Virus H5N1 breitet sich aus

Vogelgrippe bei verstorbenen Katzen entdeckt – Welche Risiken gibt es für uns?

Stand

In Polen sind schon mehr als 20 Katzen an einer Infektion mit dem Vogelgrippevirus gestorben. Auch die WHO hat jetzt darauf reagiert. Was bedeutet das für uns und unsere Haustiere?

Die Vogelgrippe H5N1 ist eine Viruserkrankung, die in erster Linie Vögel befällt: Wildvögel, aber auch Hühner oder Puten. Für Vögel ist diese Erkrankung extrem gefährlich. Seit Ende der 90er-Jahre ist dieser Erreger bekannt und hat seither viele Millionen Vögel weltweit das Leben gekostet.

Jetzt hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davor gewarnt, dass das Vogelgrippevirus auch auf andere Tierarten überspringen könnte. Denn in Polen sind in den letzten Tagen und Wochen schon mehr als 20 Katzen an einer Infektion mit dem Vogelgrippevirus gestorben.

SWR2 Impuls sprach darüber mit Prof. Martin Beer. Er leitet das Institut für Virusdiagnostik am Friedrich-Löffler-Institut. Das ist die Forschungseinrichtung, die hier in Deutschland für das Thema Tiergesundheit zuständig ist.

Katzen können sich beim Fressen von Vögeln mit Vogelgrippe infizieren

SWR2 Impuls: Wie schätzen Sie die Situation in Polen ein? Wie beunruhigend ist es, dass dort so viele Katzen an einer Infektion mit der Vogelgrippe gestorben sind?

Martin Beer, Fachtierarzt für Mikrobiologie
und Virologie:
Zum einen muss man immer noch sagen: Es ist ein Vogelvirus, also die Verbreitung ist mittlerweile weltweit. Mit Ausnahme Australiens sind alle Kontinente betroffen, und es sind viele Millionen Vögel infiziert.

Ab und zu kommt es zum Überspringen auf hauptsächlich Fleischfresser, die dann zum Beispiel einen erkrankten Vogel oder einen virushaltigen Vogelkadaver zu sich nehmen. Das sind Fälle, die bei ganz verschiedenen Spezies vorkommen Und auch Katzenartige sind empfänglich. Was jetzt in Polen beobachtet wird, ist allerdings etwas, was eine gewisse Häufung darstellt.

Eine Katze isst einen Vogel.
Bisher wird mit wenigen Ausnahmen nicht beobachtet, dass Säugetiere sich gegenseitig mit dem Vogelvirus anstecken. Stattdessen wird das Virus meist vermutlich beim Fressen von infizierten Vögeln übertragen.

SWR2 Impuls: Wie kommt es überhaupt zu diesem Überspringen des Virus? Hat er tatsächlich damit zu tun, dass jetzt beispielsweise eine Katze einen Vogel frisst? Es hat bisher noch nicht damit zu tun, dass eine Katze eine andere ansteckt?

Martin Beer: Also bisher haben wir mit ganz wenigen Ausnahmen keine Infektketten zwischen Säugetieren. Bei einer Infektkett sind sehr viele Tiere infiziert und sie infizieren sich gegenseitig. Das ist das, was im Vogel passiert. Das passiert mittlerweile mit diesem Virus H5N1 auch bei uns im Sommer – da war es sonst immer ganz ruhig.

Und dann haben wir natürlich sehr viele Fleischfresser, die Kontakt zu solchen Vogelkadavern haben. Und dann kann es immer wieder mal zu einer Infektion kommen. In Deutschland sind das bisher zum Beispiel 17 Füchse, die tot aufgefunden wurden und die das Virus dann meistens im Gehirn in sich trugen. Bei der hohen Anzahl von infizierten Vögeln sind das immer noch geringe Zahlen an infizierten Säugetieren. Das Infizieren von Säugetier zu Säugetier ist bisher nur einmal in Spanien bei Nerzen beobachtet worden. Die Tiere wurden dort getötet, sodass dieses Virus eliminiert wurde.

In Polen sehen wir jetzt eine Verteilung über ganz Polen. 47 Fälle sind beschrieben, und viele dieser Tiere sind auch verstorben oder mussten eingeschläfert werden. Und die Viren in diesen Katzen sind sehr ähnlich. Es sind jetzt die Genome von etwa 20 Fällen bekannt gegeben worden, sodass dort im Moment immer noch nach der Ursache gesucht wird. Es ist aber durchaus möglich, dass es dort eine einheitliche Infektionsquelle gibt.

Infektionsquellen müssen noch weiter untersucht werden

SWR2 Impuls: Heißt es jetzt also, Katzen sollen besser zu Hause in der Wohnung bleiben? Ist das eine angemessene Maßnahme?

