Hagel soll künftig exakter vorhergesagt werden können.  (Foto: IMAGO, imago/blickwinkel/H.Duty)

Extremwetter

Forschung im Windkanal: Hagel exakter vorhersagen

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Elke Klingenschmitt
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Ralf Kölbel

Forschende aus Mainz versuchen in einem Windkanal herauszufinden, wie der Klimawandel den Hagel verändert und wie man dieses Extremwetterereignis voraussagen kann.

Der Klimawandel und die Erderwärmung verändern auch das Wetter. Deshalb wird es immer schwieriger, verlässliche Wetterprognosen zu machen. Das ist aber besonders wichtig, weil man mit guten Wettervorhersagen auch bei Extremwetterereignissen, wie vergangenes Jahr an der Ahr, bevorstehende Schäden besser abschätzen und besser vorsorgen könnte.

An der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz forscht man an neuen Wettermodellen – unter anderem mit künstlichem Hagel.

Hagelforschung im Wetterlabor

Hagel und Starkregen kommen glücklicherweise nicht so oft vor. Wenn Metereologen diese Extremwetterereignisse untersuchen wollen, dann warten sie nicht ab, bis das Unwetter kommt, sondern sie machen es sich quasi selbst, in einer Art Wetterlabor. Auf dem Campus der Mainzer JGU gibt es eine solches Wetterlabor in Form eines vertikalen Windkanals.

Das Vorläufermodell stand in den USA, der Los Angeles University of California und wurde 1985 in Mainz gebaut, ist also auch schon 37 Jahre alt.

Für die Experimente im Mainzer vertikalen Windkanallabor wurden auch bereifte Eispartikel, sogenannte Graupel, hergestellt. (Foto: Pressestelle, IPA Mainz/Alexander Theis)
Für die Experimente im Mainzer vertikalen Windkanallabor wurden auch bereifte Eispartikel, sogenannte Graupel, hergestellt.

Mainzer Windkanal weltweit einzigartig

Die Arbeit am kalifornischen Windkanal wurde mittlerweile aus Kostengründen eingestellt. Der Mainzer Windkanal ist deshalb heute der einzige seiner Art weltweit. Wer das Wetterlabor im Institut für Physik der Atmosphäre betritt, der sieht allerdings nicht viel vom sechs Meter hohen Windkanal.

Über Metallgittertreppen, vorbei an vielen Rechnern und Messinstrumenten, gelangt man lediglich zum oberen, sichtbaren Teil des Windkanals, der wie ein kleines Gewächshaus aus Glas aussieht in einem fensterlosen, engen Raum. Hier werden Regenfälle und Hagelschlag simuliert.

Experimentierstrecke des Mainzer Windkanals. (Foto: Pressestelle, IPA Mainz/Alexander Theis)
Experimentierstrecke des Mainzer Windkanals.

Hagelkörner aus dem 3D-Drucker bieten Vorteile

Um Regentropfen und ihr Verhalten zu beobachten, wird Wasser mit einer Spritze in den Windkanal gespritzt. Bei der Forschung an Hagelkörnern greift man, neben echten Eiskörnern, auch zu einer künstlichen Alternative: kleine Kugeln in verschiedenen Farben mit geriffelter oder stacheliger Oberfläche.

Die Idee mit den Hagelkörnern aus dem 3D-Drucker stammt von den Kollegen aus den USA. Die Körner werden, so der Wetterforscher Alexander Theis, mit derselben Dichte wie Eis gebracht und im Windkanal zum Schweben gebracht. Das wird erreicht, in dem die Fallbewegung der Hagelkörner durch genügend Aufwind ausgeglichen wird. In der Fachsprache wird das "Ausschweben" genannt.

Denn wenn man echte Eiskörner im Windkanal „ausschwebt“, dann schmelzen sie und sind verloren. Mit den künstlichen Hagelkörnern dagegen können beliebig viele Versuchsreihen durchgeführt werden. Im sechs Meter hohen Windkanal schweben die Hagelkörner in einem vertikalen Luftstrom, dessen Geschwindigkeit die Forscher genau vorgeben können.

Dieser künstliche Hagelstein wurde mittels eines 3-D-Druckers erzeugt. Seine Dichte entspricht der eines natürlichen Hagelsteins. (Foto: Pressestelle, IPA Mainz/Alexander Theis)
Dieser künstliche Hagelstein wurde mittels eines 3-D-Druckers erzeugt. Seine Dichte entspricht der eines natürlichen Hagelsteins.

Infrarot- und Hochgeschwindigkeitskameras beobachten Hagelkörner im Windkanal

Wie sich die Regentropfen und die Hagelkörner im Wetterlabor verhalten, wird mit Infrarot- und Hochgeschwindigkeitskameras dokumentiert.
Nur mit den Versuchen im Windkanal konnten die Meteorologen bisher verstehen, wie die Form der Hagelkörner ihre Geschwindigkeit für den Aufprall bestimmt und dass genoppte Hagelkörner eine geringere kinetische Energie und damit auch weniger Zerstörungskraft besitzen als glatte, ungleichmäßig geformte Hagelkörner. Hagelkörner schmelzen in der Atmosphäre bei null Grad und fallen dann als Regen. Dazu der Metereologe Alexander Theis:

Hagelkörner werden größer

Durch den Klimawandel rutscht diese Null-Grad-Grenze in der Atmosphäre immer weiter nach oben. Der Hagel hat dann mehr Zeit um zu schmelzen. Unsere Beobachtungen haben aber auch gezeigt, dass es weniger kleine Hagelkörner gibt, sondern mehr große.

Diese Hagelkörner haben dann auch eine größere Zerstörungskraft, wenn sie auf den Boden, auf Pflanzen oder auf Autos aufschlagen. Alles wichtige Erkenntnisse, die in zukünftigen Modellen zur Wetterberechnung und -vorhersage berücksichtigt werden müssen.

Die Hagelkörner werden wohl auch durch den Einfluss des Klimawandels immer größer und können schwere Schäden hervorrufen. (Foto: IMAGO, imago/PantherMedia / Armin Opherden)
Die Hagelkörner werden wohl auch durch den Einfluss des Klimawandels immer größer und können schwere Schäden hervorrufen.

Die mikrophysikalischen Versuche im Mainzer Wetterlabor wurden im Rahmen des HydroCOMET-Projektes der deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführt und ihre Ergebnisse werden demnächst veröffentlicht. Auch die Computermodelle des Deutschen Wetterdienstes sollen dann die Daten aus dem Wetterlabor bekommen. Und Alexander Theis ist sich sicher:

Zusammen mit unseren Daten liefert das auch bessere Vorhersagen.

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