Autoimmunerkrankung

Forschung an Multipler Sklerose wird gefördert durch Mai-Aktion

Stand

Mehr als 2,9 Millionen Menschen weltweit leben mit Multipler Sklerose (MS). In Deutschland sind es etwa 300.000. Es gibt noch etliche Forschungsfragen zu klären. Deshalb haben mehrere MS-Gesellschaften weltweit die Aktion The May 50K ins Leben gerufen, um Spenden zu sammeln.

Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die meist im frühen Erwachsenenalter beginnt. Es gibt leichte und schwere Verläufe. Heilbar ist MS bis heute nicht, aber behandelbar. Nach Angaben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft gibt es noch etliche Forschungsfragen zu klären.

Um die Forschung zu fördern, wurde die Spendenaktion The May 50K ins Leben gerufen. Frei ins Deutsche übersetzt bedeutet das 50.000 im Mai. Gemeint sind 50.000 Meter oder einfacher 50 Kilometer, die man im Mai zum Spendensammeln zu Fuß, per Rad oder schwimmend zurücklegen kann.

Darüber im Gespräch war der SWR mit Dr. Michaela Mai. Sie leitet das Referat Gesundheits- und Sozialpolitik bei der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft.

Sport kann sich positiv auf Multiple Sklerose auswirken

SWR: Im Beitrag haben wir ja vom Halbmarathonläufer aus Malsch gehört, er ist nur ein Teilnehmer der Aktion The May 50K. Ich finde, das ist ein tolles Beispiel dafür, wie Menschen auch mit MS große sportliche Ziele erreichen können. Welche Rolle spielt denn Bewegung generell im Kampf gegen Multiple Sklerose?

Dr. Michaela Mai: Zuerst einmal ist es so, dass sich Bewegung generell, unabhängig von Erkrankungen, natürlich positiv auf den menschlichen Körper auswirkt und auch auf die Psyche.

Ich glaube, das ist etwas, das ganz wichtig ist auch indem, was es für die MS tun kann. Wir wissen, dass Bewegung auch das Immunsystem beeinflussen kann, und das Immunsystem ist ja die Grundlage für die MS, weil das Immunsystem „fehlgeleitet“ ist und sich gegen Teile des eigenen Körpers richtet. Diese entzündlichen Aktivitäten können zum Beispiel auch durch sportliche Bewegung positiv beeinflusst werden.

Spendenaktion soll zu Bewegung animieren und Aufmerksamkeit schaffen

SWR: Gibt es Sportarten, die von ihrer Seite aus betrachtet, besonders geeignet sind, wenn Menschen MS haben und sich sportlich betätigen wollen und vielleicht auch sollen?

Dr. Mai: Nein, gibt es eigentlich nicht. Es geht wirklich um die sportliche Betätigung für das einzelne Individuum, weil ja natürlich nicht alles möglich ist oder nicht alles möglich sein kann.  Jeder hat unterschiedliche Prioritäten, was er gerne macht. Deswegen ist es so, dass es nicht eine Sportart gibt, die wir empfehlen würden.

Die Hauptsache ist, man kommt in Bewegung, hat ein moderates Herz-Kreislauf-Training dabei, das ist im Grunde genommen das, was wichtig ist. Und wenn es geht, ist natürlich der soziale Aspekt, also gemeinsam Sport machen, etwas, das gut für die Psyche ist.

SWR: Es geht bei der Aktion The May 50K um Spenden für die MS-Forschung. Wie funktioniert das genau mit den Kilometern, die ich da im Mai sammle und den Spenden?

Dr. Mai: Das ist erstmal eine Awareness und eine Spendenaktion, wo jeder mitmachen kann. Es kann jeder auch mitmachen, ohne Spenden zu sammeln. Erst einmal geht es natürlich darum, sich zu bewegen und darum, Aufmerksamkeit für die Erkrankung zu schaffen.