Martin Beer: Wir kennen ja die genaue Ursache dort noch nicht. Da dort auch Katzen betroffen sind, die das Haus nicht verlassen, ist die Infektionsquelle eventuell eine andere. Da werden verschiedene Dinge diskutiert, zum einen dieser Kontakt zu Wildvögeln. Das ist aber für eine Reihe dieser Fälle in Polen nicht sehr wahrscheinlich. Es könnte auch kontaminiertes Futter sein. Und deswegen muss man sagen: Wir haben bisher keine infizierte Katze in Deutschland, obwohl wir infizierte Wildvögel haben. Bei uns wäre das Risiko etwa gleich.

Ein wilder Vogel fängt einen Fisch im See.
In Deutschland sind ähnlich viele Wildvögel mit dem Vogelvirus infiziert. Trotzdem sind hierzulande noch keine Fälle infizierter Katzen bekannt.

Und natürlich ist es so, dass eine Katze, die nicht nach draußen gelassen wird, dieses Risiko nicht hat. Aber deswegen alle Katzen einzusperren, jetzt und zu sagen wir dürfen sich auf gar keinen Fall mehr rauslassen. Ich glaube, das wäre eine Maßnahme, die wahrscheinlich zu weit geht. Deswegen muss man das abwägen. Und wir müssen warten, was in Polen als Infektionsquelle am Ende noch beschrieben wird. Weil es gibt bisher immer noch keine offiziellen Daten, was dort genau die Quelle sein könnte.

Vogelgrippe breitet sich weltweit aus

SWR2 Impuls: Wie entwickelt sich dann die Ausbreitung der Vogelgrippe unter den ursprünglichen Wirtstieren wie Wildvögeln oder domestizierten Vögeln wie Hühnern? Nimmt da die Zahl an Infektionen zu?

Martin Beer: Die Zahl nimmt zu. Was besonders zugenommen hat, sind die Infektionszahlen bei Wildvögeln auch im Sommer und die Virusausbreitung nach Nordamerika und ganz neu: Diese Art Virus war noch nie in Südamerika und hat sich jetzt dort über ganz Südamerika ausgebreitet. Wir haben Seelöwen, die in Peru und Chile verstorben sind – wir haben auch Pinguine. Wir haben Ausbrüche in Brasilien. Das heißt, das Virus hat völlig neue Infektionsquellen oder Tiere gefunden, die es infizieren kann als nur Vögel. Und wir beobachten das durchaus mit Sorge, dass so ein Virus sich so weit ausbreitet und dann immer wieder auch auf das Säugetier überspringt.

Hühner in einem Hühnerstall.
Die Vogelgrippe wird hauptsächlich bei Vögeln beobachtet, darunter Wildvögel, aber auch domestizierte Vögel wie Hühner.

Dort kommt es auch zu ersten Anpassungen, aber es ist noch nicht so weit angepasst, dass es sich wirklich bei Säugetieren ausbreiten kann. Das heißt, es ist noch kein "roter Alarm", sondern wir sind in einer Position, wo wir das sehr genau beobachten müssen. Und im Moment ist es tatsächlich ein Virus, das sich immer besser an den Vogel angepasst hat und deswegen haben wir auch diese sehr starke weltweite Verbreitung.

Geringes Risiko für den Menschen

SWR2 Impuls: Wie hoch schätzen Sie die Gefahr für Menschen, durch das Vogelgrippe-Virus ein, dass es tatsächlich "roten Alarm" gibt?

Martin Beer: Die Einschätzung auch von offizieller Seite: Die europäischen Behörden oder die WHO schätzen das Risiko immer noch, und das tun wir auch, als gering ein. Das heißt, das Potenzial des Übersprungs auf den Menschen ist immer noch gering. Und wir haben das Virus ja sehr lange jetzt schon im Vogel. Und es gab vor allem Anfang 2000 eine ganze Reihe humaner Fälle, also über 400 Todesfälle. In den letzten Jahren ist das sogar weniger geworden, weil das Virus, was derzeit sich im Vogel ausbreitet, tatsächlich sogar etwas weniger leicht auf den Menschen übertragen wird.

Was uns Sorgen macht, ist diese sehr weite Verbreitung im Vogel, was immer wieder die Möglichkeit des Überspringens gibt. Und da müssen wir genau beobachten, ob das Virus irgendwann weitere Anpassungen vornimmt. Im Moment – das sehen wir auch bei den Katzen in Polen – sind das immer wenige Anpassungen, die zum ersten Mal den ersten Schritt der besseren Vermehrung in einem Säugetier zulassen, aber zum Beispiel noch keine Änderungen in der Rezeptorbindung. Das wäre so der nächste Schritt.

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Stand
Moderator/in
Martin Gramlich
Martin Gramlich, SWR Kultur Moderator
Interview
Prof. Martin Beer (Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am Friedrich-Löffler-Institut)
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.