Berberaffen sind hoch-soziale Tiere. Sie kuscheln gerne, pflegen sich gegenseitig das Fell und können sogar den Gesichtsausdruck des anderen lesen. Ihr Geruchssinn wird derzeit im Rahmen eines Geruchsexperiments auf dem Affenberg in Salem, Deutschlands größtem Affenfreigehege, erforscht. 200 Berberaffen sind hier zuhause.
Warum riechen Primaten, also auch Menschen, besser als gedacht?
Damit die Tiere die Experimente mitmachen, muss sich Verhaltensbiologin Brigitte Schloegl immer wieder kreative Experimente überlegen, wie eine „Duftkiste“, die die Berberaffen ausgiebig inspizieren und beschnüffeln. Dabei hat Schloegl bereits viel Erfahrung:
Ich habe 20 Jahre lang tatsächlich das Sozialleben von Gänsen aus sehr vielen verschiedenen Perspektiven und einfach wissenschaftlichen Blickwinkeln betrachtet. Ja, und jetzt bin ich beim Sozialleben von Primaten angelangt.
Die Wissenschaftlerin kann in Salem Grundlagenforschung betreiben und einer wichtigen Frage nachgehen: Warum riechen Primaten, uns Menschen eingeschlossen, viel besser als lange gedacht? Auch Berberaffen nutzen ihren Geruchssinn längst nicht nur für die Futtersuche: Sie brauchen ihn für ihr Zusammenleben.
Dass die Affen sehr differenzierte Sozialbeziehungen eingehen, wäre ohne ein individuelles Erkennen nicht funktionieren, erklärt Schloegl. Dazu müssten die Affen nicht nur wissen, wer, welches Individuum ist, sondern haben auch ein Verständnis dafür, wer mit wem verwandt ist.

Paarung mit zu nahen Verwandten wird verhindert
Jeder Affe hat seinen eigenen Geruch – und der verhindert, dass sich zu nahe Verwandte in der Gruppe paaren. Affe und Mensch ähneln sich auch hier, denn auch Menschen können ihre Geschwister in der Regel nicht riechen, wie Roland Hilgartner, der Leiter des Affenbergs in Salem erklärt:
Wir gehören zu den Primaten, da kann man durchaus ableiten, dass der Geruchssinn beispielsweise bei der Partnerwahl ja unbewusst in verschiedenen Bereichen eine Rolle spielt- Da würde ich schon sagen, dass man das übertragen kann.
Der Geruchssinn ist einer der ältesten Sinne. Er hat sich vor dem Hören und Sehen entwickelt. Bereits Babys im Mutterleib riechen und erkennen später ihre Mutter am Geruch. Menschen nutzen den Geruchssinn aber meist unterbewusst, dabei beeinflusst er unsere Gefühle.

So werden Duftmoleküle über Riechzellen registriert, weiter transportiert und im olfaktorischen Cortex, dem Riechhirn, verarbeitet. Dieser Bereich wiederum ist direkt mit den Regionen im Gehirn verknüpft ist, die Emotionen und Erinnerungen steuern.
Primaten können bestimmte Düfte sogar besser riechen als Hund
Vieles über den Geruchssinn von Primaten ist noch unerforscht. Roland Hilgartner sieht darin keine Vernachlässigung der Geruchsforschung, sondern vor allem ein methodisches Problem:
Wenn ich an meine Doktorarbeit denke, ich habe mit Lemuren gearbeitet, da wir mir klar, dass da sehr viel über Geruch, also Olfaktorik abläuft, es gab schlichtweg keine Möglichkeit methodisch da reinzukommen in freier Wildbahn. Das ist einfach noch ein großes unbearbeitetes Forschungsfeld, welche Rolle der Geruchssinn bei den Primaten spielt.
Brigitte Schloegl will das ändern. Seit Monaten führt sie deswegen immer wieder ein Experiment durch: Sie zeigt einem Affen ein Foto seiner Mutter und dazu ein Röhrchen mit ein paar Tropfen ihres Urins – den sie zuvor in stundenlanger Arbeit im Wald aufsaugen musste. Wenn das Bild und der Geruch der Mutter identisch sind, reagieren die Affen meist nur kurz, das heißt dann, dass die Information zusammenpassen, erklärt Schloegl.
In einem zweiten Versuch verwirrt die Forscherin den Affen: Sie füllt den Urin von einem anderen Tier, das nicht in der Gruppe lebt, in den Versuchsapparat. Der Affe ist vermutlich irritiert, er schnuppert und schaut länger.
Das erfüllt nicht mehr ihre Erwartung. Damit kann ich ohne das Tier persönlich fragen zu können, herausfinden, dass sie merken, dass da etwas nicht zusammen passt. Daher weiß ich, er hat sowohl am Bild auch als am Geruch die entsprechende Information herausgezogen.
Womöglich nutzen Berberaffen mehrere Sinne zum Erkennen
Erste Hinweise aus den Daten dieser Versuche bestätigen: Auch Berberaffen können vermutlich wie bereits bei Schimpansen beobachtet ihre Familie am Geruch erkennen. Dabei stellt sich aber auch die Frage, ob der Geruch ausreichend Informationen über individuelles Erkennen hergibt oder nicht. Schloegl nimmt das an, sagt aber auch, dass man nicht sicher davon ausgehen kann.
Also nutzen Berberaffen für das gegenseitige Erkennen womöglich mehrere Sinne: So wie wir Menschen auch nicht nur visuelle Lebewesen sind. Brigitte Schloegl will auch wissen, wie der Körpergeruch der einzelnen Tiere sich chemisch unterscheidet. Dafür saugt sie mit einer Art Staubsauger den Körpergeruch einzelner Tiere ein.

Die Biologin erstellte so von jedem Berberaffen ein Geruchsprofil – um nun untersuchen zu können, welche Duftmoleküle sie am anderen eigentlich erkennen.
Wir sehen auf jeden Fall mal, dass diese Methodik funktioniert. Also das ist was Schönes, was wir sehen und wir sehen auch in den Pilotendaten zum Beispiel, dass da tatsächlich Geschlechtsunterschiede erkenntlich sind. Aber wir sind noch nicht so weit, um schon sagen zu können, ob sie jetzt wirklich Rangunterschiede, Unterschiede zwischen Verwandten oder so gibt. Da fehlt einfach noch die finale Auswertung.
Ob Männchen oder Weibchen nur zufällig anders riechen oder das evolutionär bewusst entstanden ist, auch das gilt es jetzt zu klären. Um so Stück für Stück die Evolution des Geruchsinns bei den Primaten und somit auch bei uns Menschen endlich ein bisschen besser zu verstehen.