Wie sich Fischschwärme blitzschnell koordinieren
Bei einem Angriff von Haien müssen Fischschwärme schnell reagieren – das machen sie kollektiv und blitzschnell. Tausende von Fischen bewegen sich in nahezu perfekter Übereinstimmung.
Aber wie gelingt ihnen diese scheinbar mühelose Koordination? Und welche visuellen Anhaltspunkte nimmt ein einzelner Fisch überhaupt wahr, inmitten dieses hochdynamischen Schwarms? Diese Frage erforschen Wissenschaftler des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten und des Max-Planck-Instituts in Konstanz.

Was Fischaugen im Schwarm wahrnehmen
Oliver Deussen und sein Team wollen verstehen, wie Tiere ihre Umgebung wahrnehmen und mit anderen im Schwarm interagieren – und so die Mechanismen hinter dem kollektiven Verhalten der Fische entschlüsseln:
„Wir haben herausgefunden, dass es wahrscheinlich so ist, dass sie sich maßgeblich an dem Bild ihrer Nachbarn orientieren. Also wie bewegen die sich, wie schnell bewegen die sich und daran ihre eigene Bewegung anschließen.“
Wenn zum Beispiel ein Hai angreife, müssten die Fische in kürzester Zeit ausweichen – und das könnten sie nur, wenn sie ihre Bewegung sehr schnell mit der ihrer Nachbarn koordinieren, erläutert Deussen.
Schwarmverhalten analysieren mit Roboterfischen
Mit der Grundlagenforschung zum Verhalten von Fischen beschäftigt sich Schwarmforscher Liang Li schon länger. Mit sogenannten Roboterfischen – als Dummy für echte Fische – analysiert er beispielsweise den Energieverbrauch beim Schwimmen.
Die Forschenden wissen bereits, dass die Fische im Mehrheitsprinzip die Richtung bestimmen und auf die Bewegung ihrer Nachbarn reagieren. Entscheidend dabei ist wohl das Sichtfeld der Fische. Und die Frage: Was können Fische überhaupt sehen?
„Zunächst einmal ist es sehr schwierig, wirklich zu überprüfen, ob wir das sehen, was die Fische sehen. Wie kann man beweisen, dass die Methode gut ist?“, so Li. Eine Möglichkeit, die visuelle Wahrnehmung von Fischen dennoch zu erforschen, sei ihr Verhalten.

Eye-Tracking bei Fischen: So funktioniert die Analyse
Für ihre Studie ließen die Forscher zwei echte Fische in einem Strömungsbecken schwimmen. Die Fische und ihre Augenpositionen wurden dabei dreidimensional mit Kameras beobachtet. Die Rekonstruktion ihres Netzhautbilds zeigt: Fische passen ihre Augenbewegungen dynamisch an. Der voranschwimmende Fisch bleibt dabei immer im Zentrum ihres Blicks.
„Hier weiß man, dass der andere Fisch immer vorne schwimmt.“, erklärt Li. „Aber man kann nicht wirklich kontrollieren, ob die echten Fische immer vorne schwimmen, weil sie immer miteinander interagieren. Das ist also eine Art neues Werkzeug, um sehr detailliert den Zusammenhang zu verstehen, warum Fische dies tun und warum sie dieses Verhalten zeigen.“

Roboterfische als Forschungsinstrument für kollektives Verhalten
Deshalb arbeitet Liang Li an einem weiteren Projekt: Mithilfe der Roboterfische als Dummys sollen die Strömung und Geschwindigkeit im Wasser gemessen und später variiert werden können – etwa energiesparender oder kräfteraubender für den Fisch.
Damit das so originalgetreu wie möglich gelingt, synchronisieren die Forscher die Roboterfische anhand der Daten der echten Fische. Sie sollen sich so authentisch wie möglich im Wasser bewegen.

Weitere Experimente geplant
In künftigen Experimenten will das Forschungsteam herausfinden, wie echte Fische und Roboter-Fische miteinander agieren. Wohin schauen sie, wenn sich die Bedingungen verändern? Wie bewegen sie sich dann? Und: Ändert sich ihr Verhalten im Schwarm?
Übrigens: In der Psychologie weiß man, dass das Verhalten von uns Menschen oft auch Kollektivverhalten ist. Wenn wir zum Beispiel mit anderen zusammen sind, essen wir auf einmal mehr oder bestimmte Dinge.