Schildkröte schwimmt in Netz. (Foto: SWR)

Ökologie

Invasive Schildkröten im Südwesten – Artenvielfalt bedroht?

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Nina Kunze
Nina Kunze ist Reporterin und Redakteurin bei SWR Wissen aktuell (Foto: SWR, SWR, Christian Koch)
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Leila Boucheligua

In deutschen Gewässern wie dem Flückiger See in Freiburg leben mittlerweile Schildkröten, die dort eigentlich nicht heimisch sind – sie gelten damit als invasive Arten und könnten das dortige Ökosystem nachhaltig verändern.

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Was passiert mit Tieren aus Terrarien, die deren Halter loswerden wollen? Ab in die Freiheit, zum Beispiel in den Baggersee nebenan. Das berühmteste Beispiel ist wohl der Kaiman Sammy, der einst einen Badesee in Angst und Schrecken versetzte. Aber es geht auch kleiner: In vielen deutschen Gewässern gibt es mittlerweile Schildkröten, die eigentlich nicht dort hingehören.

Für unsere heimischen Ökosysteme könnte das weitreichende Folgen haben. Ein wissenschaftliches Team von der Uni Freiburg untersucht deshalb, ob sich die Reptilien auch in unseren Breitengraden vermehren können. 

Schildkröten im Flückiger See in Freiburg

Auf dem Flückiger See in Freiburg ziehen Schwäne und Haubentaucher ihre Bahnen – und auch Schildkröten. Dieses eigentlich idyllische Bild vermittelt für Biologen wie Benno Tietz, Johannes Penner und Melita Vamberger eine trügerische Idylle. Sie haben die Schildkröten am See näher untersucht und ihre Ergebnisse in einer Studie veröffentlicht.

Forschungsteam auf dem Weg zum Freiburger See. (Foto: SWR)
Die Biolog*innen Benno Tietz, Johannes Penner und Melita Vamberger untersuchen die Fortpflanzungsfähigkeit der invasiven Schildkröten am Flückiger See, um ihren Einfluss auf das heimische Ökosystem einschätzen zu können.

Dass die Tiere überhaupt hier sind, ist die Folge unverantwortlichen Handelns, sagt Benno Tietz: 

Eigentlich werden sie als Haustiere gehalten, in Teichen, in Terrarien, dann aber leider vermehrt von ihren Besitzern ausgesetzt, wenn sie keine Lust mehr haben, sich weiter darum zu kümmern. 

Invasive Arten könnten heimischen Arten schaden

Bei den Schildkröten handelt es sich nicht etwa um die heimische Europäische Sumpfschildkröte, sondern um Schmuckschildkröten, die eigentlich aus Nordamerika stammen. 

Schildkröte wird von Menschenhand hochgehalten. (Foto: SWR)
Die aus Nordamerika kommende Schmuckschildkröte ist hier in Europa eine invasive Art.

Damit gelten sie als „invasive Art“, denn sie kommen aus einem völlig anderen Ökosystem und könnten heimischen Arten schaden. Ob das langfristige Folgen für unsere heimischen Ökosysteme hat, hängt davon ab, ob die Schildkröten trotz des kälteren deutschen Klimas auf natürliche Weise Nachkommen kriegen, sagt Biologin Melita Vamberger: 

Das Ziel der Untersuchung ist herauszufinden, ob sich die eingeschleppten Schildkröten hier vermehren oder nicht, weil das natürlich sehr wichtig für den Naturschutz ist. Wir müssen wissen, ob die Populationen sich etablieren. 

Dazu müssen zunächst einzelne Tiere gefangen werden. Das Forschungsteam stellt dafür spezielle Fallen auf. Um das Alter der Schildkröten richtig abschätzen zu können, dokumentieren sie Daten wie Größe und Gewicht. Ob sie mit anderen Artgenossen im Gewässer verwandt sind, wird später eine Blutprobe zeigen. 

Forschungsteam bereitet sich auf Feldexperiment vor. (Foto: SWR)
Die Forschenden fangen einige Tiere, um durch Blutproben die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Tieren untersuchen zu können.

Pflanzen sich die Schildkröten selbstständig fort?

Im Labor werden die Blutproben genetisch untersucht. Sollten sich die Schildkröten tatsächlich auf natürliche Weise vermehren, müssen mögliche Folgen für das heimische Ökosystem neu bewertet werden. 

Aber nicht nur in Freiburg gibt es die Schildkröten, sondern beispielsweise auch am Altrhein in Kehl oder an der Mosel bei Trier. Daher ist es wichtig, die Rolle der Schildkröten in ihrer neuen Umwelt besser zu verstehen, sagt Benno Tietz: 

Weitere Schwerpunkte wären herauszufinden: Was fressen die Schildkröten überhaupt hier bei uns? Wovon ernähren sie sich? Wir haben eine theoretische Datengrundlage aus den heimischen Verbreitungsgebieten und können das vielleicht anhand dessen ein bisschen ableiten.

Genau wisse man all das wegen fehlender Daten aber noch nicht, es gibt also auf jeden Fall noch jede Menge Forschungsbedarf, sagt Benno Tietz.

Die ersten Ergebnisse bestätigen jedenfalls die Vermutungen der Forscher: Am Flückiger See pflanzen sich insgesamt 3 fremde Schildkröten-Arten auf natürliche Weise fort. Das wird die heimischen Ökosysteme nachhaltig verändern. Nur in welche Richtung – das weiß man noch nicht. 

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