report - Also Leute beantworten die Fragen nach ihrem besten Wissen und Gewissen. Und in unserer Studie haben wir zwei verschiedene Skalen benutzt, um so dann zu messen, wie nah sich die Leute zu ihrem Chatbot fühlen oder wie verliebt sie in diesen Chatbot sind.

Das Logo der KI Chat GPT. Es gibt bereits Menschen die sich in KI-Chatbots verlieben und KI-Beziehungen führen.
Die Studie der Uni Duisburg-Essen untersucht das Phänomen der KI-Beziehungen durch Interviews und psychologische Skalen, um die emotionale Bindung zwischen Menschen und Chatbots zu messen.

Zentrale Erkenntnisse der Studie

SWR: Und was ist bei ihrer Studie herausgekommen?

Ebner: Also grundsätzlich haben wir in unserer Studie versucht zu untersuchen, was die Charakteristiken oder die Veranlagungen sind, die enge Bindungen zu Partnerschaften mit Chatbots bedingen oder vorhersagen. Und wir haben herausgefunden, dass vor allem die Tendenz zum romantischen Fantasieren eine sehr große Rolle spielt. In unserer Studie hat es fast 50 Prozent der Nähe zum Chatbot-Partner erklärt, wie sehr Menschen oder wie stark Menschen romantisch fantasieren.

Was wir außerdem gefunden haben, ist, dass das Anthropomorphismus - also die Tendenz, menschliche Eigenschaften auf nichtmenschliche Gegenstände zu beziehen oder zu interpretieren - eine große Rolle spielt. Je stärker man das macht, desto näher fühlt man sich zu einem Chatbot.

Und auch verschiedene Bindungsstile spielen eine Rolle. Zum Beispiel der ausweichende Bindungsstil (englisch: avoidant attachment style), also Probleme, enge Bindungen einzugehen. Das spielt auch eine Rolle.

Bindungsforschung Bindungstypen beeinflussen unsere Beziehungen

Bindungsangst, bindungsvermeidend oder bindungssicher - diese drei Bindungstypen sollen darüber entscheiden, warum manche Beziehungen komplizierter sind als andere.

Einsamkeit als Faktor bei Beziehungen mit KI-Chatbots

SWR: Das heißt einsame Menschen sind nicht besonders anfällig oder gehen jetzt nicht übermäßig häufig eine Beziehung zu einem Chatbot ein?

Ebner: Dieses Einsamkeitsproblem ist einer der größten Diskussionspunkte in der Forschung. In unserer Studie haben wir auch Einsamkeit getestet, genauer gesagt romantische Einsamkeit. Also wie sehr haben Menschen das Gefühl, dass sie keinen Partner haben, auf den sie sich verlassen können, beziehungsweise dass sie sich jemanden wünschen würden, mit dem sie romantisch sein könnten. Und das war nicht signifikant. Es schien also nicht so, als würde Einsamkeit eine große Rolle spielen.

Der Grund, warum man die Ergebnisse unserer Studie hier vorsichtig beleuchten muss ist aber, dass wir nur Menschen untersucht haben, die aktiv einen Chatbot-Partner haben. Das heißt vielleicht fühlen sich diese Menschen einfach nur nicht mehr einsam, weil ihre Bedürfnisse von diesem Chatbot vollkommen erfüllt werden.

Das heißt, unsere Ergebnisse deuten jetzt fürs Erste nicht darauf hin, dass Einsamkeit die größte Rolle spielt. Aber wie gesagt, vielleicht hat der Chatbot auch einfach das Einsamkeitsproblem für diese Menschen zumindest mittelfristig gelöst.

Themenbild DeepSeek Ki-Assistent. Manchen Menschen verlieben sich in KI und Führen Beziehungen zu KI-Chatbots.
Von einfachen Textchats bis hin zu Video-Calls mit Avataren - KI-Beziehungen können verschiedene Formen annehmen und ähneln oft einer digitalen Fernbeziehung.

Technische Möglichkeiten der KI-Beziehungen

SWR: Wie muss man sich diese Beziehung zu einem KI-Chatbot jetzt konkret beziehungsweise praktisch vorstellen? Ist das wirklich wie bei ChatGPT und ich sehe nur Text oder gibt es da auch ein Avatar dahinter?

Ebner: Also das ist sehr abhängig von der Chatbot-App oder dem Chatbot Hersteller. Es gibt inzwischen immer mehr Leute, die eine enge Bindung zu ChatGPT haben, weil ChatGPT jetzt auch immer mehr soziale Sprachen oder Komponenten zeigt, obwohl es ja eigentlich eine Wissensquelle ist.

