Medizin

Wie sinnvoll sind Gentests zur Vorsorge?

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AUTOR/IN
Ulrike Till
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel

Im Internet werben immer mehr Anbieter für kommerzielle Gentests. Ist das medizinisch sinnvoll oder nur Abzocke?

Ob wir krank werden oder gesund bleiben, können wir zu einem guten Teil durch unseren Lebensstil beeinflussen. Aber auch unsere Gene spielen eine Schlüsselrolle.

Klar, dass viele Menschen ihr ganz persönliches Risiko für bestimmte Krankheiten wissen wollen. Deshalb haben Gentests von US-Firmen wie 23andme so großen Zulauf: Laut den größten Anbietern haben weltweit schon 17 Millionen Menschen ihr Erbgut analysieren lassen.

Doch diese Billigtests übers Internet liefern kaum belastbare Ergebnisse. Wer seine Erbanlagen genau analysiert haben will, muss richtig tief in die Tasche greifen und in eine humangenetische Praxis gehen. Zum Beispiel zu Dr. Saskia Biskup in Tübingen.

Noch kommen die meisten Patienten von Dr. Saskia Biskup mit einem konkreten Verdacht: Wenn sich in einer Familie bestimmte Krebsarten oder Stoffwechselstörungen häufen, zahlen die Kassen auf Wunsch die genetische Untersuchung.

Dr. Saskia Biskup, CeGAt GmbH Tübingen, Labor für DNA Diagnostik (Foto: IMAGO, mago images / Martin Wagenhan)
Dr. Saskia Biskup, CeGAt GmbH Tübingen, Labor für DNA Diagnostik

Etwa einmal pro Woche aber kommt jemand  ohne erkennbares Risiko: Bei diesen Patienten ist die Gendiagnostik rein präventiv. Saskia Biskup und ihr Team grenzen den Gen-Check dann bewusst ein:

Man macht gerade nicht den ganz großen Rundumschlag, sondern wir haben uns ganz bewusst nur für Untersuchungen entschlossen, für die der Betroffene dann auch tatsächlich etwas tun kann und das Risiko auch so hoch ist, dass es auch wirklich relevant ist für den Betroffenen.

Gentest auf Krebs sinnvoller als Gentest auf Alzheimer

Auf Alzheimer-Gene testet die Tübinger Genetikerin nicht, da es kein Heilmittel gibt und keine wirksame Vorbeugung. Das persönliche Krebsrisiko dagegen kann man erfahren. In seltenen Fällen liegt das Tumorrisiko bei 80 Prozent – zum Beispiel bei Frauen mit bestimmten Genen für Brustkrebs. Viel wahrscheinlicher aber ist es, dass Gene defekt sind, die die DNA im Körper reparieren.

Das kann der Körper oder auch das Immunsystem auch über weite Strecken immer ausgleichen. Aber man hat eben statistisch gesehen ein erhöhtes Lebenszeitrisiko, an einem Tumor zu erkranken. Dann sollte man zur Vorsorge Früherkennungsprogramme nutzen, damit Tumore frühzeitig erkannt werden.

Gesundheitliche Risiken abschätzen

Jemand, der sich seiner gesundheitlichen Schwachstellen bewusst sei, könne deutlich schneller und gezielter reagieren. Wenn jemand beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Magentumore oder Knochenkrebs habe, erklärt Saskia Biskup, könnten Betroffene bei anhaltenden Rücken- oder Bauchschmerzen die genauen Ursachen möglichst bald ärztlich abklären lassen.

CeGAt GmbH Tübingen, Labor für DNA Diagnostik (Foto: IMAGO, imago images / Martin Wagenhan)
Viele Menschen hoffern durch Gentests das persönliche Krebsrisiko zu erfahren.

Gentests sind nicht für jeden sinnvoll

Einige Ärzte warnen, dass Gentests zur Vorsorge Menschen massiv beunruhigen können. Ständige Selbstbeobachtung und Panik bei kleinsten Beschwerden sind mögliche Folgen.

Doch bei einem präventiven Gen-Test kann zum Beispiel auch gecheckt werden, ob eine Narkose für die Person besonders gefährlich ist. Oder ob jemand gängige Medikamente in besonders hoher oder niedriger Dosierung braucht. Auch die Neigung zu Blutgerinnseln kann aus dem Erbgut herausgelesen werden. So können sich beispielsweise Menschen mit erhöhtem Thrombose-Risiko ganz anders auf Langstreckenflüge vorbereiten.

2.500 Euro für den kompletten Gencheck

Saskia Biskup ist nicht nur Ärztin, sondern auch Firmenchefin: Sie leitet Cegat. Das Tübinger Unternehmen ist auf Gendiagnostik spezialisiert. Am Firmensitz reiht sich Labor an Labor, hier werden Blutproben aus der ganzen Welt analysiert. Nach etwa vier bis fünf Wochen erfahren Patienten ihr Ergebnis in einem ausführlichen Gespräch. Bei präventiven Gentests ist dann auch die Rechnung fällig: 2.500 Euro für das komplette Paket.

Labormitarbeiter (Foto: IMAGO, imago images / Martin Wagenhan)
Die hohen Kosten für einen Gen-Check schrecken nur wenige ab.

Trotz der hohen Kosten wächst das Interesse, gerade bei Jüngeren, berichtet Saskia Biskup. Auch erste Firmen bieten führenden Mitarbeitern solche Gen-Checks an.

Der Arbeitgeber erfährt keine Ergebnisse

Was der Gentest ergibt, darf der Arbeitgeber aber nicht erfahren. Dabei gebe es viele Unternehmen, die darüber nachdenken. Und eigentlich wäre es auch schön, das allen Mitarbeitern anbieten zu können, meint Cegat Geschäftsführerin Biskup. Ob sich jemand testen lässt oder nicht, bleibe jedem selbst überlassen, versichert Saskia Biskup. Das sei ein zentraler Punkt im Aufklärungsgespräch vor jedem Gen-Check:

Es gibt Menschen, die wollen einfach wissen, was kann ich heute tun? Und die wollen das dann auch tun. Und es beruhigt die dann eher. Und das muss man genauso respektieren, wie wenn jemand kommt und sagt, ich will das gar nicht wissen. Das beunruhigt mich. Das ist dann auch in Ordnung.

Billig-Gen-Tests sind wenig zuverlässig

US-Firmen wie 23and me bieten Billig-Gen-Tests übers Internet an: Schon für 99 Dollar kann man aus einer Speichelprobe angeblich wichtige Krankheitsrisiken erfahren. Saskia Biskup hält solche Angebote wie die meisten ihrer Fachkollegen für unseriös.

Kürzlich hat sie ihr eigenes Erbgut mit so einem Test untersuchen lassen. Es wurde nichts Bedrohliches entdeckt – aber diese Entwarnung ist nichts wert, sagt die Genetikerin. Denn es wurden viel zu wenige Veränderungen untersucht. Das Problem sei, dass man sich nach so einem Billig-Test in Sicherheit wähnt, obwohl praktisch nichts untersucht wurde.

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