Das andere ist, dass man das auch öffentlichkeitswirksam machen kann und vielleicht auch seinen eigenen Account nutzen kann, um sich zu vernetzen und andere zu motivieren, ebenfalls mitzumachen. Dann kann man Spenden sammeln und die sind erstmal losgelöst von den eigentlichen Kilometern.

SWR: Es könnten also auch weniger oder mehr als 50 Kilometer sein, die man im Mai zurücklegt?

Dr. Mai: Genau. Das ist aber auch jedem frei, sich ein eigenes Ziel zu setzen. Man könnte theoretisch mit den 50K auch 50.000 Treppenstufen meinen, dann sind wir losgelöst von den Kilometern. Wichtig ist es, Bewegung gemeinsam zu machen und sich zu vernetzen und Awareness zu schaffen.

Gruppe Frauen macht Sport im Park. Um die Aktion The May 50K zu unterstützen, müssen nicht unbedingt 50.000 Meter zurückgelegt werden. Die Zahl 50.000 kann von jedem und jeder frei ausgelegt werden. Worauf es ankommt sind Bewegung, am Besten mit anderen zusammen, und das Schaffen von Awareness für Multiple Sklerose.
Um die Aktion The May 50K zu unterstützen, müssen nicht unbedingt 50.000 Meter zurückgelegt werden. Die Zahl 50.000 kann von jedem und jeder frei ausgelegt werden. Worauf es ankommt sind Bewegung, am Besten mit anderen zusammen, und das Schaffen von Awareness für Multiple Sklerose.

Genaue Ursache von Multipler Sklerose noch immer unklar

SWR: Das Geld ist dann für die Forschung bestimmt. Was sind denn da noch die weißen Flecken in der Wissenschaft, was muss die medizinische Forschung im Bereich MS noch herausfinden?

Dr. Mai: Da gibt es relativ viel. Das würde, glaube ich, den Rahmen dieses Interview sprengen. Aber ganz wichtig ist erstmal zu sagen, dass MS ja bis heute nicht heilbar ist und ein Grund dafür ist, dass wir noch nicht die Ursache der Erkrankung kennen.

Es ist ja keine genetische Erkrankung, aber wir wissen trotzdem, dass bestimmte genetische Prädisposition, also Voraussetzungen, eine Rolle spielen. Ein Großteil oder der überwiegende Großteil ist aber von Umweltfaktoren bestimmt. Da scheint es auch ein Zusammenspiel von vielen Umweltfaktoren zu sein.

Bei manchen haben wir einen Hinweis darauf, dass die eine Rolle spielen, wie zum Beispiel das Darmmikrobiom, also die Bakterienzusammensetzung im Darm. Aber natürlich auch Rauchen und Alkohol. Auch Vitamin D wird wahrscheinlich eine Rolle spielen.

MS-Forschende konkurrieren oft mit vielen Forschenden anderen Gebieten

SWR: Also geht es hauptsächlich um Grundlagenforschung. Darum, die Ursache zu finden?

Dr. Mai: Genau, richtig. Wir fördern hauptsächlich Grundlagenforschung, die sich eben mit Themen auseinandersetzt, die von anderen Playern innerhalb dieser Forschungscommunity vielleicht gar nicht so in den Fokus genommen werden. Das ist zum Beispiel ganz wichtig.

Und das andere ist, dass es ja auch andere Forschungstöpfe, wie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, gibt. Da ist es aber so, dass die MS-Forscher mit vielen Forschern aus anderen Themengebieten konkurrieren, die dort eingereicht werden.

MS ist keine Volkskrankheit, auf die der Fokus immer ganz groß gesetzt ist und deswegen haben wir ein ureigenstes Interesse, dass wir speziell diese Grundlagenforschung fördern, die für uns wichtig ist und die vor allen Dingen für die Betroffenen und Angehörigen wichtig ist, damit wir da weiterkommen.

