Raumfahrer*innen gesucht

Deutsche Klimaforscherin will ins All fliegen

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AUTOR/IN
Andrea Schwyzer
ONLINEFASSUNG
Julia Otto

Die Europäische Weltraumbehörde sucht nach zwölf Jahren wieder Astronauten – und gezielt auch Astronautinnen. Auch die deutsche Klimaforscherin Insa Thiele-Eich will ins All fliegen.

Ein Astronaut, eine Astronautin hat diese Symbolkraft. Und wenn wir jetzt in Deutschland elf deutsche Männer hatten, die im All waren, ist das etwas schade.

Wer ist Insa Thiele-Eich?

Sie formuliert nicht immer so diplomatisch: Insa Thiele-Eich. Die Klimaforscherin und dreifache Mutter wurde aus 400 Bewerberinnen für "Die Astronautin" ausgesucht – eine private Initiative aus Bremen, die Frauen ins Weltall bringen möchte. Sie agiert unabhängig von der Europäischen Raumfahrtbehörde und bildet ihre Astronauten-Anwärterinnen eigenständig aus.

Die 38-jährige Insa Thiele-Eich trainiert bereits seit einigen Jahren und könnte die erste deutsche Frau im Orbit sein. Schon seit ihrer Kindheit ist die gebürtige Heidelbergerin von der Raumfahrt begeistert. Groß geworden ist sie in den USA, als Tochter des Astronauten Gerhard Thiele, im Umfeld der NASA.

Mütter als Astronauten

Insa Thiele (Foto: IMAGO, imago/Revierfoto)
Frauen, Männer, Mütter, Väter können Astronaut*innen werden. Die NASA trainiert sogar schon seit den 80er-Jahren Mütter.

Da, wo ich aufgewachsen bin, war es vollkommen normal, dass Frauen, Männer, Mütter, Väter Astronaut*innen waren. Das ist in Deutschland etwas, wenn man hier hört, ich bin Mutter – da gehen die Augenbrauen bei vielen Menschen noch hoch. Schwanger im Training, ich konnte es irgendwann nicht mehr hören, was ich mir da alles anhören durfte. Die NASA trainiert seit den 80ern Mütter.

Niedrige Frauenquote in der Raumfahrt

Und trotzdem ist der Frauenanteil in der Raumfahrt bescheiden. Von den bisher 560 Menschen im All waren 65 Frauen – das entspricht gerade mal elf Prozent.

Eine deutsche Frau im All wäre auf jeden Fall ein starkes Signal für die Gleichberechtigung. Bei der letzten ESA-Ausschreibung war es übrigens noch so: Da seien 27 Menschen abgebildet gewesen – darunter eine Frau. So eine Ausschreibung suggeriere natürlich etwas, allerdings sei die Ausschreibung auch 2008 gewesen. Entsprechend haben sich damals gerade mal 16 Prozent Frauen beworben. Wäre da womöglich eine Quote angebracht? Seitens der ESA heißt es: "Nein, wir werden keine Frauenquote einführen."

Janet Kavandi (Foto: IMAGO, imago images/JMH-Galaxy Contact)
Dank der Astronautin Janet Kavandi arbeiten bei der NASA 50 Prozent Frauen. Sie hat es hinbekommen, dass die Auswahl mit der Zeit von alleine ohne Quote divers geworden ist.

In den USA, bei der NASA, arbeiten übrigens 50 Prozent Frauen. Warum? Weil eine Frau, die Astronautin Janet Kavandi, die Auswahl leitete. Sie hat den Prozess komplett umgekrempelt hat: Von der Ausschreibung bis zum Auswahlverfahren war ein bunt zusammengewürfeltes Team verantwortlich – was weitreichende Folgen hatte.

Dadurch hat sie es tatsächlich hinbekommen, dass die Auswahl mit der Zeit ganz von alleine ohne Quote so divers geworden ist. Und das Team ist nicht nur, wenn man auf Gender achtet, divers – sondern auch in anderen Punkten divers. Auch da ist es in Europa – gut, wir haben ein kleineres Team – aber da könne man sicherlich auch noch ein bisschen gucken.