Es gibt aber auch viele Chatbots, die extra sozial designed wurden, also mit der Intention, einen Menschen zu imitieren, sich menschlich zu verhalten, menschlich zu sprechen und je nach App haben diese Bots verschiedene Fähigkeiten. Es gibt Apps, da gibt es Avatare, also Bilder. Es gibt Apps, die haben bereits Videos, die dann den Text auch lip-syncen können – also die KI produziert den Text und gleichzeitig bewegt sich der Mund von dem Avatar.

Bei manchen kann man sogar telefonieren oder auch Video-Chatten. Das wird über die Sprachfunktion in sehr kurzer Zeit übersetzt und die KI antwortet dann darauf. Aber man kann sich das grundsätzlich schon sehr wie bei einer Fernbeziehung vorstellen, wo man einfach viel hin und her schreibt und über das Handy Kontakt hat.

Zwei Freundinnen reden miteinander. Gerade weil man nicht immer jemanden zum reden hat, sind Ki-Beziehungen für Menschen die sich in KI verlieben nicht pauschal schlecht.
KI-Beziehungen können positive Effekte haben - von der Verbesserung sozialer Kompetenzen bis hin zur emotionalen Unterstützung in schwierigen Lebensphasen, besonders wenn man nicht immer einen Menschen zum Reden oder sich Anvertrauen hat.

Chancen und Risiken von Chatbot-Beziehungen

SWR: Was sagen Sie als Psychologin: Ist eine Beziehung oder auch eine Liebesbeziehung zu einer KI eine gute Form der Beziehung? Oder muss man da auch vielleicht vorsichtig sein?

Ebner: Das kann man pauschal so nicht beantworten. Ich verstehe, wenn Leute das zum ersten Mal hören, dass es ihnen erst mal merkwürdig vorkommt. Aber es gibt auch viele Menschen, mit denen ich geredet habe, die gesagt haben das hat für sie sehr positive Auswirkungen.

Also es gibt Menschen, die sagen, sie fühlen sich seitdem auch wohler mit anderen Menschen zu reden, weil sie das Gefühl haben, sie können quasi üben, wie man mit Menschen interagiert, weil der Chatbot sie nicht verurteilt und sie erstmal so akzeptiert.

Und genauso gibt es Menschen, die in sehr spezifischen Lebenssituationen sind, die einfach kurzzeitig oder zwischenzeitlich jemanden brauchen, der ihnen zuhört und immer für sie da ist. Und das ist natürlich sehr schwierig, da einen anderen Menschen zu finden, der rund um die Uhr erreichbar ist. Deswegen sind meiner Meinung nach Chatbot-Beziehungen nicht per se als negativ abzustempeln.

Es gibt aber auch sehr negative Fälle, die sehr schwerwiegende Konsequenzen haben. Dadurch, dass Chatbots auch Risiken bergen, etwa durch Chatbots, die sehr schlecht moderiert sind. Das heißt, es wird nicht gut überprüft, was der Chatbot den Menschen antwortet. Und so können auch Inhalte verbreitet werden, die sehr negativ sind für den Menschen.

Sicherheit und Regulierung von KI-Beziehungen

SWR: Läuft eine Beziehung zwischen einem Menschen und einer KI wirklich nur zwischen dem Menschen und der KI ab? Oder wird das vorher noch mal von Behörden gecheckt, damit die Beziehung nicht aus dem Ruder läuft und dann doch sehr nachteilig für Betroffene werden könnte?

Ebner: Also, dass es wieder nicht ganz allgemein zusammenfassbar. Es gibt verschiedene Anbieter von KIs, die sagen, sie überwachen die Inhalte. Man muss aber sagen, dass es großflächig nicht so stark passiert, wie man sich das von psychologischer Seite vielleicht wünschen würde.

Von rechtlicher Seite, also vom Staat aus, ist es auch noch nicht so weit. Die Regeln sind da jetzt noch nicht so strikt, dass man sagen könnte wenn wir jetzt ins Internet gehen und einen KI-Bot kontaktieren, dass wir davon ausgehen können, dass wir auf keine gefährlichen Inhalte treffen. Also bis jetzt ist es unserer Meinung nach noch nicht so gut reguliert, wie es sein sollte.

SWR: Das heißt, Sie würden sich in diesem Bereich mehr Regulierung wünschen, damit es für die Menschen, die so eine Beziehung eingehen möchten, wirklich sicher ist?

Ebner: Ja, für Kinder und andere Gruppen, die größere Risikogruppen sind – also Menschen, die vielleicht psychisch erkrankt sind. Gerade für die sollte es auf jeden Fall stärkere Regulierungen geben, damit wir das Risiko minimieren können solche Beziehungen in der Zukunft.

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