Finger mit e-skin Sensor berührt Himbeere. (Foto: Jiancheng Lai und Weichen Wang, Bao Research Group an der Stanford University)

Medizintechnik

Forschungsteam entwickelt künstliche Haut

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AUTOR/IN
Nina Kunze
Nina Kunze ist Reporterin und Redakteurin bei SWR Wissen aktuell (Foto: SWR, SWR, Christian Koch)
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Lilly Zerbst

Einem Forschungsteam der Stanford University ist es gelungen, Muskelreflexe über einen Sensor – eine Art künstliche Haut – bei Ratten auszulösen. Die könnte in Zukunft den Tastsinn bei Prothesen übernehmen.

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Fließender Übergang zwischen Mensch und Maschine

Wenn wir auf eine heiße Herdplatte fassen, zuckt unsere Hand zurück – ein Schutzreflex, den unser Körper automatisch ausführt. Der registrierte Reiz wird von unseren Nerven in ein Signal umgewandelt, ohne unser Zutun verarbeitet und führt schließlich zu einer Reaktion.

Eine Handprothese kann das nicht. Sie bräuchte dazu Sensoren, eine Art elektronische Haut, die an der Oberfläche Reize wahrnimmt und an das Nervensystem des Menschen übersetzt.

Eine Hand fühlt über einer angeschalteten Herdplatte. (Foto: IMAGO, IMAGO / imagebroker)
Das Empfindungsvermögen der menschlichen Haut ist facettenreich. Eine künstliche Nachbildung ist auch deshalb sehr aufwendig.

Hohe Ansprüche an die künstliche Haut

Um echte Haut zu ersetzen, muss die elektronische Haut viele Ansprüche erfüllen. Sie muss weich, dünn und dehnbar sein. Dazu sollte sie natürlichen Belastungen standhalten können und darf keine zu hohe elektrische Spannung aufweisen.

Außerdem sollte sie verschiedene Reize und deren Intensität wahrnehmen können – wie Temperatur und Druck. Diese Informationen müssen möglichst ohne Verzögerung ans Nervensystem weitergeleitet werden. Im Idealfall sollten all diese Funktionen in einem einzigen Bauteil zusammengefasst werden.

e-Skin arbeitet unter geringer Spannung

Das Forschungsteam der Universität Stanford hat sich diesen Herausforderungen gestellt. In einer aktuellen Studie im Fachblatt Science stellen sie ihre sogenannte e-Skin vor.

Sensor der e-skin. (Foto: Jiancheng Lai und Weichen Wang, Bao Research Group an der Stanford University)
Weiches e-skin Element mit Sensor (schwarzes Quadrat vorne links), der angeschlossenen biometrischen Verschaltung (Stromkreis auf dem Element) und output-Elektrode (Kabel oben rechts).

Nur durch die Kombination verschiedener Materialien gelang es dem Forschungsteam, die nötige Spannung auf unter 5 Volt zu begrenzen. Man könnte die elektronische Haut also mit einem USB-Anschluss betreiben. Im Vergleich zu bisherigen Modellen ist das eine enorme Spannungsverringerung um bis zu 95 Prozent.

Künstliche Haut kann Intensität der Reize differenzieren

Außerdem codierten die Forschenden an der e-Skin ankommende Reize so, dass sie die Codierung des menschlichen Nervensystems nachahmt. Je stärker der Reiz, desto schneller feuern unsere Nervenbahnen. Die elektronische Haut kann so Temperaturunterschiede zwischen 22 und 90 Grad Celsius wahrnehmen und sogar Vibrationen erkennen.

Künstliche Synapse übersetzt Reize

Alle Informationen werden schließlich gebündelt, vom Nervensystem verarbeitet und an die Muskulatur weitergegeben. Auch hierfür hat das Team aus Stanford eine Lösung parat – eine neue Art von künstlicher Synapse.

Erste erfolgreiche Versuche

Ihr Konzept haben die Forschenden an Ratten getestet. Mit der elektronischen Haut gelang es ihnen, einen Reflex auszulösen, der das Hinterbein der Tiere zucken lässt.

Zwei Hände mit Gummihandschuhen halten eine weiße Maus in einem Labor. (Foto: IMAGO, IMAGO / ITAR-TASS)
In einem Experiment konnten die Forschenden bereits an Ratten zeigen, dass ihre e-skin erfolgriech Reize in eine Reaktion umwandeln kann. Die Ratten zuckten bei Stimulation mit dem Bein.

e-Skin könnte Prothesen detailreichen Tastsinn verleihen

Für Prothesen könnte die elektronische Haut in Zukunft so weiterentwickelt werden, dass sie auch komplexe Sinneseindrücke wie die feine Oberflächenstruktur einer Erdbeere an das Gehirn weiterleiten kann.

Mögliche Anwendungsfelder sieht das Team der Uni Stanford nicht nur in der Medizintechnik, sondern auch in der Robotik. Die Grenze zwischen Mensch und Maschine verschwimmt so um ein weiteres Stück.

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Nina Kunze ist Reporterin und Redakteurin bei SWR Wissen aktuell (Foto: SWR, SWR, Christian Koch)
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