Körperliche Unterschiede zwischen Astronautinnen und Astronauten im All

Dabei könnten Frauen im Weltall auch für die Wissenschaft einen wichtigen Beitrag leisten. Denn auch hier gibt es den sogenannten Gender Data Gap. Will heißen: Studien, zum Beispiel in der Medizin, werden am Durchschnittsmann durchgeführt und die resultierenden Daten gelten dann automatisch auch für Frauen. Das hat teils fatalen Folgen beispielsweise bei der Dosierung von Medikamenten. Insa Thiele-Eich sagt, dass in Europa genau zwei Datensätze von Astronautinnen vorliegen, die entsprechend wenig Informationen bereithielten.

Insa Thiele (Foto: IMAGO, mago images/MediaPunch)
Studien werden am Durchschnittsmann durchgeführt und die resultierenden Daten gelten automatisch auch für Frauen – mit teils fatalen Folgen.

Wenn Insa Thiele-Eich an Langzeitaufenthalte im All denkt, interessiert sie vor allem, was mit dem weiblichen Körper in der Schwerelosigkeit passiert. Explizit nennt sie da die Augen. Das sei etwas, das sie immer noch fasziniere: Man wisse nicht, woran es liege. Aber bei Astronauten verliere ein Drittel signifikant stark ihre Sehkraft, also so, dass es messbar sei. Das generiere sich wieder zurück in den meisten Fällen, auch auf 100 Prozent. Aber bei Frauen habe man das einfach nicht beobachten können, so Thiele-Eich. Und es waren schon genug Frauen oben. Statistisch betrachtet hätte das schon auffallen müssen, aber man finde das bei den Frauen nicht.

Von allen Organen und Körperteilen sollte man denken, dass die Augen bei Männern und Frauen relativ gleich sind. Scheinbar unterscheiden sie sich aber doch. Thiele-Eich fände es wichtig, herauszufinden, woran das liegt. "Wenn ich jemanden ein Jahr zur Raumstation schicke, da ist das nicht so ein Problem, wenn diese Person irgendwann nicht mehr so gut sieht", sagt die Klimaforscherin. "Aber jemanden zwei Jahre zum Mars zu schicken, das ist dann etwas problematisch."

Insa Thiele (Foto: IMAGO, imago images / blickwinkel)
Die Augen von Männern und Fraune unterschieden sich offensichtlich in der Schwerelosigkeit im Weltall.

Humanphysiologische Experimente im All

Sollte Insa Thiele-Eich ins All reisen, dann zur Internationalen Raumstation ISS – und zwar für einen rund zweiwöchigen Forschungsaufenthalt. Dort würden humanphysiologische Experimente durchgeführt, erklärt die angehende Astronautin. Also etwa Proben von Körperflüssigkeiten gewonnen. Die Kosten für Ausbildung und Flug werden auf rund 50 Millionen Euro geschätzt. Zu viel Geld für den Aufwand, sagen Kritiker.

Erst-Lese-Buch veröffentlicht

Wer weiß, vielleicht gehören Insa Thiele-Eich oder ihre Kollegin Suzanna Randall schon bald zu den ersten Frauen im Weltall. Gemeinsam haben sie gerade ein Erst-Lese-Buch veröffentlicht: "Unser Weg ins Weltall". Dort erfahren Kinder zum Beispiel, dass Astronaut*innen einige Tests absolvieren müssen – wie viele Zahlen sie sich rückwärts merken können oder ob sie ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen haben. Sie lernen auch, dass es im Training und im All sehr wichtig ist, sich selbst gut zu kennen und zu wissen: Wann werde ich wüten, wann bin ich traurig und was kann ich machen, wenn ich Angst habe?

Insa Thiele (Foto: IMAGO, imago images/imagebroker)
Insa Thiele-Eich oder ihre Kollegin Suzanna Randall haben ein Erst-Lese-Buch für Kinder veröffentlicht: "Unser Weg ins Weltall".

Das sind alles Dinge, die Frauen genauso gut können oder lernen können, wie Männer, ist die angehende Astronautin Insa Thiele-Eich überzeugt.

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