Deswegen möchten wir uns engagieren und sammeln diese Spenden, um da Anschubfinanzierung geben zu können.

Illustration des Darmmikrobioms. Aus der bisherigen Multiple-Sklerose-Forschung ist bereits bekannt, dass das Mikrobiom im Darm eine Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen könnte.
Aus der bisherigen Multiple-Sklerose-Forschung ist bereits bekannt, dass das Mikrobiom im Darm eine Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen könnte.

Medikamente können Verlauf der Multiplen Sklerose beeinflussen

SWR: Sie haben gesagt, MS ist bis heute nicht heilbar, aber man kann es behandeln. Wie gut oder schlecht ist MS denn behandelbar?

Dr. Mai: Es gab eine unheimliche Entwicklung in den letzten 10 Jahren, was die medikamentöse Therapie angeht. So, man muss bei der MS bei den Therapien erst einmal unterscheiden, dass es Therapien gibt, die versuchen, den Verlauf zu beeinflussen. Das ist der Bereich, in dem die meiste Forschung erfolgt.

Das andere ist die symptomatische Behandlung, die versucht, die Symptome, die die MS hervorruft, zu behandeln, die aber keine ursächliche Therapie der MS ist. Bei der verlaufsmodifizierenden Therapie haben wir in den letzten 10 Jahren schon einen großen Fortschritt geschafft, weil sehr viele Medikamente auf den Markt gekommen sind, die versuchen, den Verlauf zu beeinflussen.

Die zielen aber zum größten Teil auf die entzündliche Aktivität ab und schaffen es in der Form noch gar nicht, den Verlauf, also im Grunde genommen das Fortschreiten der Behinderung zu verlangsamen oder aufzuhalten.

MS verläuft so individuell, dass Vorhersagen schwierig sind

SWR: Es gibt also einige Medikamente, die gut helfen in der Behandlung. Das bedeutet dieses alte Vorurteil, dass man mit einer MS nach ein paar Jahren definitiv im Rollstuhl sitzt. Das ist überholt, oder?

Dr. Mai: Das ist überholt. Ich würde aber auch sagen, dass es ein so breites Spektrum ist, wie sich die MS entwickeln kann, dass wir von vornherein nicht sicher sagen können, ob jemand mit einer Diagnose in 30 Jahren auf jeden Fall im Rollstuhl sitzen wird oder nicht.

Die Medikamente, die in den letzten Jahren zugelassen worden sind, sind natürlich eine Möglichkeit, diesen Verlauf zu verlangsamen und das tun Sie auch, aber wir können immer noch nicht wirklich sagen, bei welchem Patienten das passiert und bei welchen nicht.

Abbau von Hürden wünschenswert für die Zukunft

SWR: Was sind denn für die Patientinnen und Patienten heute noch die größten Hürden im Alltag?

Dr. Mai: Ich glaube, die Erkrankung anzunehmen und im eigenen Alltag damit umzugehen, ist erst einmal die allergrößte Hürde. Dann ist natürlich auch die Frage, welche Symptome es gibt, von denen viele nicht von außen ersichtlich sind, aber ja natürlich die Interaktion mit dem sozialen Umfeld beeinflussen können.

Bestehen körperliche Beeinträchtigungen wird Barrierefreiheit relevant, schon allein bauliche Zugänge. Denken sie zum Beispiel einmal daran, dass sie mobilitätseingeschränkt den Hannoverschen Bahnhof benutzen möchten, dann merken sie gleich, dass sie für viele Wege ungefähr mindestens viermal so lange brauchen.

Das sind, glaube ich, Alltagsfaktoren, die müssen unbedingt geändert werden, damit wir eine gute Integration haben und Menschen unterstützt werden.

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Landesschau Rheinland-Pfalz SWR RP

Stand
Interview mit
Dr. Michaela Mai von der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft
Das Interview führte
Jochen Steiner
Jochen Steiner, SWR Kultur Moderator
Onlinefassung
Leila Boucheligua